An Einspielungen von Monteverdis Orfeo herrscht kein Mangel auf dem Musikmarkt – die Neuaufnahme bei ALPHA-CLASSICS, entstanden im Januar 2020 in Antwerpen, ist dennoch mehr als willkommen, zeichnet sie sich doch durch eine staunenswerte Frische und expressive Kraft aus. Die Cappella Mediterranea musiziert unter Leitung ihres Gründers Leonardo García Alarcón subtil und delikat, wo nötig, auch mit dramatischen Affekten. Die musikalische Interpretation ist perfekt abgestimmt mit der Textausdeutung, bietet ein harmonisches Gleichgewicht zwischen kraftvollen und melancholischen Akzenten.
In der Titelrolle ist der Tenor Valerio Contaldo in einem glänzenden Auftritt zu hören. Sein Timbre ist wohllautend und ausdrucksstark, die Gestaltung der Figur erfüllt von dramatischem Gefühl, mit großer Aufmerksamkeit für den Text und eloquenten Verzierungen. Seine Szene im 2. Akt angesichts Euridices Tod, „Tu se’ morta“, ist ergreifend in ihrer tragischen Eindringlichkeit, von enormer Spannung erfüllt die mit Coronte im 3. Akt. Euridice ist Mariana Flores, die im Prologo schon die Rolle der La Musica gibt, mit süßem, delikatem Sopran und stilistischer Kompetenz. Zwei weitere Sopranistinnen, Ana Quintans und Julie Roset, wirken eindringlich als La Speranza/Proserpina und Ninfa mit. Auch Giuseppina Bridelli bietet als Messaggiera mit strengem Mezzosopran eine exzellente Studie. Ein machtvoller Caronte ist der Bassist Salvo Vitale mit autoritärer Stimme, der Bariton Alejandro Meerapfel ein überzeugender Plutone. Zwei stilsichere Countertenöre mit angenehmen Stimmen sind in der Besetzung zu finden: Alessandro Giangrande als Pastore III und Apollo sowie Carlo Vistoli als Pastore II. Mit bizarr verfremdeter Stimmgebung gibt der Bassist Philippe Favette den Spirito. Alle Solisten realisieren vollendet Monteverdis Stil des ricercar cantando und auch der Choeur de Chambre de Namur (Leitung: Thibaut Lenaerts) hat hohen Anteil am Gelingen dieser bemerkenswerten Einspielung (ALPHA 720, 2 CD/ 20. 10. 2021). Bernd Hoppe