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Man muss sich schon für tanzende Cowboys und Country und Hornpipe Tänze begeistern können und Gefallen an drollig naiven Liebeständeleien haben, um sich für Oklahoma! zu begeistern. Das Musical, das in den USA so etwas wie nationales Erbe darstellt, ist hierzulande eine ausgesprochene Rarität. Das deutsche Publikum lernte die Farmhaus-Geschichte erst 1973 in Münster kennen. Dreißig Jahr zuvor hatte die erste Zusammenarbeit von Richard Rodgers und Oscar Greeley Clendenning Hammerstein II. mit 2200 Aufführungen einen der größten Musicalerfolge am Broadway installiert.
Im Juli 2022 begaben sich in London zahlreiche Musical-Spezialisten ins Sainsbury Theatre der Royal Academy of Music, um die erste komplette Aufnahme des Musicals zu realisieren, „where every note is played and where they are played as originally writen“. Den philologischen Ernst können wir bewundern, aber ebenso wenig einschätzen wie den korrekten Oklahoma-Akzent (2 CD Chandos CHSA 5322/2). Doch es ist schön, eines der zentralen „goldene age musicals“ aus der großen Zeit des amerikanischen Musicals in einer herausragenden Wiedergabe zu erleben, die beim mehrmaligen Hören die Brillanz, Leichtigkeit und Klarheit der originalen Orchestration von Robert Russell Bennett unterstreicht und von John Wilson und der Sinfonia of London punktgenau ausgespielt wird. Großartig sind die Chor- und Ensembleszenen mit den zahlreichen prägnanten Soloeinwürfe zu Beginn des zweiten Aktes. Der Chor des Oklahoma! Ensembles scheint handverlesen. Wilson, der von einer „informed historical performance“ spricht, benutzt die gleiche Besetzung wie 1943, darunter sechs erste und vier zweite Violinen, je zwei Bratschen, Celli und Bässe sowie umfangreiche Holzbläser, Schlagzeug und Gitarre.
Es singen erfahrene Kräfte, keine Opernstars, wie beispielsweise einst auf den John McGlinn-Aufnahmen von Jerome Kerns Show Boat und Cole Porters Kiss me Kate bei EMI. Kern wurde ursprünglich auch ins Auge gefasst, als Hammerstein aus dem nicht sonderlich erfolgreichen Broadway-Stück Green Grow the Lilacs von Lynn Riggs ein Musical machen sollte. Lynn Riggs, dem der Staat Oklahoma bei seinem Tod 1954 ein Ehrenbegräbnis ausrichtete, siedelte sein Stück im Jahr 1900 auf dem Indianergebiet seiner Kindheit wenige Jahre vor der Gründung des Staates Oklahoma an und zeigt eine Dreiecksgeschichte zwischen dem Cowboy Curley, der Farmertochter Laurey und dem Farmgehilfen Jud. Nathaniel Hackmann und Sierra Boggess geben ein reizendes Farmer-Paar ab, mehr Farbe und Charakter besitzt der wandelbare Bariton Rodney Earl Clarke als Jud. Auch die weiteren Rollen sind typgerecht besetzt: Jamie Parker als Will, Louise Ado als Annie und Nadim Naaman als Aki, die in einer Nebenhandlung den Hauptstrang spiegeln, sowie Sandra Marvin als Tante Eller. Das Musical erhält einen tragischen Anstrich, als bei der Eheschließung von Curly und Laurey, deren Hochzeit nie in Frage stand, sich Jud der Braut nähert und sich in einem Zweikampf mit Curly tödlich verwundet. In der adhoc anberaumten Verhandlung wird Curly freigesprochen. Das Brautpaar kann in die Flitterwochen reisen. Alle singen den Oklahoma-Hymnus „Oklahoma, where the wind comes sweepin‘ down the plain“, und schließlich zu allerletzt „Oh, what a beautiful mornin! Oh, what a beautiful day!“ Ungewöhnlicher als der Mord in einem Musical war die 15minütige Traumszene der Laurey am Ende des ersten Aktes, auch wenn sie nicht ohne Vorbild ist, und die von Agnes de Mill choreographierten Tanzszenen im zweiten Akt, die allesamt in die Handlung integriert sind und bis heute als stilprägend gelten; wie Rodgers, Hammerstein und Riggs firmiert de Mille, die sich durch die Choreographie zu Coplands Rodeo empfohlen hatte, auch auf der CD noch unter den Autoren. Rolf Fath