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Natürlich steht Joana Mallwitz beim CD-Debüt für die Deutsche Grammophon vor „ihrem“ Konzerthausorchester Berlin. Der Titel „The Kurt Weill Album“ (487 5670) steht für den Mut der Dirigentin bei der Programmauswahl, hat sie doch Weills nicht eben populäre Sinfonien Nr. 1 und 2 mit dem bekannten Ballett „Die sieben Todsünden“ kombiniert und damit nicht unbedingt einen Verkaufserfolg garantiert. Nach dem Hören der CD wird wohl mancher Musikfreund seine anfängliche Skepsis ablegen und das nächst gelegene Musikgeschäft aufsuchen, um die CD zu erwerben. Denn Mallwitz bringt den Tonfall der Musik zu optimaler Wirkung – ihre Aggressivität wie ihre Melancholie.
Die Symphonie No. 1, betitelt die „Berliner Symphonie“, ist ein Frühwerk von 1921, wurde erst 1958 uraufgeführt, was dafür spricht, dass man dem Werk damals jegliche Bedeutung absprach. Die viersätzige Komposition beginnt mit einem Grave. Breit und wuchtig. Mallwitz realisiert diese Vorgabe imponierend, ohne den lyrischen Inseln des Satzes weniger Aufmerksamkeit zu schenken. Auch den Charakter des 2. Satzes, Allegro vivace, Wild, heftig, trifft sie genau, suggeriert einen nervösen Großstadtlärm. Der 3. Satz, Andante religioso, kontrastiert als träumerisches Intermezzo, der 4., Larghetto. Ruhig, ohne Leidenschaft, beginnt mit einem pochenden Motiv, das sich zu einer hymnisch-breiten Klangfläche entwickelt Mit dem bestens aufgelegten Orchester gelingt der Dirigentin eine exemplarische Wiedergabe, die sich würdig einreiht in die wenigen existierenden Einspielungen (H. K. Gruber/Anthony Beaumont/Marin Alsop/Roland Bader).
Die Symphony No. 2 entstand 1934, ist dreisätzig und trägt die Bezeichnung „Fantaisie Symphonique“. Sie klingt viel Weill-typischer als die 1. und weist Gemeinsamkeiten mit den Sieben Todsünden auf. Motorische Hektik vernimmt man im 1. Satz, Sostenuto – Allegro molto, gewichtige ernste Klänge im folgenden Largo und am Ende im Allegro vivace eine ausgelassene Tanzszene. In Bruno Walter, der die Uraufführung in Amsterdam leitete, fand das Werk einen starken Fürsprecher. Joana Mallwitz folgt dem großen Vorgänger mit totalem Einsatz.
Zwischen den beiden sinfonischen Werken ist das Ballett platziert, welches 1933 in Paris zur Premiere kam. Hier dominiert Katharine Mehrling als Anna I und II, sekundiert von den Tenören Michael Porter und Simone Bode sowie dem Bariton Michael Nagl und dem Bassbariton Oliver Zwarg in den Partien der Familie. In Sachen Brecht/Weill ist Mehrling eine erprobte Sängerin. Man hört bei ihr nicht den pathosreichen Diven-Ton einer Milva oder den gemeißelten Sound von Gisela May, freilich auch nicht deren geschärfte Diktion. Ihre Interpretation klingt weicher, dadurch weniger eindringlich und packend – mehr in der Nähe des französischen Chansons. Daneben gibt es auch plärrende oder an stimmliche Grenzen stoßende Momente (wie am Schluss der dritten Sünde: „Zorn“, der fünften: „Unzucht“ und siebten: „Neid“). Dennoch gelingen Mehrling bemerkenswerte Details in Tonfall und Färbung, vor allem in den kurzen Einwürfen von Anna II. Und mit dem Epilog, „Darauf kehrten wir zurück nach Louisiana“, knüpft sie an den von ihr den atmosphärisch geformten Prolog, „Meiner Schwester und ich stammen aus Louisiana“, an. Bernd Hoppe