Die Operette ist wieder präsent – seit einigen Jahren feiert sie deutschlandweit ein großes Comeback – im Mittelpunkt fast immer die Werke der 20er und 30er Jahre. Auch Nico Dostals Prinzessin Nofretete gehört zu diesen Augrabungen. Anfang des Jahres war das Werk in Leipzig an der Musikalischen Komödie zu sehen, jetzt gibt’s die Produktion auf CD beim Label Rondeau. Die Premiere des Werks war 1936 in Köln, obwohl Musik und Stoff (schließlich war der Kopf der Nofretete eine Berliner Museumattraktion) eigentlich gut nach Berlin passen würde.
Das hatte mit der Naziherrschaft zu tun. Die Nazis waren verzweifelt auf der Suche nach vorzeigbaren nichtjüdischen Operettenkomponisten, und Dostal wäre eigentlich der ideale Kandidat gewesen, doch er erwies sich als ungewöhnlich renitent. Er ist nicht sonderlich abgewichen vom satirischen Operettentypus der Weimarer Republik, zum Ärger der Nazis hat er auch weiter recht jazzige Rhythmen geschrieben – und so wurden die Städte, in denen seine Operetten uraufgeführt wurden, immer kleiner, nach Köln waren es Bremen, Stuttgard, Chemnitz.
Aber hier, in der Nofretete, geht noch richtig die Post ab.Ein letztes freches Werk in der Tradition der 20er Jahre. Verglichen mit Manina oder der Ungarischen Hochzeit ist das Libretto zu Nofretete sehr anständig – albern, aber, wie auch Dostals erster und größter Erfolg Clivia mit Biss und Schmackes, und strukturell durchaus anspruchsvoll.
Die Handlung wird auf zwei parallelen Ebenen erzählt, zum einen gibt’s verwickelte Liebesgeschichten bei Ausgrabungen in Ägypten der damaligen Gegenwart. Und im alten Ägypten 1500 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Beide Figurenensemble ähneln sich von den Namen her und werden von denselben Sängern gesungen, mit schönen Seitenhieben auf den Massentourismus und Sensationsjournalismus – die Gegenwartsebene spielt in der Sphäre einer Pauschaltouristengruppe.
Unterbesetzte Tenorrolle: Bei den Sängern der neuen Aufnahme bei Rondeau aus der Musikalischen Komödie Leipzig gibt es, wie so oft, die spürbare Fallhöhe zwischen Frauen und Männern in der Operette . Es scheint ein ehernes Gesetz im 21. Jahrhundert zu sein, dass wir sehr gute Sängerinnen für dieses Genre zur Verfügung haben, aber kaum adäquate Sänger, insbesondere Tenöre (oder es liegt an den Besetzungsbüros?). Fast jede Neuaufnahme der letzten Jahre scheitert am Operettentenor. Und das zeigt sich hier in diesem Werk besonders schmerzlich: Das war eine tolle Produktion in Leipzig, inszeniert mit viel Aufwand, gegeben mit viel Liebe, engagierten Hauptdarstellerinnen (Lili Wünscher und Nora Lentner), kessem Ballett und einem extrem schwachen Tenor (Rodoslaw Rydlewski) in der männlichen seriösen Hauptrolle.
Es fällt mir schwer, das zu schreiben. Denn ich weiß – die Musikalische Komödie Leipzig ist nicht die Scala (und auch die besetzt zweifelhaft, wie man dem Andrea Chénier neulich im Fernsehen entnehmen musste…). Gern ist der Rezensent bereit, ein Auge zuzudrücken bei schönen Entdeckungen und mutigen Ausgrabungen. Hier wären es beide Augen und beide Ohren. Und das wäre zu viel der Toleranz. Man kann es sich diesmal nicht schön hören. Fakt ist, dass der Tenor der elegischen, lehárschen Musik in keiner Weise gerecht wird und damit einen beträchtlichen Teil der Aufnahme verdirbt. Was umso tragischer ist, da die Einspielung stilistisch exzellent ist. Das Orchester klingt nicht seifig, es ist hier wirklich ein schöner 30er-Jahre-Sound gelungen, den Stefan Klingele am Pult fesch zelebriert (2 CD Rondeau ROP 614748). Matthias Käther