„Als Schweizer bin ich neutral“

 

Etwas unvermittelt kommen zwei Bücher über den Schweizer Komponisten Othmar Schoeck und seine Zeit über uns – als Ergebnis von Symposien zum Thema im schweizerischen Bern: Vergangenheitsbewältigung und Entzauberung, möchte man als Deutscher sagen, der schmerzhaft und bis heute in Dauerbehandlung mit der Aufarbeitung des faschistischen Erbes seines eigenen Landes beschäftigt ist. Lange hat sich die „neutrale“ Schweiz dem entzogen, und auch Othmar Schoecks Oeuvre wurde nur gering in eine Diskussion darüber eingebracht. Zwei neue Bücher nun versuchen Strömungen der Kritik zusammen zu fassen.

Othmar Schoeck/ Othmar Schoeck Festival

Die Oper, um die es im Allgemeinen geht, ist Das Schloss Dürande, 1943 an der Berliner Staatsoper glanzvoll uraufgeführt und seither nur konzertant erstmals wieder ebenfalls in Berlin 1993 und ebenfalls von der Berliner Staatsoper im Sendesaal des damaligen SFB (unter Gerd Albrecht  mit Reiner Goldberg und Karen Huffstodt) vorgestellt. 2018 gab es nun eine weitere konzertante  Aufführung in Bern im Umkreis der obigen Diskussionen.  Dürande ist m. W. nie offiziell eingespielt worden, ein Radio-Mitschnitt mit Sprecher   von 1943 ist in Ausschnitten bei Jecklin dokumentiert; es singen Maria Cebotari, Peter Anders und Willi Domgraf-Fassbaender neben Ruth Berglund, Martha Fuchs und Josef Greindl unter Robert Heger in einer Inszenierung von Wolf Völker – viele davon jene, die uns aus langer Nachkriegstätigkeit bekannt sind. Verstrickungen  mit dem Faschismus eben auf allen Ebenen. G. H.

 

Liebesdienst für einen Entzauberten: Eigentlich müsste Othmar Schoecks Oper Das Schloß Dürande als Opfer der Herrschaft der Nationalsozialisten eine triumphale Rückkehr auf deutsche und andere Bühnen feiern. Schließlich wurde das Werk von Hermann Göring, für die Staatsoper verantwortlich, nach seiner Uraufführung dort im Jahre 1943 als „Bockmist“ bezeichnet und nach wenigen Aufführungen wieder vom Spielplan abgesetzt, auch weil im Berlin der Daueralarme eine Theaterexplosion leicht mit einer wirklichen verwechselt werden konnte. Dazu aber passt gar nicht, dass sein Komponist nach 1945 in der Schweiz kein glückliches Leben mehr führen konnte, angegriffen wurde, und „Karrierebruch und angeschlagene Gesundheit waren die Folgen, von denen er sich niemals mehr ganz erholen sollte.“ Des Rätsels Lösung offenbaren zwei Bücher, die vom Schweizer Chronos Verlag unlängst herausgegeben wurden und dessen eines sich mit dem – wohl gelungenen –  Versuch, die Oper durch eine Überarbeitung des Librettos zurück für das Repertoire zu gewinnen, befasst, während dessen anderes die Ergebnisse eines Symposiums an der Hochschule der Künste Bern über das auf einer Novelle von Eichendorff beruhende  Werk wiedergibt.  Was für den Reichsmarschall die Ausscheidungen eines Huftieres waren, stellt sich den Autoren als „nationalsozialistisch „kontaminierte“ Oper“ dar, als „historisch belastet“, wie Cover und Rückseite des Bandes Zurück zu Eichendorff meinen, herausgegeben von Thomas Gartmann und aus drei Teilen bestehend: einem Bericht über das „künstlerische Laboratorium“ vom Herausgeber, Dokumenten über die Zusammenarbeit zwischen Schoeck und seinem Librettisten Hermann Burte und schließlich dem ursprünglichen Libretto, konfrontiert mit der Neufassung, die im Mai 2018 konzertant vom Berner Konzert-Theater aufgeführt wurde. Das Ziel dieser mehrjährigen Arbeit war die Rettung der Musik  vor allem durch die Einbeziehung von mehr Originaltext von Eichendorff, nicht unbedingt aus dem Schloss Dürande selbst, sondern auch aus anderen, dann stets genannten Quellen. Die zusätzlichen Eichendorff-Texte sind dankenswerterweise kursiv gedruckt.

