I Vow to Thee, My Country

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In unseren Breiten ist Gustav Holst (1874-1934), geboren als Gustavus Theodore von Holst, hauptsächlich aufgrund seines genialen Orchesterwerkes The Planets bekannt. Die Bandbreite des britischen Komponisten ist freilich ungleich größer, umfasst nicht weniger als 240 Werke, darunter die Opern At the Boar’s Head und Savitri. Das Label Somm bringt nun erstmals sämtliche geistliche Musik Holsts auf einer Disc heraus (SOMMCD 279). Es handelt sich um Chormusik, die überwiegend von Orgel begleitet wird, in einigen wenigen Fällen auch a capella erklingt. Insgesamt sind es 19 Nummern, die sich auf der mit 76 Minuten prall gefüllten CD befinden. Es zeichnen verantwortlich der Chapel Choir of the Royal Hospital Chelsea unter William Vann sowie Joshua Ryan (Orgel) und Richard Horne (Glocken).

Mit dem lateinischen Nunc Dimittis für Doppelchor a capella (1915) komponierte Holst sein einziges Werk für das anglikanische Abendgebet. Die auch unter der Bezeichnung Chilswell bekannte Melodie von Gird on Thy Sword (1927) ist die letzte Passage des Gedichts Man Born to Toil von Robert Bridges.

Für seine Two Psalms (1920) bediente sich der Komponist des Psalms 86 To My Humble Supplication sowie des Psalms 148 Lord, Who Hast Made Us For Thine Own. Ersterer basiert auf einer Melodie aus dem Genfer Psalter (1543) von Louis Bourgeois, letzterer auf Lasst uns erfreuen aus den Kölner Geistlichen Kirchengesängen (1623).

Die Grundlage für In This World, the Isle of Dreams bzw. Brookend (1925) liefert Robert Herrick, ein Dichter aus dem 17. Jahrhundert. Not Unto Us, O Lord (1890er) wiederum bedient sich des Psalms 115. Zu Holsts Lebzeiten vermutlich nicht aufgeführt, erfolgte die Premiere erst im Jahre 2020; Somm bringt somit die Weltersteinspielung.

Our Blest Redeemer – wiederum a capella – komponierte Holst im Jahre 1919 und nannte die Melodie Essex. Die Worte stammen von Henriette (Harriet) Auber, tatsächlich einer entfernten Verwandten des berühmten französischen Komponisten Daniel-François-Esprit Auber. Das sogenannte Short Festival Te Deum (1920) kommt hingegen trotz seiner Kürze (keine fünf Minuten) festlich daher. Ursprünglich für Orchester geschrieben, entschied sich die Holst Society im Zuge dieser Produktion gleichwohl für ein Arrangement für Orgel, welches Iain Farrington tadellos besorgte.

Mit gerade anderthalb Minuten fällt From Glory to Glory Advancing (1925) am kürzesten von allen auf der Platte versammelten Chorstücken aus. Auf der Liturgy of St James basierend, taufte Holst das Werk Sheen.

Sowohl in Man Born to Toil als auch Eternal Father (beide 1927) – in letzterem inklusive Sopransolo – kommen neben der Orgel auch Glocken zum Einsatz und sorgen für eine feierliche und dabei gleichwohl nicht überbordende Prachtentfaltung. Der abschließende Alleluia-Fernchor in Eternal Father gemahnt an Holsts Neptune the Mystic aus den Planets.

By Weary Stages the Old World Ages alias Hill Crest (1927) erinnert an ein mittelalterliches Mysterienspiel. Der Text stammt aus The Coming of Christ von John Masefield. Eine Mischung aus gregorianischem Gesang und Anklängen an Volksmusik mit mixolydischem Choral machen das Stück besonders reizvoll. Christ Hath a Garden (1927/28) zu Worten von Isaac Watts kommt ähnlich daher.

Die puristische Hymne Ave Maria (1900) ist das letzte der A-capella-Stücke und das einzige für reinen Frauenchor. Das Werk ist dem Andenken der Mutter des Komponisten zugeeignet.

I Vow to Thee, My Country (1921) stellt ohne Frage das bekannteste Chorwerk von Gustav Holst dar und ist fester Bestandteil bei vielen Begräbnissen in Großbritannien, so auch bei Diana, der ehemaligen Princess of Wales, und zuletzt bei Queen Elizabeth II. Der Text stammt von Sir Cecil Spring-Rice, dem britischen Botschafter in Washington während des Ersten Weltkrieges, und datiert aus dessen Todesjahr 1918. Holst verwendete die großartige Hauptmelodie seines Jupiter und nannte sie Thaxted nach seinem damaligen Wohnort. Die säkularen Aspekte des Stückes mitsamt seiner patriotischen Implikationen – gewiss mit ein Grund für die Popularität – verdecken ein wenig die ursprüngliche Intention als Glaubensbekenntnis.

Die Four Festival Choruses (1916/17) beschließen die CD sehr adäquat. Die eingängige Melodie von A Festival Chime (wiederum arrangiert von Farrington) nach einem Text von Clifford Bax (dem Bruder des Komponisten Sir Arnold Bax) wird unterstrichen durch den abermaligen majestätischen Glockeneinsatz. In All People that on Earth do Dwell – dem längsten der vier Chöre – bedient sich neuerlich des Genfer Psalters und transkribiert gar Bachs Kantate BWV 130 Herr Gott, dich loeben wir. Mit Let All Mortal Flesh Keep Silence (arr. Farrington) kehrt die Liturgy of St James wieder. Turn Back, O Man schließlich, komponiert für das Pfingstfest 1916 und abermals von Farrington bearbeitet, greift einmal mehr auf Clifford Bax zurück. Es handelt sich dabei um den beliebtesten der Four Festival Choruses und wurde als Klavierarrangement auch während des BBC-Gedenkkonzerts anlässlich des Todes des Komponisten 1934 gespielt.

Die künstlerische Darbietung lässt keine Wünsche offen. Die Einspielungen entstanden am 21. und 22. Juli 2021 in der Holy Trinity Church, Sloane Square, in London und genügen klanglich ebenfalls höchsten Ansprüchen. Die Bookletgestaltung ist labeltypisch vorbildlich, wenngleich der informative Begleittext von Andrew Neill nur auf Englisch vorliegt. Die Gesangstexte sind sämtlich inkludiert. Daniel Hauser