Mit einer Verspätung von acht Jahren erschien eine zwischen 7. und 9. Juni 2009 aufgezeichnete Produktion des Opernhauses Chemnitz bei cpo (777 500-2): Hans Pfitzners selten gespielte Oper in zwei Akten Die Rose vom Liebesgarten. Tatsächlich gehört dieses 1901 in Elberfeld uraufgeführte Werk zu einer der fünf Opern des nicht unumstrittenen Komponisten, von denen sich einzig Palestrina einigermaßen im Standardrepertoire halten konnte. Bereits die Entstehungszeit (komponiert zwischen 1897 und 1900) ortet sie im Fin de siècle ein.
So kurios (um nicht zu sagen abstrus) die Handlung aus heutiger Sicht auch anmuten mag – für das Libretto war James Grun verantwortlich –, sind die wagnerischen Einflüsse doch offenkundig. Thematisiert wird gleichsam der Widerstreit zwischen Himmel und Hölle, der beiden Hauptprotagonisten das Leben kostet, aber doch endlich zu einer wundersamen Auferstehung durch die im Titel genannte Rose führt. Trotz der unübersehbaren Vorbildwirkung des Bayreuther Großmeisters findet Pfitzner doch zu einem eigenen Stil, verschließt sich zeitgenössischen modernen Strömungen mitnichten und straft seine Kritiker, die ihn später einen Erzreaktionären heißen sollten, Lügen. Gar ein gewisser französisch-impressionistischer Einfluss ist zu verspüren – im Zeitalter des Wilhelminismus, in welchem Frankreich als Erbfeind schlechthin galt, nicht unbedingt selbstverständlich. Freilich, bereits 1904 bezeichnete der französische Komponist Gustave Charpentier das Sujet des Werkes allerdings trotzdem als zu keusch, um wahrhaft dem seinerzeit aufblühenden naturalistisch-veristischen Operngenre in Frankreich und Italien zugerechnet zu werden.
Für die Diskographie ist diese Einspielung von kaum überschätzbarem Wert, handelt es sich doch tatsächlich um die erste Komplettaufnahme in Stereo. Dass cpo der Studioproduktion den Vorzug vor dem Chemnitzer Premierenmitschnitt von 2008 gab, darf als vorteilhaft gelten. Die gesanglichen Leistungen sind insgesamt absolut adäquat, wobei der Tenor Erin Caves als Siegnot besonders herausragt. Als sein weibliches Gegenstück agiert die Sopranistin Astrid Weber als Minneleide. Der Bassist Kouta Räsänen gibt als Nacht-Wunderer den Bösewicht. Die restliche Besetzung präsentiert das gute Niveau des Ensembles des Theaters Chemnitz. Tadellos der von Mary Adelyn Kauffman einstudierte Chor und Kinderchor der Oper Chemnitz. Der damalige Generalmusikdirektor Frank Beermann, der sich als Dirigent bereits längst einen Namen gemacht hat, spornt die Robert-Schumann-Philharmonie an und liefert ein Plädoyer für diese Oper. Somit wird auch Max Regers („ganz großes, herrliches Werk“) und Gustav Mahlers („Seit der Walküre, erster Akt, ist etwas ähnlich Großartiges nicht geschrieben worden!“) Respekt vor demselben nachvollziehbar.
Warum aber konnte sich Die Rose vom Liebesgarten nicht dauerhaft im Repertoire halten? Da mag vor allem die doch etwas krude Handlung benannt werden. Auch Pfitzner selbst war sich der Schwächen des Librettos durchaus bewusst, wie der seinerzeitige Karlsruher (und spätere Münchner) GMD Joseph Keilberth 1937 festhielt: „Namentlich im II. Akt (Nachwunderer-Szene) macht er [Anm.: Pfitzner] sehr ausgedehnte Striche, die ich von seiner Hand noch besitze.“ Selbst der enthusiastische Mahler nahm Kürzungen im Orchestervorspiel vor. Und doch dienten diese changierenden Klangfarben später Komponisten wie Anton von Webern, Alban Berg und Arnold Schönberg als Vorbild. Man könnte also fast meinen: Die Fachwelt war sich stets des Wertes dieser Pfitzner-Oper bewusst, einzig das Publikum erkennt diesen (letztlich bis heute) mitnichten. Die insgesamt sehr gelungene cpo-Produktion trägt ihren Teil dazu bei, hier ein Umdenken anzuregen. Daniel Hauser