Bauchtanz á la russe

 

Wirft man einen Blick auf die russischen Komponisten, die sich an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert betätigten, so muss auch der Name Anton Arenski (1861-1906) fallen. Lange unter dem Vorwurf des Eklektizismus und besonders dem Verdikt Rimski-Korsakows leidend, er würde bald der Vergessenheit anheimgefallen sein, war Arenski langfristig am ehesten noch als „Meister der kleinen Form“ anerkannt. Dass Rimski-Korsakow sein Lehrer und eines seiner wesentlichen Vorbilder war, geht dabei beinahe unter. Tatsächlich begünstigte Arenskis Bevorzugung lyrischer Themen zuungunsten der Dramatik gewisse Vorwürfe auf den ersten Blick. Immerhin drei Opern und zwei Sinfonien entsprangen gleichwohl seiner Feder.

Mit den Ägyptischen Nächten von 1900 schuf Arenski ein einaktiges Ballett, das indes erst 1908, zwei Jahre nach seinem frühen Tode infolge von Tuberkulose und Trunksucht, erstaufgeführt wurde. Das exotische Werk beruht auf einer Vorlage von Puschkin und handelt von der Liebe des hübschen Jünglings Amoun für die ägyptische Königin Kleopatra, welcher er vollends verfällt und der er für einen einzigen Kuss sein Leben opfern will. Kleopatra lässt sich darauf ein und ordnet an, dass Amoun beim ersten Licht des darauffolgendes Tages durch Gift sterben müsse. Hier nun kommt Bérénice, die Verlobte Amouns, ins Spiel. Sie wirft sich theatralisch zu Füßen der Königin und fleht um das Leben ihres offenkundig liebestoll gewordenen präsumtiven Gemahls, doch dieser hat nur Augen für Kleopatra. So wird schließlich der Gifttrank herbeigebracht, den der Hohepriester – dem einiges an dem eigentlich bevorstehenden Eheglück der beiden liegt – indes gegen einen harmlosen, bloß betäubenden Trank ersetzt hat. So stirbt Amoun bloß vermeintlich in dem Augenblick, als sich aus der Ferne die Rückkehr des Marcus Antonius ankündigt. Kleopatra und Mark Anton segeln anschließend davon. Wenig später kommt Amoun wieder zu sich, erkennt spät seine Torheit und wirft sich vor Bérénice auf den Boden, welche ihm daraufhin verzeiht. Im selben Moment fällt der Vorhang. Ein höchst ungewöhnliches und unerwartetes Happy End also, welches freilich dem nicht sonderlich an Tragik interessierten Komponisten Arenski entgegengekommen sein dürfte.

Die nun von Naxos (8.573633) neu aufgelegte Einspielung (Mosfilm Studio, Moskau, März 1996) erschien bereits 1997 bei Marco Polo und entstand mit dem Moskauer Sinfonieorchester unter Dmitry Yablonsky. Sie bietet eine tadellose Möglichkeit, sich dem etwa 50-minütigen Werk, das unter anderem mit hübschen Violin- und Cello-Solos aufwarten kann, anzunähern. Zwar erreichen die Ägyptischen Nächte schwerlich die großen Ballette Tschaikowskis, stellen aber gleichwohl eine bereichernde Hörerfahrung in Sachen russischer Musik der Spätromantik dar. Das sehr gute Klangbild unterstreicht dies noch. Die Textbeilage ist labeltypisch spartanisch, aber ausreichend. Wer Appetit auf mehr bekommen hat, kann übrigens die 22 Minuten dauernde Suite zu diesem Ballett (gewissermaßen die Highlights desselben) in Betracht ziehen, die niemand Geringerer als Jewgeni Swetlanow 1987 mit dem Staatlichen Sinfonieorchester der UdSSR für Melodia eingespielt hat. Daniel Hauser