Geburtstagsgeschenke

 

Was schenkt man einem 80-jährigen Jubilar zum runden Geburtstag? Ein Requiem dürfte das unpassendste Geschenk sein, ist das Memento Mori dem Gefeierten doch bereits auf den Fersen und lässt das Geschenk wie einen Wink mit dem Zaunpfahl wirken. So sind die beiden Aufnahmen von Verdis Messa da Requiem, die zum 80.Geburtstag von Julia Varady und Riccardo Muti erschienen sind, eher als Geschenke an ihr jeweiliges Publikum als an die Künstler selbst zu werten und als solche willkommen.

Beide Aufnahmen entstanden kurz nacheinander, die mit der Varady im Jahr 1980 durch den Österreichischen Rundfunk in der Stiftskirche Herzogenburg, die des italienischen Dirigenten ein Jahr später im Herkulessaal der Münchner Residenz, was einen nicht unbedeutenden Vorteil in Bezug auf die Akustik bedeutete. Für Julia Varady war die von 1980 ihre erste Teilnahme an einem Verdi-Requiem, für Riccardo Muti eine inmitten vieler mit wechselnden Orchestern und Solisten, wobei bemerkenswert ist, dass er die Blechbläsergruppe des Orchesters des Bayerischen Rundfunks und den Chor zu späteren Aufführungen in Italien einlud, wo er offensichtlich Gleichwertiges nicht vorgefunden hatte. Leistung von Chor und Orchester sind denn auch auf der Aufnahme so makellos, alle Facetten des Werks zum Klingen bringend, dass man sie für eine durchaus allein seligmachende halten kann. Crescendi und Decrescendi werden vollkommen bruchlos bewältigt, Kontraste scharf herausgearbeitet, allein das Amen eine Glanzleistung. Die Aufnahme ist luxuriös, ohne dass akustisches Schwelgen zum Selbstzweck wird.

Das Solistenquartett aus München ist pure (damalige) Starbesetzung. Wer könnte ein reicheres Timbre mitbringen als Jessye Norman,strahlend in den großen, weit ausschwingenden Bögen, auch im Piano farbenreich und von betörender Klarheit im Libera me, in den Ensembleszenen siegreich über allem schwebend. Wer hatte damals eine schönere Tenorstimme als Jose Carreras, dunkel glühend, geschmeidig im Ingemisco, siegreich im „statuens in parte destra“ und ganz fein im Hostias? Auch am zart schwebenden Agnus Dei hat der Tenor seinen rühmlichen Anteil. Dass das Muti-Requiem sich auch zu den opernhaften Zügen des Stücks bekennt, hat er wie der Dirigent zu verantworten. Einen recht hellen Mezzo brachte Agnes Baltsa nicht recht kontrastierend zur Sopranstimme in die Aufnahme mit, so zum Beispiel im Recordare, und auch das Lacrymosa beginnt ungewöhnlich licht, anders als im leuchtenden Lux aeterna. Die schöne Beschwörung des „dona eis requiem“ lässt tolerieren, dass der Bass von Jewgenij Nesterenko auch dröge und dumpf klingen kann.

Leif Segerstam, damals Generalmusikdirektor des ORF Vienna Radio Symphony Orchestra nimmt die Tempi stellenweise recht behäbig, Der ORF Chor wirkt relativ unausgeglichen, was die einzelnen Stimmgruppen betrifft. Ein großes Plus der Aufnahme ist die bulgarische Mezzosopranistin Alexandrina Milchewa mit leuchtender  Stimme in allen Lagen und auch in mezza voce und Piano, so dass das Recordare zu einem wundervollen Wechselspiel der beiden Frauenstimmen wird. Das Material von Nicola Ghiuselev besticht durch nachtdunkle Schwärze, leider nimmt sich der Bassist nicht zurück, wenn es angebracht wäre wie im Lacrymosa, anders im feinen „salva me“. Krähend hell wirft sich Alberto Cupido in seine Aufgabe, ein guter, sehr anständiger, aber kein Ausnahmesänger mit junger, angenehmer Stimme, die sich im Hostias erst allmählich befreien kann. Mit unglaublicher Intensität, die immer ihr Markenzeichen war, wirft sich Julia Varady in ihre Aufgabe, mit leuchtender Höhe, perfektem Legato, makellos schön über allem schwebend, so im Domine Jesu Christe. Ihr Libera me führt den Hörer über den reinen Kunstgenuss hinaus in überirdische Gefilde (Muti: RMM/ BR 900199; Varady: Orfeo 210232). Ingrid Wanja