Tatsächlich befinden sie sich auf dem Cover. Johann Heinrich Füsslis Hexen, an die man bei dieser Macbeth– Aufnahme (Glossa GCD 923411) ständig denken muss, sind als raunende Schrecken der Nacht allgegenwärtig. Fabio Biondi schafft es mit dem von ihm 1990 gegründeten und auf historischen Instrumenten spielenden Ensemble Europa Galante in Verdis Oper eine durchgehende Atmosphäre erbarmungsloser Düsternis und Trostlosigkeit zu erzeugen. Der magere und ausgedünnte Klang entspricht so ganz den hohlwangigen Frauen, wie sie der Schweizer Maler vor rund 200 Jahren als Verkörperung dunkler Ahnungen und Träume und schwarzromantischer Abgründe festhielt. Bei Biondi geraten die Hexenszenen knarzend ausdrucksvoll, geradezu geisterhaft schrecklich: ein Albtraum, aus dem es kein Entrinnen gibt. Das klingt durchaus gelegentlich neu, rhythmisch präzise, in der Marcia des ersten Aktes und den orchestralen Darstellungen der Erscheinungen, die Macbeth und Banco ihre Zukunft weisen, geheimnisvoll. Doch die Düsternis lastet über dem Geschehen wie Mehltau, der Musik und den Figuren mangelt jegliche Entschlossenheit und Energie, der Aufnahme jegliche Italianità.
Die Hell-Dunkel-Effekte, die Füsslis Bildern ihre theatralischen Qualitäten geben, fehlen in dieser durchgehend trocken fahlen Wiedergabe völlig. Die Lady, das Energiezentrum der Oper, schleicht vorsichtig zur Tat. Nadja Michael singt mit ungenauer Tongebung, eiernden Koloraturen, grauem hohlem Klang, mit vagen angetippten Höhen, sie ist kurzatmig und zögerlich. Wir kennen Verdis Wünsche hinsichtlich der Besetzung der Lady. Kaum vorstellbar, dass er mit der Lady, die in der im August 2017 in Warschau entstandenen Aufnahme den Hörer das Fürchten lehrt, einverstanden gewesen wäre. Michaels Timbre ist noch immer interessant, doch bereits beim schlingernden „Or tutti sorgete“ würde man gerne weiterzappen, nach den wilden Klüften im ersten Finale ist man fast amüsiert, aber spätestens bei „Trionfai“ unwillig. Als ich erstmals die Fassung von 1847 auf der Bühne hörte, in den 1980er Jahren mit Olivia Stapp, war ich hingerissen vom Aplomb dieser großartigen Szene, die Verdi später durch „La luce langue“ ersetzte, wie u.a. auch die Cabaletta „Vada in Fiamma“ durch das Duett Lady/Macbeth „Ora di morte“. Biondi ist aufgrund ihrer stilistischen und dramatischen Kohärenz ein Verfechter dieser frühen Florentiner Fassung, die Verdi – wie auch Mussorgsky seinen Ur-„Boris“ – mit dem Tod des Titelhelden ausklingen lässt. Giovanni Meoni singt einen sehr achtbaren Macbeth. Sein heller, höhenstarker Bariton ist in den auffahrenden Passagen überzeugender als in den Momenten der Reflektion und Resignation, wo es der Stimme ein wenig an Fülle und Breite fehlt. Von den weiteren Sängern ist vor allem Fabrizio Beggis gediegen seriöser Banco zu nennen. Valentina Marghinotti ist als Dame der Lady korrekt, Giuseppe Valentino Buzza singt einen jugendlichen Macduff.. Am besten schlägt sich in dieser Aufnahme, die man schwerlich empfehlen kann, der ausgezeichnete Podlasie Opera and Philharmonic Choir. Rolf Fath