Mit Einschränkungen

 

Das Oratorium Svatá Ludmila (Die heilige Ludmilla) gehört gewiss nicht zu den bekanntesten Werken von Antonín Dvorák. Gleichwohl ist es nach dem Requiem und dem Stabat Mater wohl des Komponisten wichtigstes geistliches Werk. Geschrieben wurde es 1886 für das Leeds-Festival in England. Thematisch geht es um Ludmilla, eine historische Gestalt aus dem späten 9. und frühen 10. Jahrhundert, die eine bedeutende Rolle bei der Christianisierung Böhmens spielte, als Märtyrerin endete und später zur Schutzheiligen des Landes werden sollte. Naxos bringt nun eine Neuaufnahme der Slowakischen Philharmonie unter Leos Svárovský (Naxos 8.57023-24).

Das Oratorium untergliedert sich in drei Teile: Der erste Teil spielt am Hofe des Schlosses Melnik, wo einer Statue der heidnischen Gottheit Bába gehuldigt wird. Ludmila wird schließlich vom Eremiten Ivan vom einzig wahren Gott, demjenigen des Christentums, überzeugt. Dieser zerstört das Götzenbild, worauf ihn der Pöbel lynchen will, doch nimmt in Ludmila in Schutz Im zweiten Teil ist die Handlung zur Einsiedelei Ivans in die Wälder nahe Beroun verlegt, wo sich Ludmila aufhält. Eine Jagdpartie des Herzogs Borivoj erscheint und der Herzog beschließt, Ludmila zu heiraten. Im dritten Teil schließlich werden Borivoj und Ludmila getauft und feierlich vermählt. Es erklingt ein altslawisches Kirchenlied aus dem 11. Jahrhundert. Das Werk wird in einer prachtvollen Fuge in C-Dur beschlossen. Dies sind die wohl nachhaltig eindrucksvollsten Momente.

Englische Vorbilder sind schon hinsichtlich der Uraufführung gewiss kein Zufall, steht das Werk doch gleichsam in der chorlastigen Tradition Georg Friedrich Händels. Bei der Premiere bestand der Chor aus nicht weniger als 250 Sängern, ergänzt um ein Orchester von 120 Musikern und vier Solisten. Der monumentale Aufwand zeigte seinerzeit durchaus Wirkung. Gleichwohl führten die Länge (etwa anderthalb Stunden) und das spezielle Sujet dazu, dass es sich nicht dauerhaft etablieren konnte. Eine von Dvorák selbst besorgte gekürzte Bühnenfassung von 1901 konnte daran letztlich nicht viel ändern, auch wenn es im Laufe des 20. Jahrhunderts immer wieder zu vereinzelten Aufführungen des Oratoriums kam, so durch Rafael Kubelík 1948, Karel Sejna 1954, Václav Neumann 1987 und Jiri Belohlávek 2004 und 2007.

Die Neueinspielung muss sich daher in erster Linie mit den wenigen vorliegenden Aufnahmen messen, neben Belohlávek (ArcoDiva) und Gerd Albrecht (Orfeo) insbesondere dem 1963er Klassiker unter Václav Smetácek (Supraphon). Von Vorteil ist die idiomatische vokale Besetzung, die nur aus slowakischen und tschechischen Kräften besteht. In der Titelrolle die eher dunkel timbrierte Sopranistin Adriana Kohútková, daneben der lyrische Tenor Tomás Cerný als Borivoj und der mit beeindruckendem Organ ausgestattete Bassist Peter Mikulás als Ivan. Hinzu kommen die Altistin Karla Bytnarová als Svatava und der Tenor Ondrej Saling als Bauer. Es gibt keine Ausfälle, doch im direkten Vergleich insbesondere mit der Smetácek-Einspielung zieht die von Svárovský doch den Kürzeren. Der Slowakische Philharmonische Chor unter Leitung von Petr Fiala trägt den gewichtigen Chorpart, der einen erheblichen Teil des Oratoriums ausmacht, sowohl in den ruhevollen als auch in den dramatischen Passagen. Allerdings verschluckt der nicht ideale Klang so manches. Die Slowakische Philharmonie unter Svárovský erfüllt ihre Aufgabe zweckdienlich, auch wenn die ganz große Überzeugungskraft etwas auf der Strecke bleibt. Belohlávek, Albrecht und insbesondere Smetácek holen einfach mehr heraus. Grundsätzlich ist Svárovský in Sachen Dvorák durchaus bewandert, legte er 1996 doch eine von der Kritik mit Lob bedachte Einspielung des Stabat Mater bei Supraphon vor.

Die am 29. und 30. April 2015 im Konzertsaal der Slowakischen Philharmonie in Bratislava entstandene Aufnahme hat einen etwas dumpfen und verwaschenen Klang, der klarer und detailreicher sein könnte und an den lautesten Stellen an seine Grenzen kommt. So etwas sollte im 21. Jahrhundert nicht mehr vorkommen. Das Beiheft fällt eher bescheiden aus, enthält allerdings zumindest den Librettotext, wenn auch nur auf Tschechisch und in englischer Übersetzung von John Clapham. Insgesamt eine künstlerisch gute und klanglich durchschnittliche Neuproduktion, in summa allerdings nicht herausragend und keine neuen Maßstäbe setzend. Daniel Hauser