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Diejenigen Zeitgenossen, welche die Krönung der britischen Königin Elizabeth II. im Jahre 1953 wirklich bewusst miterlebt haben, sind mittlerweile um die achtzig oder älter, liegt dieses Ereignis doch bereits sage und schreibe 70 Jahre zurück. Großbritannien und die Queen, das sollte über sieben Jahrzehnte unzertrennbar miteinander verbunden bleiben, so dass es schwerfällt, sich nunmehr wiederum an einen King zu gewöhnen. Tatsächlich wurde England freilich die meiste Zeit von Königen regiert, wenngleich es eben drei Frauen waren, denen eine besonders lange Regierungszeit vergönnt war, nämlich den beiden Elizabeths (1558-1603 und 1952-2022) und Victoria (1837-1901).
Es nimmt nicht wunder, dass das Label Coro die Krönung Charles‘ III. am 6. Mai 2023 zum Anlass nimmt, nun eine aktualisierte Neuauflage spezifischer Krönungsmusik aufzulegen (COR16196). Es zeichnet verantwortlich das Chor- und Orchester-Ensemble The Sixteen unter Harry Christophers, das sich schon seit Jahrzehnten der sogenannten historisch informierten Aufführungspraxis verpflichtet fühlt. Tatsächlich handelt es sich abgesehen von einem der 20 enthaltenen Stücke um Wiederverwertungen aus nicht weniger als zehn älteren Veröffentlichungen der Sixteen, die zwischen 1990 und 2021 erschienen sind. Die einzige wirklich Neueinspielung stellt O Lord, Make Thy Servant Elizabeth von Cecilia McDowall dar, welche von der Genesis Foundation in Auftrag gegeben wurde und sowohl eine Hommage an die verstorbene Queen als auch an das gleichnamige Stück von William Byrd (dort freilich auf Elizabeth I. bezogen) darstellt (Aufnahme: Jänner 2023). Die Auswahl der 70-minütigen CD ist insgesamt gut geglückt und gibt einen repräsentativen Überblick über 500 Jahre englischer bzw. britischer Krönungsmusik, angefangen bei Thomas Tallis (Sing and Glorify) über Orlando Gibbons (Great King of Gods), Henry Purcell (O Sing unto the Lord; Music, the Food of Love) und den unvermeidlichen Georg Friedrich Händel (Zadok the Priest; The King Shall Rejoice) bis hin zu Michael Tippett (Dance, Clarion Air) und Benjamin Britten (Tänze aus Gloriana; Jubilate Deo). Ergänzt wird dies um This Day Day Dawes von einem anonymen Verfasser. Alle Werke tragen dem feierlichen Charakter Rechnung; Atonalität ist insofern auch bei den neuesten Kompositionen nicht zu befürchten. Die Ausführung gerät erwartungsgemäß auf sehr hohem künstlerischen Niveau und zeugt von der anhaltenden Professionalität des HIP-Ensembles. Auch klanglich gibt es nichts auszusetzen. Die reichhaltige (wenn auch nur englischsprachige) Textbeilage unterstreicht den positiven Gesamteindruck. Insofern kann man dem Ausruf des Dirigenten Harry Christophers im Vorwort nur nachdrücklich unterstreichen: Long live the King! Daniel Hauser