Visuelle An- und Abreize

 

Vor ca. dreißig Jahren war das Schleswig-Holstein Musikfestival im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu guten Sendezeiten vertreten. Ein Festival im Sommer, für das man neben Konzertmitschnitten auch schöne Landschaftsaufnahmen und Berichte vom Sommer am Meer produzierte, die den Reiz und die Attraktivität von Kultur und Kulturlandschaft kombinieren sollten. Wer mit solchen Erwartungen zu der bei Dynamic erschienenen DVD mit dem Mitschnitt des Eröffnungskonzerts des Veneto Festival 2014 greift, wird wahrscheinlich enttäuscht. Kulturlandschaften gibt es überhaupt nicht, die knapp 69-minütige Aufnahme zeigt lediglich wenige Ausschnitte der Chiesa degli Eremitani in Padua. Die  Fresken von Andrea Mantegna haben den Lauf der Zeit nicht unbeschadet überstanden und sind nur teilweise restauriert, aber das war es auch schon, hier gilt’s trotz DVD nur der Musik. Doch auch für einen  Konzertmitschnitt  wirkt die Bildregie bestenfalls routiniert, man schaut und hört zu und irgendwie schaut man bald nicht mehr so oft hin und schweift ab. Musikalisch wartet die DVD immerhin mit der Ersteinspielung einer Messe von Baldassare Galuppi auf. Galuppi (1706-1785) ist überwiegend als Opernkomponist überliefert, in der Spätphase seines Schaffens war er in Venedig als Kirchenmusiker tätig und komponierte 27 Messen, dazu Glorias, Kyrien, Magnificate sowie Psalmen und Motteten.

Die Missa per il riscatto degli schiavi von 1765 hat einen ungewöhnlichen Anlass, die Fürbitte für venezianische Bürger, die von Piraten entführt wurden und denen ein Schicksal als Sklaven im Orient drohte. Die Wohlhabenden konnten mittels Lösegeldzahlungen befreit werden, für ihre glückliche Heimkehr wird hier musiziert. Eine lediglich dreiteilige Messe – Kyrie, Credo und Gloria, ohne Sanctus, Benedictus und Agnus dei. Der Zweck der Messe wird ansonsten ganz formal im üblichen Rahmen ausgedrückt, musikalisch ist die Messe nur von formalem Reiz. Da die DVD kein besonders aussagekräftiges Beiheft hat, bleibt der Betrachter über die weitere Einordnung des Werks im Unklaren. Bei Mozarts Krönungsmesse KV317 weiß man dann, woran man ist und wird auch nicht richtig glücklich. Mit I Solisti Veneti unter seinem Gründer Claudio Scimone hat man ein Ensemble und ein Dirigenten von Rang, doch die Vorzüge des Orchesters werden akustisch nicht hervorgehoben. Es mag eventuell am technischen Equipment des Verfassers dieser Zeilen liegen, dass der besondere Klang der Solisti Veneti nicht zur Geltung kommt und er lieber auf CDs zurückgreifen würde. Die Solisten Roberta Canzian, Laura Polverelli, Aldo Caputo, Marco Bussi sowie der Lege Artis Chor aus dem russischen Sankt Petersburg bieten eine ordentliche Leistung. In der Summe bleibt der Verdacht, dass diese Aufnahme nur als Erinnerung für Publikum und Teilnehmer taugt. (1 DVD, Dynamic, 37740)

Das britische Ensemble The Sixteen unter seinem Gründer und Leiter Harry Christophers hat sich in seiner Diskographie bereits ausführlich Claudio Monteverdis Werk gewidmet. Unter anderem liegt die Messa in illo tempore (1610) vor, ebenso auf drei CDs die Selva morale e spirituale von 1641 und die posthume Messa a quattro voci et salmi. Monteverdis Marienvesper Vespro della Beata Vergine von 1610 wurde von The Sixteen 2014 eingespielt und aufgrund der tadellosen Stimmleistungen für einen Grammy in der Kategorie „Best Choral Performance“ nominiert, es gelingt dem britischen Ensemble, die Vesper schlank und transparent, aber manchen vielleicht etwas zu protestantisch-nüchtern zu interpretieren. Die Konkurrenz ist allerdings groß, Gardiner (die DG-Aufnahme wurde dieses Jahr bei Archiv mit umfangreichem Booklet neu aufgelegt), Harnoncourt, Savall und Alessandrini – die beste Interpretation kann man ausführlich abwägen. Bei der BBC erschien eine Sonderedition Monteverdi in Mantua – The Genius of the Vespers. Diese enthält die beiden CDs der Marienvesper und zusätzlich eine DVD mit einer Dokumentation der BBC über Monteverdi, die nur in englischer Sprache vorliegt. Moderiert von Simon Russel Beale sieht man eine informative und gut gemachte ca. einstündige Sendung mit schönen Aufnahmen aus Mantua, The Sixteen singen Beispiele aus Montverdis Werk. Als Kennenlern-Set für kulturbeflissene Monteverdi- und Italien-Fans kann diese Zusammenstellung reizvoll sein und stellt einen schönen Beitrag zum Monteverdi-Jahr dar (2CD + 1DVD, CORO, COR16237) Marcus Budwitius