Othmar Schoeck: „Das Schloss Dürande“ 1943/ Szene/ Archiv Berliner Staatsoper

Besonders hervorzuheben ist, dass es eine digitale Beilage mit beiden Fassungen plus das Presseecho von 1943, als das Stück bei den Juni-Festspielen auch in Zürich aufgeführt wurde, gibt.

Am besten beginnt der Leser mit dem Vergleich der beiden Libretti, um danach die Aussagen der einzelnen Beiträge besser beurteilen zu können. Natürlich wird er sich dabei besonders auf die Suche nach den „nationalsozialistisch kontaminierten“ Stellen, nach der „direkte(n) Nähe zur rassistischen Vernichtungsideologie der Nationalsozialisten“ (Schoeck-Biograph), „von Nazismen durchtränkt“ (Chris Walton) begeben. Ein Hinweis wird ihm dafür mit einem Zitat in einem der Artikel gegeben:  (Armand, hält den Becher)/ Heil dir, du Feuerquelle,/ Der Heimat Sonnenblut!/ Ich trinke und küsse die Stelle,/ Wo deine Lippen geruht!

Der Begriff „Heil“ ist einer der gar nicht so seltenen, die nach 1945, weil durch die Nazis missbraucht, als „unbenutzbar“ galten, auch „Heil dir, Elsa“ weiß davon ein Lied zu singen. Dass bereits die alten Germanen vom Königsheil wussten, wird dabei übersehen. Immerhin war „Heil Hitler“ bereits bei der Entstehung des Librettos bekannt und berüchtigt.  Wenig sagt es aus, dass die Vokabel „Blut“ in der Oper 16mal und damit viermal häufiger vorkommt als in der Novelle, mehr schon, wenn man erfährt, dass Schoeck Burtes „Blut und Boden“ streichen ließ. Widerspricht man mit diesen Bemerkungen der Behauptung, Das Schloß Dürande sei unaufführbar mit dem Libretto von Burte? Mitnichten, aber mehr noch aus anderen Gründen, als den hier aufgeführten. Man könnte bereits aus der Tatsache, dass Burte ein Nazi durch und durch war, nach 1945 als „minder schuldig“ eingestuft wurde, aber immerhin, den Schluss ziehen, er und mit ihm die Oper sei unaufführbar.  Ein anderer, ganz wesentlicher Grund aber ist der einfach lächerliche, weil hölzerne, kitschige, von schlechten erzwungenen Reimen und einer holprigen Sprachmelodik nur so strotzende  und damit über weite Strecken einfach wie eine Karikatur erscheinende Text, der mit der Poesie der Vorlage wenig zu tun hat. Mit dem wollten sich jedoch die vier Streiter für die Rettung der Oper wegen ihres musikalischen Wertes nicht abfinden, und so wird mal die Nazinähe des Librettos, mal seine generell unzumutbare Minderqualität als Grund für die Unaufführbarkeit beschworen.

Dem gesamten Buch merkt man die Leidenschaft, Gewissenhaftigkeit  und Unbeirrbarkeit der Mitarbeiter am Projekt „Rettung von Schloss Dürande“ immer wieder an (Es wird sogar von „Sucht“ gesprochen.), an der Spitze der Librettist Francesco Micieli. Aber sie verschließen sich auch nicht Zweifeln und Einwänden, die von außen oder aus ihnen selbst kommen. Da geht es um die von Schoeck und nicht von Burte erfundene Zusatzfigur der Gräfin Morvaille, die den Jäger Renald für die Konterrevolution gewinnen will, um das Problem, einen neuen Text der bereits vorhandenen Musik zu unterlegen, den Wechsel zwischen der 1. Und 3. Person, der mit der Übernahme von mehr Eichendorfftext unvermeidlich wurde, der Veränderung der Charaktere durch die der Sprache, die sie sprechen bzw. singen. Andererseits musste einige Male wegen des Rhythmus‘ auch in den Text des Dichters eingegriffen werden.

Die Etappen des Arbeitsprozesses an der Oper werden nachvollziehbar gemacht, dazu tragen auch Notenbeispiele bei (Mario Venzago dirigierte nicht nur die neue Fassung, sondern passte auch Text und Musik einander an.)

