Wie erstmals gehört

 

In prominenter Besetzung bringt APARTÉ Mozarts Azione sacra Betulia Liberata neu heraus, aufgenommen live im Juni/Juli 2019 in Boulogne-Billancourt (AP235, 2 CDs). Mozarts Werk auf ein Libretto von Pietro Metastasio, welches sich auf das Buch Judit aus dem Alten Testament stützt, ist sein einziges vollendetes Oratorium und das frühe Zeugnis eines Genies – der Komponist zählte erst 15 Jahre, als er das Werk 1771 für Padua schrieb.

Der hohe Stellenwert der Einspielung ergibt sich aus der Mitwirkung des renommierten Barock-Ensembles Les Talens Lyriques unter seinem Leiter Christophe Rousset. Mehrfach glaubt man, das Werk völlig neu zu hören: Die rhythmische Intensität, die Lebendigkeit und die Spannung dieser Interpretation sind überwältigend.

Im illustren Cast finden sich Sandrine Piau als Israelin Amital und Teresa  Iervolino, erpobt in Salzburg und Pesaro, als israelische Witwe Giuditta. Die Sopranistin wartet mit energischem Aplomb auf, die Stimme ist nachgedunkelt und nun reifer im Klang. Das schließt gelegentlich auch spitze oder grelle Töne ein, die jedoch stets dem Ausdruck verpflichtet sind. Und mit ihrem letzten Solo, „Con troppo rea viltà“, erinnert sie mit dem gefühlvollen Vortrag an ihre großen Zeiten. Die italienische Mezzosopranistin erfreut mit weichem, warmem Timbre und kultiviertem Vortrag. In „Paro inerme“ am Ende der Parte Prima weiß sie zudem mit der souveränen Ausführung der Verzierungen und dem beherzten Ansatz zu überzeugen. In der mit noblem Melos ausgestatteten Arie „Prigionier, che fa ritorna“ in der Parte Seconda teilt sich der edle Charakter der Stimme besonders eindrücklich mit.

Hierzulande noch wenig bekannt ist der argentinische Tenor Pablo Bemsch als Ozia, Prinz von Betulia, der mit einer substanzreichen, heldisch orientierten Stimme in Idomeneo-Nähe überrascht und sogleich in einer Auftrittsarie „D’Ogni colpa“ starke Akzente setzt. In seiner getragenen Aria con coro „Pietà, se irato sei“ wird er vom Ensemble accentus (Leitung: Christophe Grapperon) zuverlässig unterstützt. Dieses weiß auch im dramatisch aufgewühlten Chor am Ende des ersten Teils „Oh prodigio!“ mit spannungsreichem Gesang zu beeindrucken.

In einer Doppelrolle als die beiden Volksführer Carmi und Cabri ist die amerikanische Sopranistin Amanda Forsythe zu hören, die in „Ma qual virtù“ mit lyrischen Tönen von reicher Empfindung überzeugt, aber in „Quei moti che senti“ auch mit exaltierter Attacke aufwartet. Die Besetzung komplettiert der argentinische Bass Nahuel Di Pierro als Prinz Achior, der in seiner Auftrittsarie „ Terribile d’aspetto“ grimmig auftrumpft. In der kontemplativen Arie „Te solo adoro“ im zweiten Teil hat er Gelegenheit für besinnliche Stimmungen.

Die letzte Nummer, „Lodi al Gran Dio“, gehört Giuditta und dem Chor, die in einer Lobpreisung Gottes das Werk zu feierlichem Abschluss führen. Damit rundet sich der überwältigende Eindruck, welcher sich beim Hören der Aufnahme einstellt. Dies ist eine Platte für den weihnachtlichen Gabentisch. Bernd Hoppe