Meistens tritt das Ehe- und Sängerpaar Daniela Dessì und Fabio Armiliato gemeinsam vor die Öffentlichkeit, wie viele CDs und DVDs bezeugen können. Nun ist ein handliches Büchlein mit dem Titel Appassionata dem Sopran allein gewidmet, und wie so oft in Italien ist der Verfasser Mario Dal Bello zugleich Autor, Fan und Freund, der in einer Reihe von Interviews den Leser Einblicke in den Karriereverlauf, die künstlerischen und privaten Ansichten der Sängerin gewinnen lässt. Schnell gewöhnt sich der Leser an die Häufung von Adjektiven wie sincera, raffinata, sensibele, oft noch mit einem –issima verstärkt, und mag ihnen nach Beendigung der Lektüre nicht einmal widersprechen, denn Daniela Dessì erweist sich bei ihren Aussagen tatsächlich als all das und als intelligente Gestalterin ihrer Karriere noch dazu. So natürlich wie das Landleben in Gussago bei Brescia, das die beiden Genueser zu schätzen scheinen, äußert sich die Künstlerin über ihre Herkunft, Kindheit, Entdeckung der Musik und der eigenen Stimme, die sie bereits als Siebzehnjährige ihren ersten Opernauftritt haben lässt. Aus dem Mezzosopran wird ein Sopran; vom Barock über die neapolitanische Schule, Rossini, Mozart führt der Weg zu Verdi, der künstlerisch gesehen der marito, und Puccini, der l’amante ist. Erst nach 25 Jahren Karriere hat La Dessì ihre erste Norma gesungen, kürzlich Turandot und Santuzza, und Lady Macbeth ist in Vorbereitung.
Treffend weiss der Sopran die unterschiedlichen Arbeitsweisen der berühmten Dirigenten zu charakterisieren, mit denen sie zu tun hatte. Dass sie allerdings Karajan in Ostberlin getroffen haben soll, erscheint recht unwahrscheinlich, anders als der Bericht von dem stundenlangen Musizieren gemeinsam mit dem Maestro. Kürzer geraten die Ausführungen über die Regisseure, und Geheimnisse, wie die die ihr Di Stefano über die Callas anvertraute, werden natürlich nicht gelüftet. Domingo und Pavarotti geben Anlass für nett Anekdotisches.
„Pensare prima di cantare“ bewahrte die Stimme davor, überstrapaziert und in Krisen getrieben zu werden, für fast vergessene Komponisten wie Zandonai wird von der kritisch das Musikleben kommentierenden Sängerin eine Lanze gebrochen. Die Besonderheiten des japanischen Publikums finden ebenso Beachtung wie Ausflüge in´s Cross Over.
Natürlich ist eines der wichtigsten Themen die Ehe mit Fabio Armiliato, auch er bereits einmal verheiratet und mit einem Kind aus erster Ehe. Die Organisation des Familienlebens zweier Sänger, die Frage nach Für und Wider von Liebesszenen auf der Bühne mit fremdem oder vertrautem Partner, all das wird in sympathischer, schlichter und überzeugender Weise diskutiert. Ein ganzes Kapitel ist der Beziehung zu Suora Rosalina gewidmet und ihrer gemeinsamen Arbeit für eine Gruppe suchtgefährdeter Jugendlicher, die Daniela Dessì durch Musik auf den rechten Weg zu bringen versucht.
Der Folge von Interviews schließt sich eine Biographie der Sängerin an. Das Buch wird vervollständigt durch eine so umfangreiche wie sorgfältig gemachte Diskographie und einen Fotoblock mit vielen noch nie veröffentlichten Aufnahmen. Ein ähnliches, jedoch Fabio Armiliato gewidmetes Buch könnte man nur begrüßen.
Ingrid Wanja
Mario Dal Bello: Appassionata – Incontro con il soprano Daniela Dessì, 75 Seiten, Paoline Editore, ISBN 978 88 315 4446 7