„Stimm‘ brauchst kane, singen muasst können.“ Dieses Bonmot ist von Julis Patzak überliefert. Er galt als kluger Mann, wirkte als Professor an der Wiener Musikakademie. Bis in sein achtundsechzigstes Lebensjahr war als sängerisch tätig. Das wundert nicht, denn Patzak hatte sein Stimme auf ein solides technisches Fundament gebaut. Genau darauf zielt sein Spruch. Stimmlich ist er nach wie vor Geschmackssache. An Ihm scheiden sich die Geister. Sein Tenor ist sehr individuell und eigensinnig, ziemlich klein, wenn nicht gar dünn. Immerhin hat er damit Floresten, Palestrina sowie den Mime gesungen. Und – als sei es nicht nur ein Bedürfnis, sondern auch eine ständige Pflichtübung – Lieder ohne Ende. Zu Schubert, Schumann und Wolf kamen Lieder aus seiner Geburtsstadt – von Grinzing, Fiakern und dem Stephansdom. Womit das Thema einer CD erreicht ist, die bei Naxos erschien: Viennese Operetta Gems (8.110292). Keine Frage, dass auch Patzak zu den Mitwirkenden gehört. Er singt den so genannten Lagunenwalzer „Ach, wie so herrlich zu schaun“ aus der Nacht in Venedig von Johann Strauß und aus Boccaccio von Franz von Suppé die Romanze „Hab ich nur deine Liebe“, die eigentlich Fiametta zugedacht ist. Dieser Geschlechtertausch ist insofern typisch für Patzak, als er sich dem berühmten Stück ausschließlich aus der Perspektive des Sängers annähert und nicht der Figur. Der Gedanke an einen Irrtum kommt so gar nicht erst auf. Schade, dass der Auftritt des Adam aus der in Wien uraufgeführten Operette Der Vogelhändler nicht auch noch einbezogen wurde. Sie ist für mich wie ein Brennspiegel der unverwechselbaren Gesangskunst von Patzak, in die er alles hinein gelegt hat, mehr noch als in die genannten Titel.
Dafür sind aber auch noch viele andere berühmte Namen aufgeboten: Elisabeth Schumann („Mein Herr Marquis“ aus der Fledermaus), Walther Ludwig und die selten auf Tonträgern anzutreffende Lillie Claus („Schenkt man sich Rosen in Tirol“ aus dem Vogelhändler), Franz Völker „Ich hab‘ kein Geld“ aus dem Bettelstudent), Marcel Wittrisch („Komm‘, Zigan“ aus der Gräfin Mariza) oder Richard Tauber („Gehen wir ins Chambre séparée“ aus dem Opernball). Bei einem Ausflug in die Operette ist die international gefeierte Opernsängerin Dusolina Giannini mit Wittrisch in dem Duett „Lippen schweigen“ aus der Lustigen Witwe dokumentiert. Tief anzurühren versteht Joseph Schmidt mit dem Lied „Ich bin ein Zigeunerkind“ aus Lehárs Zigeunerliebe. „Vem oss har vigt?“ Das ist Schwedisch und heißt „Wer uns getraut?“ Zwei muttersprachliche Opernstars, der Tenor Jussi Björling und die Sopranistin Hjördis Schymberg, garnieren mit diesem Duett aus dem Zigeunerbaron die köstliche Wiener Melange. Rüdiger Winter