Das schweizerische Label Relief hat sich aus dem reichen Fundus deutscher Rundfunkarchive, der noch weitestgehend unerschlossen ist, Gaetano Donizettis Rita herauspickt (CR 1928). Der leichtgestrickte Einakter im Stile der Opéra Comique von 1841 ist nicht das zentralste Werk des überaus tüchtigen italienischen Komponisten, der mehr als siebzig Bühnenwerke hinterlassen hat. Im Booklet wird der Inhalt präzise erzählt, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre. Es wird nämlich so deutlich gesungen, dass jedes Wort der deutschen Übersetzung von Josef Strobl, dem Dirigenten der Aufnahme, zu verstehen ist. Insofern legt diese Produktion einmal mehr Zeugnis davon ab, welch großer Wert in den Studios einst darauf gelegt wurde, dass das Publikum den Inhalt genau verstand und immer nachvollziehen konnte. In dem Werk mangelt es nicht an gesprochenen Dialogen.
Die Gastwirtin Rita (Ingeborg Hallstein) musste schon an ihrem zehn Jahre zurückliegenden Hochzeittag Prügel ihres Mannes Gasparo (Karl Christian Kohn) einstecken. Als er von einer Seereise nicht zurückkehrte, wurde er für tot erklärt. Die vermeintliche Witwe heiratet Beppe (Erwin Wohlfahrt), den sie nun ihrerseits züchtig, wenn er nicht nach ihrer Pfeife tanzt. Dennoch liebt Beppe seine herrische Frau. Plötzlich tritt ein Fremder auf den Plan, der sich bald als der vermisste Gasparo herausstellt. Er lebt in Kanada und will dort eine neue Ehe eingehen. Dazu muss er frei sein. Er glaubt, Rita sei bei einem Brand ums Leben gekommen und will sich das in der alten Heimat amtlich beurkunden lassen. Als die Totgeglaubte lebendig vor ihm steht, verlangt er den Trauschein von ihr, um ihn zu vernichten. Beppo aber wittert seine Chance, sich aus den Fesseln seiner Ehe zu befreien und ist bereit, Rita freizugeben. Gasparo will sie aber nicht zurück. Was tun? Beide Männer spielen um die Frau ein ganz böses Spiel. Wer gewinnt, muss sie behalten. Gasparo verliert, und Beppo ist froh, seine Freiheit wiedererlangt zu haben. Gasparo aber gibt sich nicht geschlagen. Er fingiert ein Duell mit seinem Gegner, entreißt Rita während der Turbulenzen den Trauschein und beschwört sie, Beppe in Zukunft besser zu behandeln. So zieht er wieder von dannen und lässt das nun glücklich vereinte Paar zurück.
Die Aufnahme entstand an zwei Tagen im Dezember 1960 im Herkulessaal der Münchner Residenz. Es handelt sich um eine Produktion des Bayerischen Rundfunks mit dessen Symphonieorchester. Wie in einem Hörspiel wird durch allerlei akustisches Beiwerk Nähe zur Wirklichkeit suggeriert. Technisch ist der Einspielung ihr Alter nicht anzuhören. Sie klingt frisch, sehr frisch sogar. Es hat sich wieder einmal gelohnt, auf die originalen Bänder zurückzugreifen, wie man das von Relief gewohnt ist. Historisch wirkt die mehr als sechzig Jahre alte Aufnahme durch den Musizierstil und die Art des Singens. Allen drei Solisten ist der italienische Belcanto nicht in die Wiege gelegt. Sie gehen ihre Aufgaben mit deutscher Spielfreude an. Dabei besticht Ingeborg Hallstein als resche Gastwirtin mit Haaren auf den Zähnen durch geschliffene Koloraturen.
Im Booklet gibt es kurze bebilderte Biographien der Sängern, versehen mit Hinweisen auf ihre offiziellen Schallplatten. Sehr lesenswert ist er profunde Einführungstext in die Oper Rita von Alfred Gänsthaler, dem Präsident der Freunde der Musik Gaetano Donizettis (Wien). Rüdiger Winter