Achtungserfolg aus dem ORF-Archiv

 

Formal war sie vielleicht die Krönung im Lebenswerk des Walzerkönigs Johann Strauss Sohn, de facto aber, gemessen an den Erwartungen, eher ein ziemlicher Reinfall, allenfalls ein Achtungserfolg. Die Rede ist von Straussens einziger Oper Ritter Pásmán, die am Neujahrstag 1892 die Ehre hatte, im k. k. Hofoperntheater am Wiener Ring unter Anwesenheit des mittlerweile 66-jährigen Komponisten uraufgeführt zu werden. Hofoperndirektor Wilhelm Jahn höchstselbst, von dem auch die Anregung zum Werk ausging, hatte das Dirigat und die Regie übernommen. Das Bühnenbild stammte von Anton Brioschi. Die Sängerbesetzung war mit u. a. Franz von Reichenberg (der 1876er Uraufführungs-Fafner in Bayreuth), Fritz Schrödter, Ellen Brandt-Forster und Marie Renard erlesen. Und doch krankte es am mediokren Libretto, welches Ludwig von Dóczi nach der literarischen Vorlage von János Arany beisteuerte. Die Banalität der Handlung, im 14. Jahrhundert angesiedelt, war bereits problematisch, doch erreichte auch die musikalische Untermalung nicht das Niveau der besten Bühnenwerke von Strauss. Immerhin haben sich einige Nummern im Repertoire halten können, besonders der Csárdás und der sogenannte Eva-Walzer, welche auch bereits bei den Wiener Neujahrskonzerten zur Aufführung gelangten. Die Ballettmusik wurde tatsächlich von der Kritik auch von Anfang an hervorgehoben. Überdies zeigte sich der alternde Komponist durchaus experimentierfreudig, erklang doch zum ersten Mal ein Cymbal im Hofopernorchester.

Nichts verdeutlicht das Schattendasein, welches der dreiaktige Ritter Pásmán seither führt, besser, als die desaströse Situation auf dem Tonträgermarkt. Bis zum Jahre 2021 gab es tatsächlich keine einzige offizielle Einspielung der kompletten Oper. Das Label Orfeo behebt diesen unhaltbaren Zustand, muss aber – fast bezeichnend – auf eine Aufnahme zurückgreifen, die ihrerseits schon beinahe ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat (Orfeo C200062). Es handelt sich hierbei um einen für das Alter sehr gut klingenden Mitschnitt des Österreichischen Rundfunks vom 27. Oktober 1975, der im Wiener Musikverein konzertant zustande kam. Der in diesem Repertoire ausgewiesene Heinz Wallberg leitet dort das Radio-Symphonieorchester Wien sowie den ORF-Chor. Die Besetzung liest sich prominent: Niemand Geringerer als der gerade in Wien legendäre Eberhard Waechter, schon etwas über seinen Zenit hinaus, übernimmt die Titelpartie. An seiner Seite agieren Josef Hopfenwieser als Karl Robert von Anjou, Sona Ghazarian als Königin, Trudeliese Schmidt als Eva, Artur Korn als Rodomonte, Horst Witsche als Hofmarschall Omodé, Axelle Gall als Gundy sowie Peter Drahosch als Mischu. Besonders Waechter („Ich bin ein Ungar und ein Edelmann“) und die Schmidt („O gold’ne Frucht“) sind hervorzuheben.

Tatsächlich ist das ehrliche Bemühen von Strauss, nicht bloß eine zur hofoperntauglichen Oper umdeklarierte Operette abzuliefern, hörbar, gibt es in der stellenweise überraschend düsteren Partitur doch gar Anklänge an den Bayreuther Meister Richard Wagner (besonders in den pathetischen Chören). Marcel Prawy sprach gar davon, „[e]s meistersinger[e] in diesem Werk auf Ungarisch“. Freilich scheint sich der für seine heiteren Stücke berühmt gewordene Johann Strauss Sohn im seriösen Fach nicht vollumfänglich wohlzufühlen, so dass sich hie und da ein etwas zwanghafter Eindruck auftut, wohl den Erwartungen der großen Hofoper geschuldet.

Als Bonus ist auf der zweiten CD noch die vom Label Marco Polo übernommene komplette Ballettmusik mit dem Slowakischen Staatlichen Philhamonischen Orchester unter Alfred Walter beigegeben (Aufnahme: 1993), wohl auch, da in der Gesamtaufführung lediglich der genannte Csárdás erklingt. Ein informatives Beiheft (auf Deutsch und Englisch) mit einer Einführung von Gerhard Persché rundet diese wichtige Ergänzung der Strauss-Diskographie ab. Daniel Hauser