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Antonio Vivaldis Stabat Mater einmal aufnehmen zu können, war ein lang gehegter Wunsch von Jakub Józef Orlinski, der sich mit diesem ikonischen Meisterwerk seit einer Studienzeit beschäftigt. Nun bekam der polnische Countertenor von seiner Stammfirma ERATO die Gelegenheit dazu und mit der auf historischen Instrumenten musizierenden capella cracoviensis unter Leitung von Jan Tomsz Adamus wirken sogar polnische Musikerkollegen mit. Die Aufnahme entstand im Juli 2020 in Krakow und wurde als CD mit kaum 20 Minuten Spieldauer veröffentlicht (0190295060701). Nicht weniger ungewöhnlich ist die beigefügte Bonus-DVD, welche zur Tonaufnahme der sakralen Komposition ein Video von Regisseur Sebastian Panczyk zeigt. Hauptdarsteller ist der Sänger selbst, der in einem Wald ein brutales Massaker an seinen Freunden erlebt und danach den (oder die) Mörder finden will. Stationen sind ein Wirtshaus mit verängstigen Gästen und ein Spaziergang am See, wo sich ein Liebespaar vergnügt und der Sänger einen Apfel isst, bis die Suche in einem historischen Opernhaus endet, wo sich ein Hirsch unter die Musiker auf der Bühne mischt. Ob dieser Film mit seinen Schreckensbildern und Albtraumvisionen eine adäquate Bebilderung von Marias Leidensgeschichte am Kreuz von Jesu darstellt, sei jedem Zuschauer selbst überlassen. Ich empfehle, sich eher der CD zu widmen. Denn diese behauptet sich mit einer bedeutenden Interpretation souverän in der langen Reihe der existierenden Aufnahmen.
Der Counter beeindruckt mit seinem eindringlichen Schmerzenston, der den Hörer mit bohrender Intensität fordert. Die Stimme lässt viele Facetten hören, ist sinnlich und keusch, besitzt eine imposante Fülle und angenehme Wärme. Dunkel und warm tönt auch das Orchester, erreicht dadurch eine innige Verschmelzung mit der Stimme des Sängers. Besonders deutlich wird das in den Abschnitten 5 („Quis non posset contristari“) und 7 („Eia Mater“).
Der erste Interpret des Werkes bei der Uraufführung in Brescia 1712 war mit Sicherheit männlich – ein Altkastrat oder ein Falsettist. Seither haben viele renommierte Countertenöre die sakrale Komposition gesungen und eingespielt. Jakub Józef Orlinski setzt diese Tradition mit seiner Aufnahme würdig fort. Bernd Hoppe