Tschaikowskys Sechste aus dem Jahr 1893 und die Sechste von Dmitri Schostakowitsch sind dem lettischen Dirigenten Mariss Jansons seit seiner Lehrzeit bei Jewgeni Mrawinski, der mehrere Sinfonien seines Freundes Schostakowitsch uraufführte, und 1939 eben auch die Sechste, bestens vertraut; Mrawinkis Tschaikowsky-Aufnahmen sind nicht minder legendär. Mariss Jansons präsentiert uns sozusagen einen Schostakowitsch aus erster Hand, malt mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks den Widerhall der Kriegsgräuel und die bittere Ironie der Musik mit gespenstischen Farben aus. Bald nachdem Jansons als Nachfolger Lorin Maazel in München angetreten war, hatte er mit seinem neuen Orchester Tschaikowskys Pathétique interpretiert.
Im Juni 2013 setzte er die rätselhafte „musikalische Lebensbeichte“ abermals auf das Programm, schöpfte die schwermütigen Farben aus, ohne sich bei aller virtuosen Orchestermacht dem Gefühlsüberschwang auszuliefern. Die beiden in München – im Herkulessaal und im Gasteig – aufgenommenen Sechsten sind ein Ergebnis von Jansons lebenslanger, doch stets penibel neu erarbeiteten Verbundenheit mit dieser Musik (BR Klassik 9001235).
Verdi und Strauss komponierten beide jeweils nur ein Streichquartett, eng verwandt durch die zeitliche Nähe und die Bewunderung für entsprechende Vorbilder bei Haydn und Beethoven. Bei Verdis e-Moll-Quartett von 1873 handelt es sich um ein Spätwerk zwischen Aida und Otello, bei Strauss um ein 1860 entstandenes Frühwerk des 16jährigen Gymnasiasten. Das in New York beheimatete Quartett, benannt nach dem Kreis-Symbol aus der japanschen Kalligraphie, hat die beiden Stücke, wobei der Strauss in seiner spätromantisch blühenden Anlage besser erfasst ist als der Verdi (das Amadeus-Quartett hatte das Werk einst sehr gut gespielt und reizvoll mit Tschaikowsky und Smetana), um Puccinis Crisantemi und drei gefällige Minuten-Minuette ergänzt (Naxos 8.573108).
Im wunderschönen Rudolfinum in Prag nahm die Amerikanerin Alisa Weilerstein im Juni 2013 Dvořáks zweites Cellokonzert auf, welches er während seines Amerika-Aufenthaltes Ende 1894 und Anfang 1895 geschrieben hatte (Decca 478 5705). Die 1982 geborene Alisa Weilerstein, die – hochprominent von Daniel Barenboim und der Staatskapelle Berlin begleitet – ihr Decca-Debüt mit dem eng mit Barenboims verstorbener Ehefrau Jacqueline du Pré assoziierten Cellokonzert Edgars sowie Carters Cellokonzerte gegeben hat (478 2735), ist in dem zentralen Werk ihres Repertoires eine technische brillante und selbstbewusste, dabei manchmal zu überbordend sentimentale Interpretin mit schwerem Ton. Virtuos lässt sie bei Dvořák ihr Cello zwischen schwerblütigem Heimweh und böhmisch musikantischer Leichtigkeit changieren, glänzend begleitet von Czech Philharmonic Orchestra unter Jiri Bělohlávek, der gekonnt gegen Weilersteins Gefühlsfluss steuert. Den zweiten Teil der CD bilden einige kleinere Kompositionen, darunter aus den Zigeunerliedern und Slawischen Tänzen, die Weilerstein zusammen mit der Pianistin Anna Polonsky in New York eingespielt hat.
R.F.