Stumm, stumm, stumm …

 

Was das Opernschaffen an musikalischer Zündkraft Anfang des 20. Jahrhunderts aufzubieten hatte, reizten wenige in der Bandbreite so dezidiert aus wie Richard Strauss und der als Gegenpol gefeierte Franz Schreker. Wie Strauss galt Schreker als einer der führenden deutschen Opernkomponisten. Mit dem Fernen Klang erzielte er 1912 einen Sensationserfolg, der ihm auch bei anderen Opern weitgehend treu blieb. So 1918 bei den Gezeichneten. Das irisierende Vorspiel lässt das Genua des 16. Jahrhunderts farbige Gestalt annehmen. Es gehört zu den Beispielen eines sinnlich glühenden, schwelgerischen Stimmungszaubers, wie wir ihn auf der Aufnahme des Royal Swedish Orchestra unter seinem niederländischen Chef Lawrence Renes erleben können (BIS 2212). Auch wenn man heute den Opern des ebenfalls mit dem Bann der „Entarteten Musik“ belegten Alexander von  Zemlinsky den Vorzug geben wird, kann man sich Schrekers Orchesterpracht schwer entziehen: ausladend, mächtig, geheimnisvoll in ihrer instrumentalen Bravour, immer auf der Suche nach magischen Klangchiffren. Zu den weiteren Beispielen von Schrekers „Orchestral Music from the Operas“ auf dieser CD gehören das Vorspiel zu Das Spielwerk, der Überarbeitung von Das Spielwerk und die Prinzessin, das Symphonische Zwischenspiel aus Der Schatzgräber, Schrekers erfolgreichster Oper, das erst posthum uraufgeführte Vorspiel zu einer Großen Oper (nach seiner Selbsteinschätzung „ein großes, rauschendes Stück, in dem alle Register des Orchesters gezogen werden“) und das Nachtstück aus Der ferne Klang.

Eine perfekte Ergänzung bietet  eine Naxos-Aufnahme aus der Kleinhaus Music Hall in Buffalo, wo das dort beheimatete Philharmonic Orchestra Strauss nicht als den exzessiv und gewaltig tönenden Salome und Elektra -Komponisten zeigte, sondern als den raffinierten Orchesterverführer und gekonnten Anverwandler, der sich virtuos in die Klangwelt Lullys einfühlt und sie geistreich schattiert (Naxos 8.573460): Die Musik zu Le Bourgeois Gentilhomme zog er, nachdem sich Aufführungen mit Molières Stück nicht durchzusetzen vermochten, zu einer 1920 mit den Wiener Philharmonikern erstmals aufgeführten neunteiligen Suite aus Vorspiel, Tanznummern und Tafelmusik zusammen. Ein graziles, klangsinnliches Stück mit parodistischen Anmerkungen und feinsinnigen Illustrationen. Interessant aber vor allem die World Première Recording in Form der in gleicher Manier entworfenen Orchesterfassung der Ariadne auf Naxos, aus der D. Wilson Ochoa unter Beibehaltung der originalen Instrumentation – mit Ausnahme eines Englischhorns anstelle des zweiten Oboe – eine siebenteilige Symphony-Suite destillierte, die zentrale Momente der Oper so gekonnt einfängt, dass Kenner entzückt sein dürften: Prolog, das Duett Zerbinetta/ Komponist „Ein Augenblick ist wenig“, Der Walzer „Eine Störrische zu trösten“, „Ein Schönes war“, „Es gibt ein Reich“, das Zwischenspiel und „Gibt es kein Hinüber“.  Das sollte doch auch etwas für andere Orchester sein, die sicherlich noch geschmeidiger als das Buffalo Philharmonic Orchestra unter der vielseitigen JoAnn Falletta diese Musik zum Funkeln bringen.   Rolf Fath