Feenzauber

 

Nicht weniger als 39 Opern hat Adolphe Adam (1803-1856) hinterlassen, von denen sich insbesondere Le Postillon de Lonjumeau (Der Postillon von Lonjumeau), La Poupée de Nuremberg (Die Nürnberger Puppe) und gerade auch Si j’étais roi (Wenn ich König wär‘) lange großer Beliebtheit erfreuten, mittlerweile indes das Schicksal allzu vieler Opéras-comiques teilen. Heutzutage hält sich Adam eher durch seine Ballette Giselle und (ab und an) Le Corsaire im Repertoire. Dass er daneben weitere Werke dieses Genres komponierte, ist selbst dem Kenner kaum geläufig. Mit La Filleule des fées (Das Patenkind der Feen) schuf der Komponist ein Ballet-féerie in drei Akten und sieben Bildern, welches am 8. Oktober 1849, also während der kurzlebigen Zweiten Französischen Republik (1848-1852), seine Uraufführung an der Pariser Oper erlebte. Naxos ließ das etwa zweistündige Werk bereits 1996 auf seinem Entdecker-Sublabel Marco Polo als Weltersteinspielung aufnehmen; die Doppel-CD erschien verspätet im Jahre 2002 (Marco Polo 8.223734-35). Knapp zwanzig Jahre später erfolgt die Neuauflage der inzwischen vergriffenen Aufnahme auf dem Hauptlabel (Naxos 8.574302-03).

Für die Einspielung, die also bereits ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat, zeichnet das australische Queensland Symphony Orchestra unter dem britischen Dirigenten Andrew Mogrelia verantwortlich. Die Klangqualität der zwischen 5. und 12. Februar 1996 im ABC Studio in Brisbane, Queensland, entstandenen Produktion ist exzellent und verrät ihr Alter nicht. Anders als in der Erstveröffentlichung, fällt das Beiheft diesmal abgespeckt aus. So wurde die deutsche Fassung des Einführungstextes von Keith Anderson ärgerlicherweise gestrichen.

Ein expliziter Grund, wieso La Filleule des fées bald schon in Vergessenheit geriet, lässt sich nicht mit Gewissheit ausmachen. Das Ballett entstand jedenfalls laut Booklet in Zusammenarbeit mit einem gewissen Alfred, Comte de Saint-Julien – ohne dass der Text weiter darauf einginge. Wie groß der Anteil des Grafen an der Komposition ist, lässt sich daher nur erahnen. Die Uraufführungsbesetzung war mit Carolotta Grisi in der Rolle der Ysaure und ihrem Liebhaber Jules Joseph Perrot als Alain (der zudem wiederum als Choreograph agierte) jedenfalls genauso illuster besetzt wie zuvor bei Giselle. Die Geschichte erinnert an Dornröschen: Zwei gute Feen fungieren als Taufpatinnen der besagten Ysaure, während eine dritte bei der Taufe abgewiesen wird, da sie die dreizehnte Person an der Tafel gewesen wäre. Darüber verflucht die böse Fee Ysaure, indem sie sie so schön werden lässt, dass jeder Mann, der sie erblickt, den Verstand verliert. Tatsächlich gibt es zwei Bewerber, den Prinzen Hugues de Provence und den Bauernjungen Alain. Letzterer wird vom Fluch erfasst und zum Instrument der bösen Fee, während ersterer durch zeitweilige Blindheit (mit Hilfe der guten Feen) den Fluch unterlaufen kann und es schließlich zum Happy End zwischen Ysaure und dem Prinzen kommt, wo auch Alain seinen Verstand zurückerlangt.

Musikalisch erreicht La Filleule des fées nicht ganz die Klasse von Giselle und Le Corsaire, doch ist die Darbietung ohne Fehl und Tadel. Anders als bei den besagten Balletten, handelt es sich hier um kein Ballet-pantomime, was die weniger ausgeprägte Dramatik und das freudige Ende erklärt. Schon aufgrund der Entstehungszeit steht La Filleue des fées als Bindeglied genau zwischen Giselle (1841) und Le Corsaire (1856), vereint hie und da Charakteristika von beiden und fügt dem altbekannten Bild vom Ballettkomponisten Adolphe Adam eine weitere wichtige Facette hinzu. Daniel Hauser