Sollte Regisseur Benoit Jacquot die Absicht gehabt haben, einen mitreißenden (TV?-)Opernfilm zu drehen, und mit Puccinis Tosca sowie so tüchtigen wie attraktiven Sängern wie Angela Gheorghiu, Roberto Alagna und Ruggero Raimondi müsste das machbar sein, dann ist er jämmerlich gescheitert, und die Frage nach dem Warum ist leicht zu beantworten. Zum einen reißt der ständige Wechsel zwischen farbigen Filmaufnahmen, solchen in Schwarz-Weiß von den Tonaufnahmen aus dem Studio und grobkörnigen Kamerafahrten durch das Ambiente, so den Weg von Sant’Andrea della Valle zu Cavaradossis Villa, den Betrachter aus der sich gerade entwickelnden Stimmung. Ein weiterer Atmosphäretöter ist das Agieren der Sänger vor einem schwarzen Loch, lediglich für den dritten Akt gönnt man dem Zuschauer einen Blick auf den Schauplatz des Geschehens. Am schlimmsten sind die ständigen Großaufnahmen von den Gesichtern der Protagonisten, die zwar schön bzw. interessant sind, aber da Sänger gewohnt sind, für die zwölfte Reihe eines Opernhauses auch mimisch zu agieren, geht es nicht ohne Peinlichkeiten ab. Raimondi kann zwar schön fies blicken, diese Physiognomie aber nicht über extrem lange Passagen durchhalten, La Gheorghiu ist ausschließlich darauf bedacht, attraktiv auszusehen, wirkt durchweg affektiert und kokett, sinkt auch in extremster Situation allzu anmutig-elegant auf dem Diwan nieder und ist offensichtlich vor allem darauf bedacht, die lange Schleppe ihres Kleides ( 1.Akt) oder Mantels (2. Und 3. Akt) dekorativ um sich herum zu drapieren, egal wie sehr sich der arme Cavaradossi in er Folterkammer die Seele aus dem Leib schreit. Und da es natürlich toll etwas hermacht, wenn ein knallroter, reich bestickter Mantel von der Engelsburg in Richtung Tevere flattert, hat sie sich für die Flucht aus Rom noch ein besonders aufwändiges solches Kleidungsstück zugelegt. Das ist ein Jahrmarkt der Eitelkeiten, aber kein Liebes- und Freiheitsdrama! Wenn dann am Schluss noch einmal ins Studio zurückgeblendet wird und die Diva ein sich selbst bewunderndes „Oiih“ ob ihres „Oh Scarpia, davanti a Dio“ ausstößt, dann erscheinen einem im Nachhinein selbst die großen Poren und Nasenhaare bei den Herren, derer sich die Kamera gern annahm, erträglich.
Peinlich und unnötig wirken auch die Rückblenden in den ersten und zweiten Akt zum Vorspiel des dritten, vor allem wenn sie im Rückwärtsgang stattfinden, und die zeitweise geschlossenen Münder zu Gesang ergeben nur dann einen Sinn, wenn auf diesen vom Partner nicht reagiert wird.
Der Sopran von Angela Gheorghiu war zur Zeit der Aufnahme (2000) noch etwas leicht und hell für die Partie, sie versucht die Stimme abzudunkeln, „Vissi d’arte“ wird gut, wenn auch nicht sonderlich bewegend gesungen, im dritten Akt gerät sie manchmal im forte an ihre Grenzen. Prachtvolles Material kann Roberto Alagna in die Waagschale werden, Recondita armonia wird leider im Einheitsforte gesungen, E lucevan le stelle agogikreicher, aber nicht optimal, da bei den enthüllten belle forme nicht genügend ins Piano zurückgenommen. Ruggero Raimondi war damals (2000) noch in recht guter vokaler Verfassung, abgesehen von Problemen beim Legatosingen. Einen schön-hässlichen Charaktertenor hat Davi Cangelosi für den Spoletta, markig-markant klingt Maurizio Muraro als Angelotti, chargierend auch im Gesang verhält sich der Mesner von Enrico Fissore. Leidenschaftlich agierend zeigt sich Antonio Pappano bei den Aufnahmen aus dem Studio, so dass man sich darüber wundert, dass das Orchester des Royal Opera House of Covent Garden streckenweise kaum zu hören ist.
Im Booklet wird auch über andere Tosca-Filme berichtet, der mit Kabaivanska, Domingo und Milnes aber leider unterschlagen.
Der Besitzer der Aufnahme kann übrigens zwischen Blu-ray und 4K Ultra HD wählen, wodurch aber natürlich das Ganze nicht besser wird (Arthaus 109293) Und außerdem ist das eine „olle Karmelle“, denn den Film gab es bereits in verschiedenen Ausgaben – bei Zweitausenduneins, bei der Frankfurter Allgemeinen und auf weiteren Labels – unnötige Restverwertung also.. Ingrid Wanja