Nur akustisch attraktiv

 

Als Glück erweist sich manchmal das eingeschränkte Blickfeld einer Videokamera, die es dem Betrachter einer DVD am häuslichen Fernseher erspart, allzu früh von dem absurden Einfall eines Regisseurs Kenntnis nehmen zu müssen. Im Falle des Fliegenden Holländer aus Lyon, der auch nach Madrid reiste, wo die Aufnahme entstand, ist es die geniale Idee, Daland und Holländer nur ein einziges Schiff zuzugestehen, das sich zudem noch im bedauernswerten Zustand des Abgewracktwerdens befindet, und das alles nicht etwa in Norwegen, sondern an einem wohl indischen Strand, wie es die Metallteile säubernden und nicht etwa das Spinnrad bedienenden exotischen Damen vermuten lassen. Alex Ollé hat sich das alles einfallen lassen und mit Unterstützung von La Fura dels Baus in die Tat umgesetzt. Im ersten Akt kommt also Daland auf einer Riesentreppe von der Reling des rostigen Tankers, während der Holländer samt Mannschaft offensichtlich im Bauch desselben haust. Echter Sand türmt sich zu mannshohen Dünen und erleichtert weder Solisten noch Chor irgendwelche Bewegungen. Handlung und Charaktere bleiben  unangetastet, wenn auch in diesem Ambiente höchst befremdlich, am Schluss schmiert sich Senta mit der weißen Paste ein, die dem Holländer das Aussehen einer sehr lange dem nassen Element ausgesetzten Wasserleiche verlieh, d.h. wohl, sie ist bereit, sein Schicksal zu teilen, ihn so zu erlösen. Auch von Ferne an menschliche Körper erinnernde, sich in den Elementen Luft und Wasser auflösende Schatten legen das nahe.

Einige vorzügliche Sänger trösten über optisches Ungemach hinweg, allen voran die wunderbar intensive Senta von Ingela Brimberg, die auch bei Großaufnahmen mit feiner Mimik und Gestik Angenehmes und Beeindruckendes vermittelt und deren heller, aber durchaus dramatischer Sopran keine Schwächen kennt, bei den Intervallsprüngen geschmeidig bleibt und keine Höhenprobleme hören lässt. Sie spielt sehr nachvollziehbar die von ihrer Mission geradezu Besessene. Eine Ausnahmestimme dunkel-dräuender Farben hat auch der Holländer von Samuel Youn, aber darstellerisch bleibt er zu statuarisch, den Text beherrscht er leider nur unzureichend, und was die Gesangslinie betrifft, bleiben ebenfalls viele Wünsche offen. Ganz anders verhält es sich mit Namens- aber keinesfalls sonstigem Vetter Kwangchul Youn, der für den Daland ein fast schon zu edles Timbre, ein sehr schönes, auch für Wagner durchaus passendes Legato und eine bemerkenswerte Textverständlichkeit hat. Einen kraftvollen Zwischenfachtenor setzt Nikolai Schukoff für den Erik ein, spielt ihn leidenschaftlich und wird nur in der Höhe etwas enger. Benjamin Bruns singt mit hübschem lyrischem Tenor den Steuermann, Kai Rüütel ist eine noch junge Mary mit ebensolcher Mezzostimme. Das Orchester unter Pablo Heras-Casado spielt besser, als die recht unbestimmte Zeichengebung des Dirigenten erwarten lässt. Ebenso ist der von Andrés Máspero einstudierte Chor, der auch ein gutes Deutsch singt, auf der Anspruchshöhe einer Hauptstadtoper.  (harmonia mundi Bluray und DVD HMD 9809060-61). Ingrid Wanja