Das Wunderkind

 

Erich Wolfgang Korngold ist bei Capriccio gut aufgehoben. Unter diesem Label sind bereits seine Lieder herausgegeben worden. Jetzt gelangte eine Sammlung von Werken auf den Markt, welche die Vielseitigkeit dieses Komponisten und seinen frühen Ruhm nachvollziehen (4 CDs C7350 mit unterschiedlichen  Aufnahmedaten). 1897 in Brünn geboren, wurde er in Wien als Wunderkind auf Händen getragen. Bereits mit dreizehn Jahren fand er mit dem Ballett Der Schneemann Ballett Aufmerksamkeit. Ursprünglich ein Klavierstück, wurde es von Alexander von Zemlinksky orchestriert und später von Korngold selbst nochmals bearbeitet. Die Aufführung fand an der Wiener Hofoper statt. Prominente Dirigenten, darunter Bruno Walter, Wilhelm Furtwängler und Arthur Nikisch nahmen sich der ersten Kompositionen an. Seine Opern Der Ring des Polykrates und Violanta (beide 1916), Die tote Stadt (1920) und Das Wunder der Heliane (1927) füllten nach ihren Uraufführungen die Opernhäuser. Korngold wurde zu einem der meistgespielten Komponisten. 1934 ging er nach Hollywood, wo er seine bereits zuvor begonnene Zusammenarbeit mit dem Regisseur Max Reinhard fortsetze. In den USA waren beide Künstler mit jüdischer Abstammung vor Verfolgung durch die Nationalsozialisten sicher. Korngold widmete sich vornehmlich der Filmmusik. Nach Kriegsende kehrte er mit Orchestermusik zu seinen kompositorischen Wurzeln zurück, fand aber kaum mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung. 1957 ist er in Los Angeles gestorben.

Obwohl 1946 entstanden, markiert das kompakte und nur gut zwölf Minuten dauernde Konzert für Violoncello und Orchester keinen Wendepunkt im Schaffen Korngolds. Es klingt noch durch und durch nach Hollywood, wurde es doch für den Film Deception geschaffen, der von der tragischen Beziehung zwischen einer von Bette Davis gespielten Pianisten und einem Cellisten (Paul Henreid) handelt. Für die Aufnahme wurde der amerikanische Cellist Zill Bailey verpflichtet. Begleitet wird er vom Bruckner Orchester Linz unter der Leitung von Caspar Richter, der aus Lübeck stammt und seit zehn Jahren Generalmusikdirektor der Nationaloper in der Geburtsstadt von Korngold ist. Orchester und Dirigent bestreiten das gesamte Programm. Als einziges Spätwerk sind Thema und Variationen von 1953 in die Edition eingegangen. Es handelt sich um ein Auftragswerk eines Studentenorchesters in den USA. Folglich ist es relativ einfach und gefällig gebaut und bleibt stilistisch ebenfalls stark der Filmmusik verhaftet. Die sich unmittelbar anschließende Tondichtung Tomorrow für Mezzosopran, Frauenchor und Orchester hebt zwar gewaltig an wie eine Tondichtung von Respighi, gerät aber rasch wieder in das typische Fahrwasser eines großen Hollywood-Finales. Dieses Opus wurde zum zentralen Thema des melodramatischen Streifens The Constant Nymph mit Charles Boyer und Joan Fontaine. Gigi Mitchell-Velasco ist mit dem Solo ist besetzt und singt auch den Zyklus Einfache Lieder. Sie entstanden zwischen 1911 und 1916 und damit noch vor den erfolgreichen Opern. Entfernte Verwandtschaft mit Strauss und Mahler ist herauszuhören. Deren Kunstfertigkeit und Tiefe wird nicht erreicht. Das trifft auch auf die Abschiedslieder vom Sterben, Sehnen und aufgehendem Mond zu, bei denen die Sängerin mit der passgerechten flutenden Stimme Eindruck macht. Damit klingt das Programm der Edition aus, die von der aufmunternden Symphonischen Ouvertüre Sursum corda programmatisch eröffnet wird. Ein Werk, in dem der Dreiundzwanzigjährige über mehr als achtzehn Minuten lang kühn sein Haupt reckt. In seine Kindertage reichen die Märchenbilder von 1910 zurück, in denen sich das große Talent offenbart. Die verzauberte Prinzessin, Rübezahl, Wichtelmännlein und das tapfere Schneiderlein werden musikalisch farbenprächtig und durchaus hintergründig in Szene gesetzt. Sie kommen sowohl thematisch als auch in der Verarbeitung ausgefeilter als manches späte Werk daher. Ihre Wirkung dürfte auch darauf beruhen, dass sie der Dirigent Richter, der selbst Komposition studiert hat, sehr ernst nimmt. So, als würde er selbst darüber staunen, was diese junge Kollege hervorgebracht hat. Es versteht sich, dass auch der bereits erwähnte Schneemann (daraus Vorspiel, Serenade und Walzer) nicht fehlen darf. Mit der Schauspielmusik Viel Lärm um nichts hatte noch weit vor der Emigration die Zusammenarbeit mit Reinhardt begonnen. In Der Sturm, einer Komposition des Sechzehnjährigen, wirkt neben dem Orchester die Konzertvereinigung Linzer Theaterchor mit.

Mehr oder weniger nur gestreift werden die Opern. Die tote Stadt findet mit dem Vorspiel zum zweiten Akt mit der Sopranistin Karen Robertson Berücksichtigung, Das Wunder der Heliane mit vier Nummern, nämlich den Einleitungen zum ersten und zweiten Akt, der Arie „Ich ging zu ihm“ und einem Zwischenspiel. Solistin ist diesmal Wendy Nielsen (Sopran), die auch die Arie „Kann’s heut‘ nicht lassen“ aus Der Ring des Polykrates und das Gebet „Mein Mann hat mich vermieden“ aus Die Kathrin singt. Rüdiger Winter

 

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