Drei Komponisten und eine Idee als da sind Arnold Schönberg mit seinen Gurreliedern, Gustav Mahler mit Das Lied von der Erde und schließlich Alexander Zemlinsky mit seiner Lyrischen Symphonie: Alle drei verbanden literarische Texte mit sinfonischer Musik, ja Zemlinsky kündigte seinem Verleger 1922 direkt an, er habe etwas komponiert „in der Art des Lied von der Erde“. Missverständlich könnte die Vokabel „lyrisch“ sein, meint sie doch einerseits die Äußerung von Empfindungen in gebundener Form, andererseits in der romanischen Welt ist la lirica die Welt der Oper. Einerseits verwendet der Komponist Gedichte des damals hochberühmten indischen Dichters Rabindranath Tagore aus dessen Gedichtsammlung Der Gärtner, verknüpfte also Lyrik mit Orchestermusik, andererseits ist diese zwei Personen, einem Mann und einer Frau, die zueinander in Beziehung stehen, zugeordnet, es scheint eine opernhafte Auseinandersetzung stattzufinden. Das sehr informationsreiche Booklet zur bei Orfeo herausgekommenen CD sieht das lyrische Element in der „Statik, Reihung, Intimität“, während das Substantiv „Symphonie Dynamik, Entwicklung, Monumentalität“ erwarten lasse.
Michael Gielen, der das Werk 1989 mit dem ORF Vienna Radio Symphony Orchestra aufnahm, ist eher für kühle Analyse als für die Suche nach dem akustischen Rausch bekannt. Dieses Werk allerdings scheint er geliebt zu haben, denn es gibt mindestens zwei weitere Aufnahmen mit ihm, so von 1991 mit dem Rundfunksinfonieorchester Baden-Baden und 2007 mit dem RSO Berlin. Auf der Wiener CD ist durchaus der sinnlich berauschende Orchesterpart in all seinen raffinierten Nuancen zu vernehmen, dazu standen damals zwei mit der Musik der Zemlinsky-Zeit erfahrene Sänger zur Verfügung. Sie teilen sich die sieben Gesänge, der Bariton beginnt mit dem ersten und endet mit dem letzten, dem Sopran sind die auf die geraden Zahlen zugeordneten zugedacht. Der Bariton Roland Hermann singt erfreulich textverständlich, was allerdings auch dem Komponisten selbst anzulasten ist, der die Stimmen nie zudeckt. Die Stimme ist fast die eines Bassbaritons, eine sehr erwachsen klingende Stimme, der man den Verzicht auf das Liebesglück am Schluss abnimmt. Der Sänger baut seine Beiträge klug auf, ein schönes Crescendo auf „in Fernen“ singend, Solist und Orchester scheinen sich gegenseitig anzufeuern. Für das dritte Lied hat die Stimme eine schöne Getragenheit bereit, kann aber auch emphatisch auf „in meinen unsterblichen Träumen wohnt“ auftrumpfen. Heldisch klingt das fünfte Lied, ein schöner Schwellton krönt im letzten „Vollendung“.
Der Sopran ist Karan Armstrong mit flirrend weicher Tongebung, die das Atmosphärische sehr schön trifft. Leider singt sie nicht sehr textverständlich, eher ist die schöne Stimme ein weiteres Instrument und hilfreich bei der Ausformung eines raffinierten Klangbildes. Im „Vollende denn das letzte Lied“, dem Atonalen am nächsten, kann sie noch einmal unter Beweis stellen, dass sie als Diva der Moderne angesehen wurde. Anschließend ist noch, aus dem Jahr 1993 stammend, die erweiterte Konzertfassung der Ouvertüre zu Franz Schrekers Oper Die Gezeichneten zu hören (Orfeo C210241). Ingrid Wanja