Abgebissen

 

Mit einer veritablen Rarität wartet das Label passacaille auf und veröffentlicht auf zwei CDs das  Oratorio a 4 voci Adamo ed Eva von Josef Myslivecek (1053). Der böhmische Komponist, der auch in Italien studierte und dort Il Boemo genannt wurde, schrieb eine Vielzahl von Opern, Oratorien und Kantaten. Adamo ed Eva ist sein drittes von insgesamt acht Oratorien, komponiert für Florenz und dort 1771 uraufgeführt. Das Libretto wurde von dem Genueser Jesuiten Giovanni Granelli verfasst und erstmals 1747 von Baldassare Galuppi vertont. Darin finden sich der Engel der Gerechtigkeit (Angelo di Giustizia), der den Menschen aus dem Paradies vertreibt, und der Engel der Barmherzigkeit (Angelo di Misericordia), der den Gläubigen nach dem Tod das ewige Leben schenkt. Ersteren singt die renommierte Barockspezialistin Roberta Mameli, die beispielsweise an der Berliner Staatsoper als Monteverdis Poppea und bei den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci gefeiert wurde, mit leuchtendem, persönlichkeitsstarkem Sopran, kann sogleich in ihrer ersten Arie, „Quell’affanno“, auftrumpfend brillieren. In ihrem zweiten Solo, „Colla mano omnipossente“, und dem letzten Auftritt, „Toglierò le spnde al Mare“, vermag sie diesen Eindruck mit bravourösen Koloraturrouladen sogar noch zu steigern. Die andere Rolle nimmt die Sopranistin Alice Rossi wahr, klingt leichter, aber gleichfalls gelenkig und absolviert ihre erste Arie „Chi sa“ mit beherztem Zugriff. „Cara speranza“ im zweiten Teil wird getragen von lieblichen Ornamenten und souverän geboten. Bei „Renderò le sponde al Mare“ am Ende wird sie noch einmal zu virtuoser Höchstleistung gefordert. Die beiden Angeli finden sich klangvoll und bravourös vereint im Duett „Non è crudel rigore“.

Die Titelrollen sind mit dem Tenor Valerio Contaldo und der Mezzosopranistin Luciana Mancini besetzt. Adamo fällt die erste Arie des Oratoriums zu, „Sente quest’alma oppressa“, die der italienische Sänger entschlossen angeht, die Koloraturen zupackend formuliert und insgesamt mit männlicher Verve überzeugt. Eva folgt mit der lieblich wiegenden Arie „Non ti chieggo amor“, von der Sängerin mit leicht herbem Timbre sehr kultiviert geboten. Danach vereinen sich die Titelhelden im aufgewühlten Duett „Ah, formidabil suono“. Die beiden Stimmen mischen sich harmonisch und  haben mit den Koloraturläufen keine Mühe. Bei Adamos zweiter Arie, „Nó, che vano“, fällt die stilistische Nähe zum Titelhelden von Mozarts Tito auf, die der Interpret souverän wahrnimmt. Sein letztes Solo, „Amare lagrime“, ist in seinem schmerzlichen Melos besonders anrührend. Evas zweite Arie, „Non so se il mio peccato“, ist ein schwermütiges Stück, während „Se al Ciel miro!“ von Hoffnung getragen wird. Alle Solisten vereinen sich zum Schluss im Chor „Se la serena fronte“.

Das auf historische Aufführungspraxis spezialisierte Barock-Ensemble Il Giardellino leitet Peter Van Heyghen, der sich speziell der Musik zwischen 1500 und 1800 widmet. In der dreisätzigen Ouvertur gelingt ihm ein bemerkenswerter Einstieg, weiß er doch zwischen dem stürmischen Allegro con brio, dem bedächtigen Andante und dem energisch drängenden  Presto spannungsvoll zu variieren. Auch später hört man immer wieder Momente von feinfühliger Begleitung und inspiriertem Musizieren. Bernd Hoppe