Annäherungsversuche

 

Dänische Komponisten sind nicht eben häufig anzutreffen auf deutschen Konzertspielplänen. Carl Nielsen noch an häufigsten. Gelegentlich Niels Wilhelm Gade und Rued Langgaard. Nach Paul (August von) Klenau muss lange gesucht werden. Zumal er oft deutsch verortet wird. Kein Wunder. Klenau, 1883, im Todesjahr Wagners, in Kopenhagen geboren und 1946 dort auch gestorben, verbrachte einen großen Teil seines Lebens in Deutschland. Er hatte deutsche Wurzeln und Besitzungen. Studiert hat er bei Max Bruch in Berlin und Ludwig Thuille in München, später bei Max von Schillings. Nebenher wirkte er als Dirigent in Freiburg und von 1922 als Chorleiter der Wiener Konzertgesellschaft. Als die Wehrmacht 1940 in Dänemark einmarschierte, kehrte Klenau in seine Heimat zurück. Dort dürfte Gitte Haenning auch heute noch bekannter sein als er. Seine Nähe zu den Nationalsozialisten liegt wie ein dunkler Schatten über seinem Werk und seiner Person. Dabei ist er kein gemeiner Nazi gewesen. Er wollte nach eigenem Bekunden eine Musik schaffen, die der nationalsozialistischen Welt durch „ethische Volksnähe und ein handwerkliches Können“ entspreche, „das mit allen willkürlichen individualistischen Umtrieben im Reiche der Töne aufräumt“. Darauf verweist die Musikwissenschaftlerin Nina Jungnickl, die sich in ihrer Diplomarbeit über Oper in der NS-Zeit am Beispiel der Württembergischen Staatsoper Stuttgart, in der sie sich auch mit Klenau beschäftigt. Seine Opern Michael Kohlhaas und Rembrandt van Rijn waren dort in der Spielzeit 1933/1934 bzw. 1936/1937 uraufgeführt worden.

Klenau 1. SinfonieFür eine zaghafte Annäherung an sein vielseitiges Werk sprechen einige Musikproduktionen auf CD der dänischen Firma dacapo. Zunächst sind die erste und fünfte Sinfonie, gekoppelt mit der Symphonischen Fantasie Paolo und Francesca aufgenommen worden (8.224134). Der sinfonische Erstling in fünf Sätzen erlebte seine Uraufführung 1908 in München und steht noch ganz unter dem Eindruck seines Lehrers Schillings. Die Hörner im vierten Satz lassen an ein Scherzo von Bruckner denken. In das Finale fällt die Orgel ein und verbindet sich mit dem dunklen Blech zu einem feierlichen Abschluss, der von Beckenschlägen gekrönt wird. Mit ihrem vorwärtsdrängenden Beginn wirkt die fünfte Sinfonie aus dem Jahr 1939, die keine zwölf Minuten dauert, traditioneller und konservativer als die erste. Mit Paolo und Francesca greift der Komponist wie zuvor schon in seiner vierten Sinfonie, die noch der Entdeckung harrt, eine Legende aus Dantes Göttlicher Komödie auf. Dort tritt Francesca in der Hölle als Verstorbene auf. Im wahren Leben war sie die Tochter des Herren von Ravenna und wurde von ihrem Ehemann zwischen 1283 und 1286 getötet, weil sie sich dessen Bruder Paolo hingab. Mit unterschiedlichen Akzenten inspirierte die Geschichte auch andere Komponisten – darunter Riccardo Zandonai, Hermann Goetz, Peter Tschaikowski und Serge Rachmaninow sowie Maler und Bildhauer. Klenau kommt 1913 mit dem Thema relativ spät. Er gestaltet es aufwühlend und leidenschaftlich, doch kalt, fast schon eisig, erbarmungslos – und ohne einen Hauch von Hoffnung.

Klenau 7. SinfonieIm Zentrum einer weiteren CD steht die siebte Sinfonie, die Sturmsymphonie, aus dem Jahr 1941 (8.224183). Die Bezeichnung beinhalte kein Programm, wird der Komponist vom Autor des Booklets, Thomas Michelsen, zitiert. Sie beziehe sich ausschließlich auf die Bewegung und den dramatischen Charakter des Werkes, das stellenweise sehr grüblerisch anmutet. Michelsen: „Ausgehend von der siebten Sinfonie ist insgesamt festzustellen, dass Klenaus Zwölftonmusik in ihrem melodischen und phrasierenden Aufbau ausgesprochen traditionell klingt und aufgrund der Harmonik sehr tonal wirkt.“ Und abermals sticht vor allem im zweiten Satz, einem Adagio, die Nähe zu Bruckner hervor. Auf die Sinfonie

