Reife Braut

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Anny Schlemm ist mit der Oper Die verkaufte Braut von Smetana mehrfach dokumentiert. Beim WDR gab sie der Marie in einer Fernsehproduktion ihre Stimme, die am 25. Dezember 1958 erstmals in der ARD ausgestrahlt und zeitgleich auch vom österreichischen Fernsehen übernommen wurde. Als Darstellerin erschien die Österreicherin Herta-Maria Perschy auf dem Bildschirm. Auch die übrigen Figuren wurden von Schauspielern gedoubelt. Der Soundtrack gelangte später separat ins Hörfunkprogramm und hat sich in Sammlerkreisen erhalten. Die musikalische Leitung lag in den Händen des ungarischen Dirigenten László Somogyi, der nach dem Volksaufstand in Ungarn 1956 in den Westen emigrierte und vornehmlich in den USA tätig war. Bereits 1954 wirkte die Schlemm in einem von Fritz Lehmann dirigierten Querschnitt durch die Oper für die Deutsche Grammophon an der Seite von Walther Ludwig als Hans und Josef Greindl als Kezal mit. 1962 ging sie in Dresden für das DDR-Label Eterna ins Studio, um die Marie in einer Gesamtaufnahme in deutscher Sprache zu singen.

Brilliant Classics hat diese Verkaufte Braut jetzt in eine Collection von Werken Bedrich Smetanas übernommen (96909). Die Auswahl will mit bekannten Stücken punkten. Neben der Oper gibt es die Orchesterwerke, dargeboten vom Janacek Philharmonic Orchestra unter der Leitung des ukrainisch-amerikanischen Dirigenten Theodore Kuchar. Im Zentrum, wie könnte es anders sein, der Zyklus Mein Vaterland, den Kuchar mit schwermütigen Harfenschlägen wirkungsvoll eröffnet. Beschworen wird der sagenumwobene Vysehrad. Es hat den Anschein, als ob jene frühmittelalterlichen Burgwälle auf einem Hügel am Moldauufer in Prag nicht aus gewaltigen Gesteinsbrocken sondern aus Musik aufgetürmt wurden. In der Aufnahme von 2007 wird große Pracht entfaltet. Zu hören ist auch die Triumph-Sinfonie. Zitate der österreichischen Kaiserhymne im festlichen Finale erinnern daran, dass der dreißigjährige Smetana dieses Werk der Kaiserin Sisi widmete. Die Übermittlung einer Kopie an den Wiener Hof blieb allerdings ohne Antwort. Antonin Kubalek und Roberto Plana spielen Klaviermusik, das Stamitz-Quartett und das Joachim Trio Kammermusik.

Die Verkaufte Braut kam in der DDR noch in einer Schallplattenbox heraus. Auch ein Querschnitt war davon verfügbar. Obwohl in die Jahre gekommen, hielt sie sich bis ins CD-Zeitalter und ist ebenfalls bei Berlin Classics zu haben. Nachdem der Dirigent und Musikforscher Nikolaus Harnoncourt herausgefunden hatte, dass sogar in der originalen Partitur ein deutscher Text eingetragen ist, scheint sich bei dieser Oper das sonst übliche Verlangen nach der Originalsprache in Grenzen zu halten. Deren andauernde Beliebtheit beruht schließlich auch auf bestimmten Textstellen in betulichem Deutsch: „Seht am Strauch die Knospen springen“, „Mit der Mutter sank zu Grabe mein ganzes junges Glück“ oder „Komm, mein Söhnchen, auf ein Wort„. Sie finden sich so auch in der DDR-Produktion.

Theodore Kuchar dirigiert Smetana bei Brilliant/ Wikipedia

Anny Schlemm, obwohl bei der Aufnahme erst wenig über dreißig, wirkt für die Marie etwas zu reif. Obwohl die Tochter des Bauern Kruschina (Günther Leib) und seiner Frau Kathinka (Annelies Burmeister) entschlossen für ihre Liebe zu Hans (Rolf Apreck) zu kämpfen weiß, bleibt sie in ihrem Innersten zart und verletzlich. Dem Timbre der Schlemm fehlen dafür Farbe und Sinnlichkeit. Sie klingt mir etwas zu resch. Theo Adam, der auf der Schwelle zur internationalen Karriere stand, hatte in der DDR bei Plattenproduktionen offenbar den ersten Zugriff auf Rollen, die er gern einmal gestalten wollte. Der mit allen Wassern gewaschene Heiratsvermittler Kezal ist ihm aber nicht auf den Leib geschrieben. Es gebricht ihm an Volumen. Die Höhe klingt angestrengt, die Flucht in den Sprechgesang wird ihm in solchen Situationen erhalten bleiben. Seine typische goldene Stimmfarbe nützt ihm als Heiratsvermittler wenig. Dieser Mann ist nicht so vornehm, wie er bei Adam klingt. Und doch ist der Kezal ein bemerkenswertes Ereignis in seiner umfänglichen Diskographie. Auf der Besetzungsliste steht auch Harald Neukirch. Er gestaltet den Wenzel, der Schwierigkeiten mit der Sprache hat, sehr anrührend. Im Zusammenspiel entfaltet die Produktion letztlich sehr viel Charme, so dass sich gewisse Einschränkungen relativieren. Daran haben der Dirigent Otmar Suitner, die Staatskapelle Dresden und der Chor der Semperoper ganz erheblichen Anteil. Rüdiger Winter