Komm, spiel mit mir …

 

Der Walzerkönig Johann Strauss Sohn gehört zweifellos zu den berühmtesten Komponisten überhaupt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er von Anhängern der „seriösen“ klassischen Musik bisweilen herablassend betrachtet wird. Dass es selbst in Sachen Strauss Sohn noch echte Entdeckungen zu machen gibt, beweist abermals das umtriebige Label Naxos mit der Weltersteinspielung der vergessenen Operette Blindekuh von 1878 (Naxos 8.660434-35).

Verantwortlich zeichnet der schon hinlänglich gerühmte britisch-italienische Dirigent Dario Salvi, der für das nämliche Label u. a. die erstklassige interpretierte Reihe der Einspielung sämtlicher Ouvertüren von Auber verwaltet. International ist die restliche Besetzung, vom Philharmonischen Chor und Orchester Sofia zu den Solistinnen und Solisten aus Deutschland, Großbritannien, Italien und den Vereinigten Staaten.

Obwohl bei der Premiere am Theater an der Wien durchaus ein Publikumserfolg für Strauss, konnte sich diese dreiaktige Operette in Wien doch gleichwohl mit nur 16 Vorstellungen nicht im Repertoire halten. Im Folgejahr 1879 folgte eine Wiederaufnahme in Budapest und Jahrzehnte später, 1935, eine Rundfunkübertragung durch Radio Wien, bevor das Werk endgültig in der Versenkung verschwand. Tatsächlich ist das Libretto von Rudolf Kneisel die Schwachstelle, wobei dies bekanntlich für zahllose Operetten gilt. Die Handlung ist konfus und verwirrend und braucht hier im Detail nicht ausgeführt zu werden. Dass Blindekuh die unbekannteste von allen Strauss-Operetten ist, liegt auf der Hand, doch beweist diese Einspielung von Jänner 2019 aus dem Bulgaria-Saal in Sofia, wie ungerecht dieses Schattendasein doch war.

 Die künstlerische Qualität steht jedenfalls im Großen und Ganzen außer Zweifel, auch wenn nicht alle Gesangsleistungen höchsten Ansprüchen genügen. Insgesamt neun Sängerrollen sind inkludiert, welche sich auf vier weibliche (dreimal Sopran mit Kristen C. Kunkle, Martina Bortolotti und Andrea Chudak, einmal Mezzo mit Emily K. Byrne) und fünf männliche (nicht weniger als vier Tenöre mit Roman Pichler, James Bowers, Daniel Schliewa und Julian Rohde und ein Bassbariton mit Robert Davidson) aufteilen. Es handelt sich um eine typische Operette in Strauss’scher Manier, auch wenn nicht ernsthaft die Gefahr besteht, dass Der Zigeunerbaron oder gar Die Fledermaus vom Thron gestoßen werden könnte. Neben der fast zehnminütigen Ouvertüre gibt es für sich einnehmende Walzer, Polkas und Märsche. Im ersten Aufzug findet man neben reizvollen Couplets ein hinreißendes Duettino und lebhaftes Quartett. Im zweiten Akt sticht  gegen Ende ein Terzett heraus. Die beiden ersten Akte dauern  jeweils 40 Minuten, während der kurze dritte Aufzug keine Viertelstunde veranschlagt und der Operette mit seinem feurigen Finale, in welchem alle neun Solist/innen und der Chor gemeinsam auftreten, einen würdigen Abschluss verleiht. Daniel Hauser

Insgesamt eine wichtige Vervollständigung der Johann-Strauss-Sohn-Diskographie, die bis auf Weiteres auch außer Konkurrenz läuft. Das Booklet fällt Naxos-typisch knapp, aber noch angemessen aus (nur auf Englisch). Daniel Hauser