Wie könnte man schöner ins Neue Jahr starten als mit dem Trommelwirbel der Rossini-Ouvertüre zur Gazza ladra. Das hat sich auch Naxos gedacht und die vier, 2011 und 2012 im Prager Kulturzentrum entstandenen Ausgaben der Ouvertüren Rossinis in eine Box Gioachino Rossini. Complete Ouvertures gepackt (Naxos 8.504048), auf dass man bei knapp vier Stunden Spielzeit durch die Silvesternacht kommt. Nicht notwendig, aber schön zu haben. Mir reichen eigentlich die drei CDs der alten Neville-Marriner-Aufnahme von 1980 bei Philips, weil er eine so elegante Herangehensweise hatte, die Tutti niemals lärmend sind, das Piano durchsichtig bleibt, die Crescendi sich raffiniert entwickeln und die Musik Spannung und Überraschung gleichermaßen besitzt. Doch auch das Prague Sinfonia Orchestra und Christian Benda machen ihre Sache indes gut. Auch sie bieten die für einen Kaufmann in Ravenna komponierte und in dessen Sommersitz „Conventello“ aufgeführten Sinfonia al Conventello, die wahrscheinlich Rossinis erste Ouvertüre ist und erst in den 1970er Jahren wiederentdeckt wurde, und die gleichfalls frühe Sinfonia di Bologna, darüber hinaus widmen sich die Prager auch der Ouvertüre in Es-Dur und der Grand‘ overtura obbligata a contrabasso. Manche Ouvertüren wurden mehrfach benutzt. Da Rossini entsprechend den Gepflogenheiten der Zeit zuerst die Musik für die Bühnenproben liefern musste und die Stimmen für die Ouvertüre den Spielern oft erst unmittelbar vor der Aufführung gegeben wurden, bediente er sich einige Male bei sich selbst: die Ouvertüre von L’ inganno felice taucht bei Ciro in Babilonia auf, die von Aureliano in Palmira bei Il Barbiere di Siviglia und abermals (abgewandelt) bei Elisabetta, regina d’ Inghilterra (die Prager präsentieren beide Versionen), Sigismondo bei Otello (auch hier präsentieren die Prager beide Versionen) usw. schön dass sie die Ermione –Ouvertüre mit der Chor-Introduzione, die vom Fall Trojas berichtet, mit einpackten.
Vermutlich ebenfalls in einer Box werden irgendwann die Cimarosa-Ouvertüren erscheinen, deren Sammlung auf inzwischen fünf Ausgaben angewachsen ist. Die aktuelle Ausgabe vereint zehn Beispiele, die von der Kantate Atene edificata über die Erfolgskomödien Le trame deluse, La villana riconosciuta und Il fanatico burlato bis zur Seria L’ Olimpiade und zur Musik reichen, mit der die Geburt des Dauphin, des Sohnes von Ludwig XIV, gefeiert werden sollte. Die Aufnahme entstand im ostböhmischen Pardubice mit dem dortigen Czech Chamber Philharmonic Orchestra und erhält ihre künstlerische Note durch den sich jetzt auch als Dirigent übenden Flötisten Patrick Gallois (Naxos 8.5.73568). Gerne habe ich die deutschen (!) Texte zu den einzelnen Ouvertüren und Werken gelesen.
Dass Meyerbeer am besten durch seine italienischen Opern Semiramide und Il Crociato in Egitto bekannt sei, wie Naxos auf der CD-Rückseite behauptet, das dadurch Eigen-Werbung für seinen Katalog macht, lassen wir unkommentiert, da die in großen Zyklen planende Firma nun die zweite Folge der Meyerbeer-Lieder vorlegt. Die 18 Beispiele, welche die Sopranistin Sivan Rotem in Jerusalem aufnahm, vier davon als Ersteinspielung, entstanden zwischen 1829 und 1857. Es sind gefällige Salonpiècen, die idyllische Naturbetrachtungen liefern und von romantischer Liebespein berichten, größtenteils in französischer Sprache, vier deutsche Lieder gibt es auch, die „Rosenblätter“ von Schuberts Dichter Wilhelm Müller, ein Hirtenlied von Ludwig Rellstab und ein „Sonntagslied“ von dessen Schützling Hermann Kletke sowie ein Ständchen von Gabriel Seidl. Rotem singt mit einem kleinen kecken, oft neckischen Soubrettensopran, der aber in den langsamen Passagen oder umfangreichen Erzählungen, wie Le poète mourant, überraschende Fülle annimmt, wo auch die in der Höhe spitze Stimme und das nicht sehr schmeichelnde Timbre am besten zur Geltung kommen; dass der Vortrag zur Monotonie neigt, mag man ihr nicht vorwerfen (8.5.73696). Rotem wird belgeitet von dem Pianisten Jonathan Zakdem Cellisten Hillel Zori und dem Klarinettisten Danny Erdman. R.F.