Vergessenes vom Dresdner Hof

 

Der italienische Komponist Giovanni Alberto Ristori (1692 – 1753) gehörte  zum Umkreis von Hasse, Heinichen, Pisendel und Quantz am Dresdner Hof von August II. und seinem Sohn August III. Allerdings stand er im Schatten dieser Komponisten, trotz seiner vielen Funktionen als Mitglied der Dresdner Hofkapelle, Organist in der Katholischen Hofkirche, Cembalist in der Semperoper und Komponist von Opern, Serenaden, Kantaten und Kirchenmusik. Er war zudem Musiklehrer der königlichen Familie und unterrichtete die älteste der sächsischen Prinzessinnen, Maria Amalia. 1738 wurde ihre Hochzeit mit dem König von Neapel gefeiert und Ristori mit ihr nach Italien entsandt. Für den neapolitanischen Hof komponierte er Temistocle und Ariano in Siria. Nach dem Aufenthalt in Neapel, der seinen Kompositionsstil beeinflusste, wirkte er ab 1740 wieder in Dresden und wurde dort nach Zelenkas Tod zum Kirchenkomponisten ernannt.

Auf einer neuen CD von Audax stellt die argentinische Sopranistin María Savastano drei Kantaten des Komponisten vor (ADX 13711), deren früheste, Didone abbandonata, 1748 für eine Aufführung in Schloss Pillnitz geschaffen wurde. Ein Jahr zuvor hatte Maria Amalias Bruder, Kronprinz Friedrich Christian, die bayerische Prinzessin Maria Antonia geheiratet, die eine ausgebildete Sängerin und begabte Dichterin war. Die Texte zu den drei Kantaten stammen von ihr und Ristori, der inzwischen in das Taschenbergpalais eingezogen war, um einen ständigen Zugang für den Unterricht mit der Kronprinzessin zu haben, vertonte sie in schneller Folge.

Die berühmte und unzählige Male in Musik gesetzte Geschichte der von Aeneas verlassenen Dido beginnt bei Ristori mit einer Marcia, gefolgt von Didones erster Szene mit Rezitativ und schmerzlicher Arie. Die Stimme der Argentinierin besitzt eine schöne Fülle, ist kultiviert und farbig. Der letzte Teil der Komposition ist erfüllt von Didones Racheschwüren, dem Heraufbeschwören von Himmel, Hölle und Meer. Hier vermag die Solistin mit vehementem Einsatz ihres Soprans, der gleichwohl stets maßvoll gezügelt ist und der Virtuosität nichts schuldig bleibt, starke Akzente zu setzen.

Lavinia a Turno, welche das Programm der CD eröffnet, wurde gleichfalls 1748 erstmals aufgeführt, wiederum mit Maria Antonia als Solistin. Sie hatte diese Episode über die Tochter des Königs Lavinus, die mit Aeneas vermählt werden soll, jedoch Turnus versprochen war, ebenfalls aus Vergils Epos ausgewählt. Die Interpretin findet hier den gebührend klagenden Tonfall und weiß Ristoris ausgedehnte Accompagnato-Rezitative mit Leben zu erfüllen sowie die extremen Wechsel in der Dynamik plastisch auszureizen.

Die abschließende Kantate Nice a Tirsi ist eine arkadische Pastorale, welche Nicis Gefühle während der Abwesenheit ihres geliebten Schäfers Tirsi beschreibt. Auch dies geschieht in der bekannten Abfolge Rezitativ – Arie und mit den entsprechenden Stimmungswechseln. „Non v’è duolo uguale al mio“ ist eine reizvolle Arie mit melancholisch wiegendem Rhythmus, „È d’Amore dolce l’impero“ eine freudige Äußerung, die zum imaginären Liebesduett wird, weil die Oboe den abwesenden Geliebten ersetzt. Den heiteren Charakter dieser Musik verdeutlicht María Savastano mit munterem Duktus und eloquentem  Vortrag.

Vom Ensemble Diderot auf historischen Instrumenten unter Leitung von Johannes Pramsohler wird die Solistin sehr aufmerksam und feinsinnig begleitet. Das Kammerorchester ergänzt das Programm der Platte noch mit Ristoris Konzert für Oboe und Streicher Es-Dur – auch dies eine Weltersteinspielung wie zuvor die beiden Kantaten Didone und Nice. Ristori schrieb es für den Virtuosen Antonio Besozzi, der 1739 in die Dresdner Hofkapelle verpflichtet worden war. Hier ist eine brillante Technik gefordert, über welche der baskische Musiker Jon Olaberria in hohem Maße verfügt. Bernd Hoppe