Mozarts Requiem auf zwei CDs: da staunt der flüchtige Betrachter, erfährt aber Aufklärung durch den Untertitel Mit Werkeinführung. Diese erweist sich als eine gründliche, kenntnisreiche und mehr als nachschöpferische Auseinandersetzung mit dem unvollendet gebliebenen Werk, mit dem sich der Dirigent des Chors des Bayerischen Rundfunks, Howard Arman, intensiv befasst hat. In einer Art Hörspiel, in dem Mozart, seine Frau und seine Schwägerin kurze Auftritte haben, wird auf die Situation Mozarts zur Zeit der Entstehung des Fragments eingegangen, Musikbeispiele werden eingeblendet, offensichtlich nicht identisch mit der Aufnahme auf CD 1, denn Mezzosopran und Bass sind davon abweichende Sänger.
Es geht um die Frage, was von Mozart und was von seinem Schüler, dem Komponisten Süßmayr, stammt, dazu ist auf der CD noch ein Libera me von Sigismund von Neukomm, zu hören. Der Hörer und Leser wird darüber informiert, dass bis zu den ersten Takten des Lacrymosa die Musik von Mozart stammt, dass einschließlich des Hostias Entwürfe von des Komponisten Hand vorliegen und alles danach von Süßmayr stammt. Die Arbeit von Arman setzte im zweiten Teil ein, wo er nach gründlichem Studium der Partitur die Arbeit Süßmayrs an diesem Teil des Requiems durch seine eigene ersetzte, berücksichtigend, welche Funktion die Tonart d-moll hat, welche Orchesterinstrumente Mozart bevorzugte oder wie wahrscheinlich die Planung einer Fuge, von der es immerhin eine Skizze gibt, war. Erwähnt wird auch die Unterbrechung der Arbeit Süßmayrs am Requiem, weil die Witwe Mozarts vorübergehend die Vervollständigung der Partitur einem anderen Schüler Mozarts übergeben hatte. Und natürlich fehlen auch nicht Informationen über den geheimnisvollen Auftraggeber für das Requiem.
Das alles und mehr ist auf der zweiten CD zu finden, doch man fragt sich, ob es nicht sinnvoller ist, sie vor dem Requiem auf CD 1 zu hören, das man dann bewusster wahrnimmt. Es beginnt allerdings mit Vesperae Solennes de Confessore C-Dur, und bereits hier kann man bewundern, wie wundervoll instrumental die Chorstimmen klingen, wie mühe- und bruchlos das An- und Abschwellen des Klangs gelingt, wie natürlich für den Orchesterpart die Akademie für alte Musik Berlin der ideale Partner ist. Hier und wie im darauf folgenden Requiem klingt der Sopran von Christina Landshamer mädchenhaft, kann aber auch jubeln, ist der Mezzosopran von Sophie Harmsen von schönem Ebenmaß, zeichnet sich der Tenor von Julian Prégardien durch eine vorzügliche Artikulation, durch eindringliche Schlankheit aus und erfüllt der Bass von Tareq Nazmi zufriedenstellend, wenn auch nicht ganz frei klingend und für das Tuba mirum nicht gewaltig genug, seine Aufgaben. Die wahren Stars aber sind Chor und Orchester, die Howard Arman zu Höchstleistungen anzuspornen weiß, so dass der Hörer zunehmend erschüttert und sich erläutert glaubend zurückbleibt (BR Klassik 900926). Ingrid Wanja