folgt die Ballett-Ouvertüre Klein Idas Blumen nach einem Märchen von Hans Christian Andersen. Unter dem Titel „Die Blumen der kleinen Ida“ findet sich die Geschichte von den Blumen, die welken und sterben, weil sie sich nachts beim Tanzen auf rauschenden Festen verausgaben, in deutschen Sammlungen. Für den rührseligen Blumentod bietet Klenau ein großes Orchester auf, das mit seinen wild auffahrenden Walzerklängen einen seltsamen Kontrast zur zarten Melancholie der Vorlage bildet. Bei dem Liederzyklus Gespräche mit dem Tod für Altstimme und Orchester ist das Verhältnis zwischen Inhalt und Form angemessener dargestellt. Er entstand 1916 mitten im Ersten Weltkrieg. Der Tod erscheint als Freund und wird als solcher begrüßt: „Reich mir die Hand, o Tod und lass uns eilen, und leite vorwärts mich solang ich rückwärts blicke.“ Dichter des Textes ist Rudolf Binding (1867-1938). Bindung war eine höchst widersprüchliche Erscheinung. Streng deutsch-national gesinnt, fühlte es sich zu den Nationalsozialisten noch vor deren Machtergreifung hingezogen. Andererseits hielt er bis zu seinem Tod an seiner Beziehung zur Jüdin Elisabeth Jungmann fest, die er auf der Ostseeinsel Hiddensee als Gerhart Hauptmanns Sekretärin kennenlernte. Der Zyklus ist in Deutsch komponiert und wird von der schwedischen Altistin Susanne Resmark mit großer dramatischer Geste in der Originalsprache vorgetragen. Im Booklet ist der Text abgedruckt. Auf dem deutschen Buchmarkt sind Bindings Werke meist nur antiquarisch zu finden. Seine Novelle Opfergang wurde 1944 bei der Ufa von Veit Harlan mit Kristina Söderbaum, die diesmal im Delirium stirbt und nicht ins Wasser geht, und Carl Raddatz verfilmt. Das Finale dieser CD bildet der Jahrmarkt bei London – Souvenir of Hampstead Heath, einem großen Park im Norden der Stadt. Klenau dürfte dazu bei seinen Aufenthalten in England angeregt worden sein. Zu hören ist ein sehr farbiges Stück. Michelsen spricht in Booklet von „impressionistischer Klangfläche“. In

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einer Programmnotiz des Komponisten heißt es: „Ein trüber nebliger Morgen. Langsam fährt ein Junge mit seinem kleinen Fuhrwerk den Hügel hinauf. Er singt. Regen, Regen, Regel und Nebel. Ach, nichts in der Welt ist so grau als Nebel.“ In der Einspielung ist die Knabenstimme durch den Alt von Sidsel Abel ersetzt, was der Stimmung keinen Abbruch tut, weil die Sängerin einen androgynen Ausdruck in ihr Solo hineinlegt. Alle Titel auf beiden CDs werden vom Odense Symphony Orchestra unter Jan Wagner gespielt. Es ist eines der fünf regionalen Klangkörper Dänemarks und hat seinen Sitz in Odense auf der Insel Fünen.

Klenau Cornet von RilkeFür eine weitere Dacapo-Produktion wurde es ebenfalls herangezogen: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke (6.220532). Dieses Werk hat keine Bezeichnung, die auf ein bestimmtes Genre hinweist. Es handelt sich um die vollständige Vertonung des berühmten Textes von Rainer Maria Rilke, das mehr Gedicht als Prosa ist. Bereits 1899 entstanden, wurde es im Umfeld des Ersten Weltkrieges oft als Apotheose des Heldentodes gedeutet. Obwohl nicht leicht zu lesen, fand das knappe und sprachlich prägnante Werk eine große Verbreitung. Es hat 1912 als erster Band mit einer Startauflage von zehntausend Exemplaren die berühmte Inselbücherei eröffnet. Bis 2006 gab es vierundfünfzig Auflagen mit insgesamt 1,147 Millionen Exemplaren. Klenau erbat sich von Rilke persönlich die Zustimmung für die Komposition. Der stimmte zu, hielt aber nicht viel davon. Im Booklet wird der Dichter von Michael Fjeldsøe mit den Worten zitiert, dass sein Text „doch eigentlich Musik genug“ sei. „Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag. Reiten, reiten, reiten. Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so groß…“ Vorgetragen vom Chor und nicht – wie zu erwarten wäre – vom Solisten, schleppt sich der berühmte Beginn, den einst jeder Gymnasiast auswendig kannte, auf seltsame Weise dahin. Bo Shovhus setzt erst nach sechs Minuten ein. Mit seinem kernigen Bariton ist er genau richtig besetzt, und er ist auch gut zu verstehen, was bei diesem Werk unerlässlich ist. Am Pult steht diesmal der britische Dirigent Paul Mann. Es singt der Czech Philharmonic Choir.