Othmar Schoeck: „Das Schloss Dürande“ 1943/ Szene mit Maria Cebotari und Willi Domgraf-Fassbaender/ Programmheft der Berliner Staatsoper 1993

Kurioses wird nicht verschwiegen wie die Vorschläge, Göring in der Oper auftreten zu lassen oder den Text vom Taugenichts zu unterlegen.  Nicht nachvollziehen kann man, dass Gabriele im Burte-Text „das Muster Hitlerscher Weiblichkeit“ und Renald der „Typus des kompromisslosen, fanatischen, totalitären Nationalsozialisten“ sein soll. Aber das stammt alles nicht von den Schöpfern des neuen „Schlosses“.

Im Mittelteil des Buches geht es um die sich seit den Dreißigern hinziehende Arbeit Burtes und Schoecks an der Oper, um einen Briefwechsel, an dem auch der Mäzen Werner Reinhart und viele andere Anteil haben.

Das Buch verspricht auf den ersten Blick nicht die spannende und anregende Lektüre, als die es sich dann schließlich zur Freude und zur Bereicherung des Lesers entpuppt (332 S., ISBN 978 3 0340 1439 7/ Foto oben Schoeck-festival.ch). Ingrid Wanja

 

„Als Schweizer bin ich neutral“- Othmar Schoecks Oper Das Schloss Dürande und ihr Umfeld bei der Edition argos

Abrechnung nicht nur mit Othmar Schoeck: „Als Schweizer bin ich neutral“- Othmar Schoecks Oper Das Schloss Dürande und ihr Umfeld: Unter diesem Titel fand 2016, zwei Jahre, bevor das überarbeitete Werk in Bern konzertant aufgeführt wurde, ein Symposion statt, dessen Beiträge von Thomas Gartmann nun herausgegeben wurden. Die 340 Seiten bilden drei Blöcke: Oper in brauner Zeit- die Situation 1943, „Bockmist?“- Schoecks „Das Schloss Dürande“ und Rezeption im Wandel. Dabei ist der Rahmen weitgespannt, umfasst sowohl Wilhelm Hauff und seinen Jud Süß wie Hofmannsthal und die Sicht der Nazis auf ihn wie auch den Aufenthalt Heinrich Sutermeisters im von Apartheid gezeichneten Südafrika.

Generell kann man sagen, dass Anklagesucht und Besserwisserei in Bezug darauf, wie man sich in Zeiten von Totalitarismus und Krieg verhalten sollte, angenehm von vielen deutschen Aussagen zu ähnlichen Themen abstechen und sich, da eine Bereitschaft besteht, sich in die Situation u.a. von Schoeck zu versetzen, in vertretbaren Grenzen halten.

Nils Grosch schreibt über die Verfolgung von Musikern und Musik im Dritten Reich und stellt fest, dass sie nur ersteren galt. Das korrespondiert nicht mit dem Verbot von Swing und Jazz, von dem man weiß, dass es streng durchgesetzt wurde. Michael Baumgartner befasst sich in seinem Beitrag mit der Berliner Staatsoper von 33 bis 45, der Rivalität Göring-Goebbels und den Auseinandersetzungen um Egks Peer Gynt und Hindemiths Mathis der Maler. Christian Mächler kommt zur eigentlichen Sache, nämlich der Frage, warum die Uraufführung der Schoeck-Oper in Berlin und nicht in Zürich stattfand. Finanzielle Gründe und die Tatsache, dass der Staatsoper Sängerstars wie Peter Anders, Maria Cebotari und Willi Domgraf- Faßbaender zur Verfügung standen, dürften ausschlaggebend gewesen sein, auch die Unbeliebtheit Burtes, der keine Vorträge in der Schweiz halten durfte. Die Verrisse des Librettos durch Schweizer Medien dürften allerdings berechtigt und nicht der Unbeliebtheit des Verfassers geschuldet sein. Im einzigen englischen Beitrag befasst sich Erik Levi mit Resisting Nazism-Hartmann, Blacher und von Einem. Im letzten Beitrag des ersten Teils geht es um das Mozartfest in Wien 1941 und die Berichte der ausländischen Presse darüber. Das ist insofern auch für das Verständnis von Schoeck und seiner Haltung zu Deutschland interessant, als den Journalisten aus 19 Staaten, darunter auch aus der Schweiz ähnlich wie zu den Olympischen Spielen ein offenes, freundliches, keinerlei Antisemitismus zeigendes Deutschland präsentiert wurde. Den findet man, so der Autor, Roman Brotbeck, viel eher in den Beiträgen der französischen Journalisten aus Vichy-Frankreich. Sehr gründlich und aufschlussreich befasst sich der Autor mit den vier Themen: Eröffnungsakt, Staatsakt, Idomeneo in Strauss-Bearbeitung und der Zauberflöte in der Regie von Gustav Gründgens. Klar wird dem Leser, dass es den Nazis immer wieder gelang, nach außen hin als Förderer der Kultur zu erscheinen, was umso eher von Erfolg gekrönt war, als den Journalisten eine Rundreise durch das damals noch unzerstörte Landspendiert wurde.

