Die Spanier werden das Gran Teatre del Liceu in Barcelona vermissen, die Franzosen die an der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Place Stanislas gelegene Opéra national de Lorraine in Nancy oder den bemerkenswerten Art Déco-Bau in Marseille, das hübsche Theater in Metz, die Opéra-Comique oder das Théâtre du Châtelet in Paris, die Niederländer die Nederlandse Opera. Die Tschechen suchen vergebens ihr Nationaltheater und das Tyl-Theater, in dem Mozarts Don Giovanni uraufgeführt wurde, das schöne Haus in Riga fehlt ebenso wie der Langhans-Bau in Wroclaw und Warschaus gigantisch großes Teatr Wielki. Ist das Kirow-Theater nicht ebenso schön wie das Moskauer Bolschoi-Theater? Kein Teatro Sao Carlos in Lissabon, kein Teatro Colón in Buenos Aires, kein Glyndebourne und kein Aix-en-Provence, kein Schwetzinger Schlosstheater und auch nicht das Münchner Nationaltheater (und warum nicht auch Prinzregententheater), fast ein Sakrileg, dass das französische Team nicht nach Monaco geschaut und das Schatzkästchen in Monte-Carlo vergessen hat.
Es ist immer müßig und leicht in Sammlung herumzustochern, die mit einem Titel wie „Die schönsten Opernhäuser“ aufwarten. Hat denn nicht jeder seine eigene Favoriten, doch, wenn Antoine Pecqueur im Vorwort erklärt, „manche stechen durch ihre architektonische Bedeutung hervor… durch ihren historischen Stellenwert oder die Qualität ihres Spielplans…“, dann dürften manche dieser Bühnen, beispielsweise auch das Theater an der Wien, nicht fehlen. Die großen Opernhäuser sind eben nicht zugleich auch die schönsten.
Die schönsten Opernhäuser der Welt ist das, was die Briten so treffend als ein Coffee Table Book bezeichnen, ein prächtiger Fotoband mit bescheidenem Textanteil, und kommt somit rechtzeitig zur Weihnachts- und Geschenkezeit, nichts fürs Schmökern in der Badewanne, sondern ein Buch in dem man gelegentlich blättert, sich zufrieden zurücklegt, „schau, da waren wir auch“, oder sehnsuchtsvoll seufzt „da sollten wir auch mal hinfahren“. Es ist ein üppiger und schwelgerischer Fotoband, schwelgerisch, weil er sich Ausblicken und Situationen hingibt, ohne die Häuser dokumentarisch aufzubereiten, meist fehlen Außenaufnahme, Bilder der Front, oft scheint mir die Atmosphäre nur angerissen, es fehlen meist auch Backstage-Momente – was würde allein die Salle Garnier an Material hergeben – oder Impressionen von Aufführungen. Alles in allem ist die Mischung aus Evergreens (La Fenice, Teatro alla Scala, Covent Garden) und neuen Architekturwundern (auch Oslo, Valencia und Kopenhagen), die vom Aalto Theater in Essen bis zu dem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Schlosstheater im einstigen Böhmisch Krumlau (Zámecké barokní divadlo) reicht, gut gelungen. Die Texte sind knapp, kommen auf den Punkt und erfassen, was wichtig und in solchen Fotobänden durchaus nicht immer der Fall ist, die wesentlichen Fakten. Nur sparsamste Hinweise auf Künstler, Intendanten, Dirigenten. Es fehlen, was ich nicht als Mangel empfinde, touristische Hinweise, Informationen, Adressen und Nummern.
Rolf Fath
Guillaume de Laubier (Fotografien) & Antoine Pacqueur (Text) Die schönsten Opernhäuser der Welt, 240 Seiten, ca. 200 farbige Abbildungen, Knesebeck Verlag