Sie war in vielen Produktionen der erotischste, liebenswerteste Cherubino in Mozarts Le Nozze di Figaro, jetzt hat sich die französische Sängerin mit auch spanischen Wurzeln Marianne Crebassa mit der Seguedilles genannten Erato-CD einer der weiblichsten Heldinnen der Oper, nämlich Bizets Carmen angenommen, deren drei Arien sie zu Beginn, in der Mitte und ganz am Schluss ihrer Aufnahme zum Besten gibt. Dazwischen allerdings wird man mit weit weniger Bekanntem konfrontiert, Opernarien und Chansons in französischer oder spanischer Sprache, erstere vom Orchestre National du Capitole de Toulouse unter Ben Glasberg, letztere von Alphonse Cemin auf dem Klavier begleitet.
Crebassas Carmen ist keine schwerblütige, dunkle Erotik versprühende, sondern eine sehr moderne mit straffer und manchmal ganz leicht scharfer Stimme dem Hörer mitteilend, dass mit ihr nicht gut Kirschen essen ist. In der Habanera versieht sie „L’amour“ mit vielen unterschiedlichen Schattierungen, zieht das Schlank- dem Üppigsein vor, ist voller vokaler Raffinessen wie einer Piano-Fermate, einem Schluss mit bemerkenswertem Crescendo, üppig nicht durch Klangvolumen, sondern durch die schöne dunkle Farbe. Auch die Séguedille ist von verführerischer, maliziöser Leichtigkeit, rhythmisch ausgefeilt und sich bedeutsam gebend erst mit „qui m’aime“. Das Chanson bohéme schließlich besticht durch die Atemlosigkeit, besser Hurtigkeit, die schon beinahe schwindelerregend ist. Es gibt natürlich auch einen Don José, Stanislas de Barbeyrac, der auch in anderen Tracks und dort ausführlicher werdend auftaucht und eine sehr angenehme Tenorstimme hören lässt.
Als Salud aus De Fallas La vida breve scheut die Sängerin auch ein schönes Pathos nicht, erfreut den Hörer durch eine schwelgerische Trauer in der Stimme, die schlank und farbig in die Tiefe hinabsteigt. Massenets Dulcinée ist von eleganter Leichtigkeit mit schönem Triller prunkend, lässt den dunklen Hintergrund des Geschehens erahnen, während Offenbachs Périchole in ihrer Séguedille Leichtigkeit und Spritzigkeit versprüht.
Vier aus den sechs Canciones Castellanas von Jesús Guridi verzücken den Hörer durch feine Tongespinste, durch ein zartes Leuchten der Stimme, durch duftig Hingetupftes. In Massenets Nuit d’Espagne wetteifern Stimme und Gitarre (Thibaut Garcia) im zunehmend Fordernden miteinander. Camille Saint-Saens ist mit El Desdichado vertreten, in dem Mezzosopran und der Sopran von Adriana Gonzáles reizvoll miteinander wetteifern. Es folgen fünf Chansons von Federico Mompou, in denen die Stimme, wo es angebracht erscheint, sehr schön instrumental geführt wird, bitter-süß klingt und alles von einer sehr interessanten Begleitung profitiert. Fast in Sopranhöhen und das ohne Mühe schwingt sich der Mezzosopran in De Fallas Séguedille, ehe mit Ravels L’Heure espagnole der vorläufige und mit Bizets Carmen der endgültige Schlusspunkt für eine wegen ihrer eindringlichen Schönheit, ausgefeilten Technik und bestechenden Stilgefühls überaus hörenswerte Stimme und deren CD erreicht ist. Übrigens gibt Marianne Crebassa ihr Rollendebüt als Bellinis Romeo 2022 an der Mailänder Scala.( Erato 019296676895) Ingrid Wanja