Othmar Schoeck: „Das Schloss Dürande“ 1943/ Szene mit Maria Cebotari und Ruth Berglund/ Programmheft der Berliner Staatsoper 1993

Befasst sich der erste Teil des Symposions eher allgemein mit Kultur, besonders Musik unter der Naziherrschaft, so geht der zweite Teil speziell auf Schoeck und seine Oper ein. Simon Thompson stellt in den Mittelpunkt seiner Ausführungen den Librettisten Hermann Burte, der im Markgräfler Land noch heute verehrt wird, dessen Namen Straßen tragen und für den es ein Internetportal gibt. Auch wer im Libretto nur wenig oder, ehrlich gesagt, außer den „roten Horden“ nichts Nazimäßiges findet, wird überzeugt durch das, was aus anderen Werken, „Wiltfehr, der ewige Deutsche“ oder aus Gedichten zitiert wird. Wenn Burte in seinem Spruchkammerverfahren meinte, er habe mit der auch bei Eichendorff abstoßend gesehenen Französischen Revolution die Nazis gemeint, ist das wenig glaubwürdig, und man gibt dem Autor Recht, der meint, es wäre wohl der Bolschewismus ins Visier genommen worden. Der Beitrag Thompsons sticht besonders durch seine Detailgenauigkeit und durch seine Ausgewogenheit hervor. Beat Föllmi wirft Schoeck vor, dass er sich durch zwei Uraufführungen in Deutschland, neben Berlin in Dresden (Massimilla Doni), kompromittiert habe. Er stimmt allerdings auch der Meinung zu, das Werk dürfe nicht wegen seines Schöpfers diffamiert werden. Hart geht er mit dem Komponisten ins Gericht, weil er Einladungen in eine Familie annahm, in der u.a. auch Winifred Wagner Gast war. Auch erhielt Hitler von dieser Familie eine finanzielle Unterstützung, was wohl erst nach 1945 bekannt wurde. Dass er seiner Frau „deutschen Größenwahn“ vorwarf, müsste das wohl in jedem Fall ausgleichen. Die Annahme des deutschen „Erwin-von-Steinbach-Preises“ würde der Verfasser wohl dann in etwas milderem Licht sehen, wenn er davon ausginge, dass auch Komponisten Geld für ihren Lebensunterhalt brauchen. Das Fazit des Artikels, dass die Zusammenarbeit mit Burte kein Unfall war, sondern auf die „opportunistische Haltung“ Schoecks zurückzuführen ist, darf man wohl zustimmen, ob man eine solche hart verurteilen muss, ist eine andere Frage. Leo Dick bringt Adorno ins Spiel, befasst sich mit der Dramaturgie der Oper, meint „Pentesilea und Das Schloss Dürande stehen exemplarisch für ein Opernwerk, in dem das normative Formungsprinzip einer organischen motivisch-thematischen Entwicklung suspendiert wird zugunsten einer quasi-architektonischen Disposition des jeweiligen Materials.“ Darin sieht der Verfasser den Versuch, die Gran Opéra wieder auferstehen zu lassen, so auch mit dem Bestehen auf dem tragischen Ende. Das hört sich fast nach Widerstandskampf gegen

Othmar Schoeck: „Das Schloss Dürande“ 1943/ Szene/ Programmheft der Berliner Staatsoper 1993

die Nazis an, die das Volk fröhlich stimmen wollten, denn 43 gab es Tragik genug in der Realität.

