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Mit Ersteinspielungen, die von einem informationsreichen Booklet in Italienisch und Englisch begleitet werden, tut sich das Genueser Label Dynamic hervor, das sich nun zwei Komponisten aus der Zeit zwischen den Weltkriegen gewidmet hat, als in Rom ein besonders intensives Musikleben blühte. Es handelt sich um das Musikerehepaar Giovanni und Iditta Salviucci, wobei die Gattin nach italienischer Art ihren Mädchennamen Parpagliolo beibehielt. Sie stammt aus dem Umkreis von Ottorino Respighi, dessen Ehefrau Elsa ihre Lehrerin war und der sie die auf der CD veröffentlichten Tre canti d’amore widmete. Nach der Eheschließung mit Giovanni Salviucci bekam sie innerhalb von drei Jahren ebenso viele Kinder, denen sie sich dann neben einer Lehrtätigkeit ausschließlich widmete, auch weil ihr Gatte bereits im Alter von 30 Jahren verstarb. Das erklärt auch, dass die Lieder und die Kammersinfonie Giovannis für 17 Instrumente eigentlich Jugendwerke sind, die aber bereits eine frühe Meisterschaft verraten.
Es beginnt mit Idittas Lied Fides, das von den Träumen eines Kindes handelt, dem eine goldene Zypresse in einem Wald aus goldenen Bäumen vorgegaukelt wird, während in seinem eigenen Garten eine dunkel Zypresse bitterlich weint. Die vor allem als Spezialistin für Kammermusik und im Chor des Zürcher Opernhauses singende Sopranistin Selena Colombera, begleitet von Guido Salvetti, hat dafür eine quellfrische, kristallklar klingende Stimme, die sie künstlich naiv erscheinen, nur auf „piange alla bufera“ dumpf klingen lässt. Wie Edelsteine funkelt sie, wenn in Canzone popolare eben diese besungen werden, während leichte Schärfen in La buona parola, eine Verkündigung, in die agogikreiche Ansprache des Engels eingebaut werden. Die Regentröpfchen im Märzregen werden fein plätschernd charakterisiert, klingen frisch und silbrig, während sich in „Delusione d‘ infinita tristezza“ sich trüb vom Rest der Canzone abhebt. Einen schwebenden Klang , der in einen schmerzlichen Aufschrei auf „Egli è partito“ übergeht, verleiht die Sängerin La partenza. Ein naives Plappern kennzeichnet schließlich das letzte Lied der Komponistin und die Wiedergabe durch den Sopran.
Wie die seiner Frau sind auch die Tracks, die Giovanni Salviucci zugeschrieben werden, Ersteinspielungen, aber von ihm gibt es auch eine ganze Reihe bereits veröffentlichter Orchesterwerke, von denen allerdings das auf der vorliegenden CD eine Ausnahme bildet. Es handelt sich um eine Kammer-Sinfonie, in der jedes der 17 Instrumente nur einfach, also quasi als Solist, eingesetzt wird. Hier wie bei den Liedern wird deutlich, wie sehr Salviucci gleichzeitig der klassischen italienischen Polyphonie wie zeitgenössischen europäischen Tendenzen zugetan war. Das Orchestra della Svizzera Italiana unter Tito Ceccherini nimmt sich des Werks, das wie eine klassische viersätzige Sinfonie aufgebaut ist, an und lässt ein ausgesprochen frisches, eingängiges Musikstück vernehmen.
Davor singt Selena Colombera Lieder des Komponisten, so den Zyklus Quattro Liriche auf Texte von Floridi, beginnend mit Oh lagrima mit schillernden Soprantönen, einem schönen Jubelton auf „È primavera“, einem zärtlich verklingenden „ultimo fiore“ im gleichnamigen Lied. Ebenfalls vom noch nicht Zwanzigjährigen stammen die Tre liriche mit einem raffinierten chiaro-scuro in Domani vado via, einem „lontana“, in dem sich die Unendlichkeit aufzutun scheint (Tu sei lontana) und einem fein vom Klavier umspielten Ultima Rosa. Es lohnt sich, die beiden Komponisten zu entdecken (Dynamic CDS7966 mit interessanten Infos im Booklet). Ingrid Wanja