Eigentlich hätte man gern den Blick noch auf dem prachtvollen Interieur des Teatro Massimo Bellini von Catania verweilen lassen, doch die Kamera wendet sich schnell und abrupt Orchestergraben und Bühne zu und damit den kühlen Farben, die sich Dario Gessati für des Sohnes der Stadt Vincenzo Bellini Frühwerk La Straniera ausgedacht hat. Ein Graben echten Wassers dominiert die Szene, durch das alle Protagonisten und auch der Chor im Verlauf der Vorstellung waten müssen, La Straniera selbst muss sogar Gesicht und Haare darin baden , Tenor und Bariton darin scheinertrinken und das nicht im Hochsommer, da wird auf Sizilien Oper nur all‘aperto gespielt, sondern im Januar 2017. Eine wichtige Rolle spielt die Lichtregie von Fiametta Baldiserri, die zwischen Violett, Grün und Blau changiert, Wolkenungetüme unterstreichen die Dramatik der Handlung, die Kostüme von Tommaso Lagattolla sind zeitlos und machen die Chordamen zu taillelosen Ungetümen. Für den einleitenden Chor trägt derselbe goldene, die Jäger wenig später rote Masken, ohne ersichtlichen Grund werden viele Kerzen angezündet, die sich, ein Kreuz formend, im Himmel widerspiegeln und von der Titelheldin schließlich zum Erlöschen gebracht werden. Die Optik ist eine typisch italienische unserer Zeit: Man will nicht hinter modernen Inszenierungen des German oder mittlerweilen European Trash ganz zurückbleiben, lässt es aber auf ästhetisch nicht anfechtbaren, aber sinnlosen Detailänderungen wie plötzlichem Laubfall beruhen. Die Regie von Andrea Cigni begnügt sich damit, die Darsteller sicher durch das Wasser zu geleiten, für mehr dürften sie auch nicht die Kraft gehabt haben. Die Optik scheint unter dem Motto zu stehen: „Seht her, wir können auch modern sein, aber nie hässlich und vulgär“.
Die krude Handlung von der anonym auf einer Insel lebenden verbannten Königin, die einen Bräutigam kurz vor dessen Hochzeit in den Liebeswahnsinn treibt, von zwei tot geglaubten Herren, die so plötzlich wiederauftauchen wie die Straniera wieder in ihre königlichen Rechte eingesetzt wird und so Schauplatz und sterbenden Liebhaber verlässt, kann eigentlich kein großes Interesse erwecken, wohl aber die Musik besonders für den Sopran, die immerhin Scotto, Caballè und Aliberti dazu veranlasste, sich der Partie anzunehmen.
Sebastiano Rolli sorgt mit dem Orchester des Hauses für eine sichere, einfühlsame Begleitung der Sänger. Mit Elan vertritt der Chor unter Ross Craigmile seine häufig wechselnde Meinung.
Das unglücklich liebende Paar ist von angenehmer, rollenadäquater Optik, was schon einmal viel wert ist. Francesca Tiburzi, die auch in Verismopartien unterwegs ist, hat einen runden, dunkel getönten Sopran interessanten Timbres für die Alaide bzw. Straniera, klingt leicht und angenehm verhangen als Ausdruck der Trauer im ersten Akt oder im abschließenden „Un ultimo addio“. Nur in der Extremhöhe lässt sich eine leichte Schärfe nicht überhören. Einen tenore di grazia setzt Emanuele D’Aguanno für den Arturo ein, in der Mittellage noch ausbaufähig, mit einer Höhe wie einem Fanal, besonders im rasanten Duett mit dem Bariton. Das deutsche Publikum kennt ihn bereits u.a. aus Augsburg und Magdeburg. Unausgeglichen zu Beginn, sich aber ständig steigernd ist Enrico Marrucci ein höhensicherer, besonders im „Meco tu vieni o misera“ vokal höchst präsenter Valdeburgo. Glaubwürdig seine bösen Intentionen vermittelnd singt Riccardo Palazzo mit strengem Charaktertenor den Osburgo. Sonia Fortunato spinnt als Isoletta unverständlich, aber angenehm klingend mit leichtem Mezzo die unendliche Melodie Bellinis. Zwei wackere Bässe werden mit Alessandro Vargetto für den Vater Isolettas und Maurizio Muscolino für den Priore aufgeboten. Man fühlt sich wohl und gut aufgehoben bei diesem Opernabend aus Bellinis Heimatort. (Bongiovanni AB 20038). Ingrid Wanja