Herausgeber Thomas Gartmann widmet sich kritisch einzelnen Textstellen wie der mit dem verfemten „Heil“, befasst sich auch mit der Figur der Gabriele („hündisch“), die Kleists Käthchen ähnlich sei, geht auf die Änderungsvorschläge des Germanisten Emil Staiger ein und die deutschen wie schweizerischen Kritiken nach der Uraufführung. Dem Leser wird ein interessanter Einblick in die Arbeit der „Retter“ des Werks gewährt, in die unterschiedlichen Vorschläge, von denen einer auch war, durch Übertreibung seiner Schwächen das Werk zu denunzieren. Anschließend schildert Gartmann das Vorgehen, wobei einiges bereits aus dem Band „Zurück zu Eichendorff!“ bekannt ist, vieles aber sich als neu erweist. Spannend sind natürlich die Ausführungen zum Thema, wie neuer Text und Musik miteinander harmonieren können. Mitdenken heißt es auch bei der Frage, wen die Gräfin mit dem Einen gemeint haben könnte, Napoleon oder nach Burtes Vorstellung Hitler? Überrascht ist man nach so viel Nachvollziehbarem zu lesen, dass die Treue des Dieners den nationalsozialistischen Pferdefuß aus dem Text hervorlugen lasse. Hatten die etwa bereits im Nibelungenlied ihre Hand im Spiel? Überzeugender wieder wird es mit der Erwähnung des neuen Schlusses, in dem zum G-Dur der „echte“ Eichendorff-Text vorzüglich passt. Der Titel „Als Schweizer bin ich neutral“ zeige übrigens, wie sehr Schoeck ein „ängstlicher Opportunist“ gewesen sei-und wohl nicht der einzige.

Das letzte Kapitel des zweiten Teils gibt ein Gespräch zwischen Gartmann, Micieli und Venzago über ihre Arbeit beim Zurückführen des Librettos auf Eichendorff wiede,r und es weist nach, inwieweit dadurch die Charaktere von Morvaille und Renald verändert wurden. Das sind teilweise Ergänzungen zum zweiten Buch oder Wiederholungen dessen, was aus diesem bekannt ist.

Der dritte Teil beginnt mit Ralf Klausnitzers Betrachtungen zu Eichendorff als dem „deutschesten der deutschen Dichter“. Das ist eine ungemein interessante Darstellung der Gründe, die den Schlesier zum Abgott ganz unterschiedlicher Geistesrichtungen machten. So wurde er zum Bollwerk gegen Materialismus, Relativismus, Positivismus und andere Ismen apostrophiert, nach 1919 der Oberschlesier, in der Nazizeit zum „Vorbild kämpferischer Entschlossenheit“ und „kämpfericher Dichter des deutschen Ostraums“- was alles er natürlich nie war. Die von begeisterten Anhängern des Dichters gegründeten Gremien zur Eichendorffverehrung und –erforschung wurden von den Nazis vereinnahmt- und alles das, und das macht auch den Wert dieses Kapitels aus, kann als exemplarisch für viele andere Künstler gelten. Schließlich geht es noch um Adaptionen wie Eichs Hörspiel oder Frank Thiess‘ Der ewige Taugenichts.

Othmar Schoeck: „Das Schloss Dürande“/ das berüchtigte Telegramm Görings an den Generalintendanten Tietjen, das zur Absetzung der Oper führte/ Programmheft der Berliner Staatsoper 1993

Die Einbeziehung von Wilhelm Hauff in die Debatte wurde bereits erwähnt, Angela Dediés Beitrag, in dem der romantische Dichter noch mit Mühe die Kurve kratzt und mit einem Bedauern darüber, dass „die Kinder Abrahams“ nicht besser behandelt werden, entlastet wird. Für Veit Harlans grässlichen Film kann er nichts.

Robert Vilain befasst sich mit Hugo von Hofmannsthal und dem Dritten Reich und schildert den Umgang der Nazis mit dem Dichter, der Vierteljude und mit einer Jüdin verheiratet war, der aber auch eine in Naziverdacht geratene Rede hielt, dessen Büste nach dem Anschluss Österreichs im Salzburger Festspielhaus von der SA zertrümmert wurde und über den ein schwedischer Autor ein Drama schrieb, das ihn in der Nazizeit leben ließ. De Opernlibretti für Strauss werden mit keinem Wort erwähnt, und ob das schwedische Drama heute noch Beachtung verdient, sei dahingestellt.

