Ungewöhnliche Ostereier

 

Rechtzeitig vor dem Osterfest gibt CAPRICCIO als Weltpremieren auf einer CD Oster-Kantaten von Christoph Graupner heraus, die zwischen 1719 und 1743 entstanden (C5411). Christian Bonath leitet das auf Originalinstrumenten musizierende Pulchra Musica Barock Orchester, welches er 2011 gründete. Mit ihm bringt er die Musik in ihrer asketischern Strenge zu eindringlicher Wirkung. Weiterhin wirkt der Knabenchor capella vocalis aus Reutlingen mit, wo die Aufnahme im Sommer 2019 auch entstand.

Graupner war Schüler an der Leipziger Thomasschule, ab 1705 als Cembalist und Komponist an der renommierten Hamburger Oper am Gänsemarkt tätig. 1711 wurde er zum Hofkapellmeister in Darmstadt ernannt, wo er bis zum Ende seines Lebens 1760 wirkte. Anfangs widmete er sich der Oper, später der geistlichen Vokalmusik, was sich in nicht weniger als 1400 Kantaten widerspiegelt. Die vier in der vorliegenden Aufnahme umspannen den Bogen vom Gründonnerstag über den Karfreitag bis zum Ostermontag und bestehen aus jeweils sieben Sätzen – zwei Arien, einem Schlusschoral sowie Chören und Rezitativen.

Als Auftakt erklingt die Kantate zum Gründonnerstag, GWV 1126/33, von 1733 mit dem Titel Die Frucht des Gerechten, welche den Aspekt der Liebe, die Jesus seinen Jüngern im letzten Abendmahl angedeihen lässt, in den Fokus rückt. Alle drei Solisten der Einspielung wirken hier mit – der Tenor Sebastian Hübner im eröffnenden Dictum Accompagnato, der Bass Johannes Hill in der Arie „Mein Herz“, die das Liebesmahl zum Thema hat, und der knabenhafte Altus Jan Jerlitschka in der Arie „Jesus ist mein Baum“. Sie alle deklamieren die spartanischen Gesänge präzise und eindrücklich. Die Kantate zum Karfreitag, GWV 1127/25, stammt aus dem Jahre 1725 und ist betitelt Eröffnet euch ihr Augenquellen. Sie beginnt mit einem fünfstimmigen Chorsatz, in dem sich der  Knabenchor mit kultiviertem Gesang auszeichnet. Von besonders eindringlicher Wirkung in ihrer Todessehnsucht ist die Bassarie „Ich will mit Jesu gerne sterben“. Freude über die Auferstehung prägt die Kantate zum 1. Ostertag, GWV 1128/43, von 1743 mit dem Titel Der Sieg ist da. „Freude über Freude“ jubelt der Tenor in seiner Arie, in deutlichem Kontrast dazu steht die Bassarie „Jesus Sieg“. Der zunächst befremdliche Titel Ihr werdet traurig sein der Kantate zum 2. Ostertag, GWV 1129/19, von 1719 erklärt sich aus der Traurigkeit der Jünger nach dem Tod Jesu. Sie haben die frohe Botschaft von seiner Auferstehung noch nicht erfahren. Bass und Alt vereinen sich im klangvollen Duett „Ach, Zions Hoffnung“, der nachfolgende Chor „Bleibe bei uns“ bildet den Höhepunkt der Kantate und versinnbildlicht den Sieg über den Tod. Bernd Hoppe