Klenau 9. SinfonieDie 9. Sinfonie setzt nicht nur den Schlusspunkt im sinfonischen Schaffen Klenaus, sie ist sein letztes Werk, vollendet sechs Monate vor seinem Tod. Erst 2001 wurde der Autograph entdeckt und veröffentlicht. Uraufgeführt wurde die Sinfonie 2014 von Michael Schønwandt, der sich auch für Gade und Nielsen einsetzt, in Kopenhagen. Das war insofern mutig, als bei dieser Gelegenheit die Verstrickungen des Komponisten mit Nazideutschland in der Öffentlichkeit wieder aufflackerten und heftig diskutiert wurden. Daran führt kein Weg vorbei. Klenau dürfte nur dann eine Chance haben, in die Konzertsäle zurückzukehren, wenn seine Vergangenheit offen zur Sprache kommt, nichts verdrängt und unter den Teppich gekehrt wird. Schließlich ist er ja kein Einzelfall. Sein überragende musikalisches Meisterschaft sollte den Ausschlag geben bei seiner Bewertung und Einordnung. Er verdient eine Chance. Die Einspielung seiner letzten Sinfonie mit dem Danish National Symphony Orchestra ist eine Weltpremiere und ebenfalls bei Dacapo erschienen (8.226098-99). Zum Orchester treten der Danish National Concert Choir und ein klassisches Solistenquartett mit Cornelia Ptassek (Sopran), Susanne Resmark (Alt), Michael Weinius (Tenor) und Steffen Bruun (Bass) hinzu. Formal geht das viersätzige Werk eine Mischung aus Sinfonie und Requiem nach dem lateinischen Text der Katholischen Totenmesse ein. In seinen Ausmaßen von neunzig Minuten ist es gigantisch – und so klingt es auch.

 

 

Rembrandt van Rijn/ Szene/ Stuttgart 1937/ Digitale Bibliothek

Rembrandt van Rijn/ Szene/ Stuttgart 1937/ Staatstheater Deutsche Digitale Bibliothek

Völlig dem Vergessen anheim gefallen sind die Opern von Klenau. Es gibt keine Aufnahmen, die einen Eindruck vermitteln könnten. Folglich lässt sich die Frage, ob es sich lohnen würde, eines dieser Werke wiederzubeleben, nur schwer beantworten. Bereits 1913 war an der Münchner Hofoper Sulamith unter der musikalischen Leitung von Bruno Walter uraufgeführt worden. „Dabei vereint er impressionistische Klänge mit deutsch-romantischer Melodik“, heißt es im Buch „Die Chronik der Oper“ von Dieter Zöchling, Chronik Verlag (ISBN 3-611-00128-7). Er sei einer der wenigen Komponisten, die versuchten, die Stilrichtung des Impressionismus außerhalb Frankreichs in insbesondere im deutschen Raum zu etablieren. Das Werk habe freundliche Aufnahme gefunden. Rembrandt van Rijn wurde nicht nur in Stuttgart, sondern zeitgleich auch in Berlin uraufgeführt. An der Berliner Staatsoper war die Besetzung ausgesprochen hochgradig. Der Rembrandt wurde von Rudolf Bockelmann gesungen, die Cornelia von Käthe Heidersbach, die Saskia von Hilde Scheppan. Cornelius ist Marcel Wittrisch gewesen, der spätere Leipziger Heldentenor Ferdinand Bürgmann der Aert. Am Pult stand Robert Heger. Wittrisch hat zumindest das Lied des Cornelius aus dem zweiten Aufzug aufgenommen: „Es neigt sich der Tag“. In seinen späten Jahren wählte es Rudolf Schock für seine Platte „Für meine Freunde“ aus. Es hat Ohrwurmcharakter und dürfte damit genau so wenig typisch für das gesamte Werk sein wie die Arie des italienischen Sängers für den Rosenkavalier von Strauss. Rüdiger Winter

 

Das Foto oben ist der eingefärbte Ausschnitt einer Fotographie des Komponisten Paul von Klenau aus der Porträtsammlung Manskopf der Goethe-Universität Frankfurt am Main.