Eigentlich sind alle Ingredienzien für einen faszinierenden Operettenabend auf der DVD mit Lehárs Dauerbrenner Die lustige Witwe (hier The Merry Widow) vom Januar 2015 aus der MET vorhanden: eine aufwändige, abwechslungsreiche Bühne, kostbare Kostüme, die sogar innerhalb eines Akts gewechselt werden, ein großartiges Orchester, dazu eine mit der leichten Muse vertraute Regisseurin und ebensolche Sänger, als Star in der Titelpartie einer der berühmtesten amerikanischen Opernstars, nämlich Renée Fleming. Gerade aber sie ist einer der wahrscheinlichen Gründe dafür, dass die weltbekannten Melodien nicht so recht zünden wollen, sich gepflegte Langeweile einstellt anstelle des angestrebten Mitgerissenseins.
In Italien gab es vor Jahren ein und dieselbe, sehr geschmackvolle und geistreiche Inszenierung des Werks in Modena und anderswo mit Raina Kabaivanska und in Verona mit Katia Ricciarelli als Hanna Glawari. Renée Fleming ist vergleichbar mit der italienischen Kollegin, die schön sang und eigentlich nichts falsch machte, aber unendlich langweilig wirkte, während die Bulgarin quasi ironisch lächelnd, lässig elegant und ganz und gar überlegen für eine so spannende wie erheiternde Vorstellung sorgte. Renée Fleming ist für die Operette zu sehr, was man in Italien „aqua e sapone“ nennt, in den USA „das Mädchen von nebenan“, ihr fehlt das Quäntchen Verruchtheit, die lässige, etwas dekadente Eleganz und der gesamten Produktion die „Tanz-auf-dem-Vulkan“-Stimmung, die die so ganz und gar europäische Kunstform der Operette auszeichnet. Ganz und gar geht diese auch den Figuren des dem Untergang entgegen taumelnden Phantasiestaats Pontenegro ab. Die sind alle nett und harmlos, sei es der Baron Zeta, den der verdiente Opernstar Thomas Allen eher als Biedermann denn als unsympathischen Mitgiftjäger zeichnet, der an den Doof des Komikerpaars Dick und Doof erinnernde Njegus von Carlson Elrod, der wenig aus der ergiebigen Rolle macht. Zu bieder wirkt auch der Danilo von Nathan Gunn, zwar mit einem angenehmen Bariton begabt, aber wohl eher als singender Cowboy denn als Dauer-Maxim-Geher überzeugend. Blass bleib der Camille von Alek Shrader, der einen hübschen, höhensicheren Tenor sein Eigen nennt. Etwas ältlich erscheint die Valencienne von Kelli O’Hara mit recht apartem Sopran.
Als ob sie mit einem Pracht-Musical des Broadway wetteifern wolle, haben die MET und das Produktionsteam ( Regie Susan Stroman, Bühne Julian Crouch, Kostüme William Ivey Long) viel, zu viel Pracht und Prunk aufgeboten, so dass von der Verkommenheit des balkanesischen Kleinstaats nichts zu spüren ist, die Kostüme im Haus der Witwe, die im englisch gesungenen Stück eine nette und harmlose ist, die volkstümlichen Gewändern viel zu sehr mit Gold durchwirkt sind, um noch als solche zu gelten, das dritte Bild nichts Pariserisches an sich hat, wozu besonders die spanischen Kostüme der Grisetten ihren Beitrag leisten. Andrew Davis sorgt immerhin, je nach Erfordernis, für Schwung und Walzerseligkeit im Orchestergraben. Und den Fans von Renée Fleming wird diese auch als Hanna Glawari gefallen (DECCA 074 3900). Ingrid Wanja