Chris Walton erwähnt in seinem Kapitel über Sutermeister in Südafrika (Die schwarze Spinne) auch die Auseinandersetzung darüber, ob sich der Komponist nicht nur schuldig gemacht habe, weil er trotz der Apartheid dort auch Vorträge gehalten habe, es gibt auch eine Auseinandersetzung darüber, inwiefern das Stück die Schwarzen verunglimpft habe.

Weitgehend, aber nicht ganz frei davon, vom heutigen wissenden und gefahrlosen Standpunkt aus hart zu urteilen, ist das Buch mit seinen vielen unterschiedlichen Ansätzen der Zeit- und Kunstbetrachtung so wissenserweiternd wie unterhaltend (Edition argus, 340S.,  ISBN 978 3 931264 90 1).  Ingrid Wanja       

 

Othmar Schoeck: „Das Schloss Dürande“/ Programmzettel zur Uraufführung 1943 in Berlin/ Programmheft der Berliner Staatsoper 1993

Zum Schloss Dürande, das nur in großen Ausschnitte von der Uraufführung bzw.der 2. Vorstellung bei Jecklin vorliegt, bzw.  schreibt der Musikjournalist Rob Barnet bei musicweb-international im Mai 1999:  Chris Walton and Jecklin with the resources of the Schoeck Society have been a veritable industry in bringing out into the open Schoeck’s very wide-ranging musical heritage. (…)  How remarkable then that Mr Walton has achieved as much as he has. We can only hope for a translation into English of his German language Schoeck book. The present recording survived in the archives of Swiss Radio and came to them via Strasburg Radio. This is the only recording of a Schoeck operatic première to survive. In fact the recording is believed to have been compiled from takes from both the first and second performances. The sound quality is of course mono and is historic though better then you might guess or fear. Certainly you get a reasonable impression of the music. There are six substantial stretches of music (totalling about 45 mins) sandwiched between the atmospheric and dramatic readings and scene settings (in German) of the announcer who „acts“ his words with some nice melodramatic touches. (…) As Mr Walton points out we should not forget that almost rubbing shoulders with this exalted singing and music was a savage World War and that those attending this celebrated event would have included the cream of the Nazi elite. Burte himself was a devout National Socialist. Schoeck had his reservations about a Berlin première but such was the celebrity of the promised première he could not resist the temptation and travelled to Berlin to hear the premiere. After four performances its season was cancelled probably due to the intervention of Hermann Goering who had read the libretto and was truly appalled by it. Goering is better known in artistic circles for his quote „whenever I hear the word Culture I reach for my revolver.“

The music is full-blooded and flowingly romantic. It is old-fashioned and anyone familiar with Puccini, Strauss (particularly of Rosenkavalier), Pfitzner and (I expect) Siegfried Wagner will be at home with this music. It is not original in its way of expressing ideas but it is certainly powerful. (…). A word of praise to Jecklin for their tasteful design of booklet and disc. (Othmar Schoeck/ 1886-1957/ Das Schloss Dürande (1939) EXCERPTS opera to words by Hermann Burte from novella by Eichendorff  Berlin State Opera – singers: Peter Anders, Marta Fuchs, Willi  Domgraf-Fassbaender, Maria Cebotari, Josef Greindl. orch conducted by  Robert Heger    Recording of highlights – German Imperial Radio. April 1943.  Besuch in Urach (from Das holde Bescheiden op 62) Hilde Schoeck (sop) composer (piano). Jecklin JD 692-2)

 

Zu den Fotos: Das große oben zeigt den das Matterhorn, von der Gornergratbahn gesehen – gemeint hier als Sinnbild von Abgeschiedenheit Weltentrücktheit/ Wikipedia; die Szenenfotos der Aufführung von 1943 sowie das Telegramm sind dem Programmheft der Berliner Staatsoper im März 1993 anlässlich der konzertanten Aufführung im selben Jahr im Berliner Schauspielhaus mit sehr freundlicher Genehmigung des damaligen Dramaturgen der Berliner Staatsoper, Manfred Haedler, entnommen.G. H.