Eine opulent ausgestatte Aufnahme von Händels Brockes-Passion mit der Academy of Ancient Music legt das Eigenlabel des Orchesters auf drei CDs vor (AAM007). Der attraktive Pappschuber enthält das Album mit den CDs und der Trackliste sowie einen Band mit Einführungstexten, einer Tabelle mit Aufführungsdaten, historischen und Interpretenfotos sowie dem kompletten Libretto. Eine weitere Besonderheit der Ausgabe findet sich auf der dritten CD, welche in zwei Anhängen Alternativversionen von einzelnen Nummern sowie die erste Aufnahme von Charles Jennens’ englischen Übersetzungen enthält.
Dirigent der Einspielung ist Richard Egarr, seit 2006 Musikdirektor des Orchesters, dem eine lebendige und intensive musikalische Deutung gelingt. Sogleich die Symphonia wird bestimmt von starken Kontrasten, und dieser Vorzug findet sich in der gesamten Einspielung bis zur letzten Nummer. Immer wieder lassen die gezielt gesetzten Affekte aufhorchen, so dass sich nie der Eindruck von Einförmigkeit einstellt. Der Choir of the Academy of Ancient Music legt schon im Eingangschor, „Mich vom Strikke meiner Sünden“, Zeugnis ab von seiner hohen Klangkultur und differenzierten Tongebung. Mit dem Choral „Ich bin ein Glied an deinem Leib“ beendet er das Werk mit dem Ausdruck von Trost und Zuversicht.
Unter den Solisten ist der Countertenor Tim Mead als Judas der bekannteste Sänger. Seine erste Arie, „Lasst diese Tat“, führt das Orchester mit erregten Figuren ein und der Sänger nimmt diese Vorgabe auf. Auch die Sopranistin Elizabeth Watts als Tochter Zions ist eine renommierte Barock-Interpretin. Sie hat im ersten Teil nicht weniger als sieben Arien zu absolvieren und entledigt sich dieser Aufgabe in souveräner Manier. Die Stimme klingt klar und rein, überzeugt mit empfindsamer Gestaltung. In „Was Bärentatzen, Löwenklauen“ kann sie mit dramatisch erregtem Ausdruck aufwarten. Mit „Die ihr Gottes Gnad’ versäumt“ beendet sie den ersten Teil des Werkes dagegen introvertiert. Im zweiten Teil hat sie sogar acht Arien zu singen, wovon „Die Rosen krönen“, „Laß doch diese herbe Schmerzen“ und „Jesu, dich mit unsern Seelen“ durch besonderen Wohllaut und Innigkeit herausragen. In „Schäumest du“ überzieht sie dagegen den dramatischen Ausdruck mit dem Ergebnis eines keifenden Tonfalls. Die folgende Arie „Heil der Welt“ überzeugt dann wieder energischem Koloraturfluss. Ihr fällt auch das letzte Solo der Passion zu, „Wisch ab der Tränen“, welches sie mit tiefem Ernst vorträgt.
Schließlich ist der Tenor Nicky Spence als eine der vier Gläubigen Seelen in unseren Breiten ein Begriff. Seine erste Arie „Erwäg, ergrimmte Natternbrut“ imponiert durch souveränen Fluss der Koloraturen und expressiven Vortrag. Diese Meriten kann er in „Brich, brüllender Abgrund“ bestätigen. Eine weitere Gläubige Seele ist der Sopranistin Ruby Hughes anvertraut, die die schönste Stimme der Besetzung hören lässt. Sie ist von weicher Textur, leuchtet und jubelt. Betörend singt sie die wiegende Arie „Was Wunder, dass der Sonnen Pracht“.
Die tragende Rolle des Evangelisten hat der Tenor Robert Murray übernommen. Er gibt den vielen Rezitativen zwingenden Ausdruck und überzeugt auch mit guter Artikulation. Diesbezüglich ist ihm der Bassist Morgan Pearse als Pilatus, Gläubige Seele und Hauptmann ebenbürtig. Der amerikanische Bassbariton Cody Quattlebaum gibt dem Jesus starkes Profil. Sogleich in seiner ersten Arie, „Mein Vater, mein Vater!“, weiß er mit seiner weichen, resonanten Stimme für sich einzunehmen und berührt besonders im schmerzlichen Solo „Ist’s möglich“. Die Mezzosopranistin Rachael Lloyd komplettiert das Quartett der Gläubigen Seelen und überzeugt darüber hinaus mit würdevoller Schlichtheit als Maria. Der Tenor Gwilym Bowen kann sich als Petrus mit einer furiosen Arie, „Gift und Glut“, einführen, welche das Orchester mit erregten Figuren einleitet. Das folgende Solo, „Nehmt mich mit“, ist dagegen von kontemplativem Charakter, „Ich will versinken und vergehn“ dann wieder von leidenschaftlichem und „Heul, du Schaum“ von verzweifeltem Ausdruck. Diesen unterschiedlichen Facetten wird der Sänger bemerkenswert gerecht.
Insgesamt ist von einer ausgewogenen, hochrangigen Besetzung ohne Schwachpunkt zu sprechen, welche die Einspielung zu einer bedeutenden macht, die sich auf dem Musikmarkt behaupten wird. Bernd Hoppe