Paolo Bordogna

 

Das originellste an der Tutto Buffo-CD (Decca 481 1685) des Mailänder Baritons Paolo Bordogna ist die Galerie der Figuren auf dem Cover, die zeigt, mit welcher Lust sich der 43jährige in Maske und Kostüm wirft und sich in Falstaff, Mamma Agata, Leporello und Gianni Schicchi verwandelt, wozu im italienisch-englischen Beiheft (Arientexte nur auf italienisch) noch Don Geronimo aus Il matrimonio segreto, Bartolo, Don Geronio aus Il turco in Italia, Don Magnifico, Dulcamara, Don Pasquale sowie die weniger bekannten Tartaglia aus Mascagnis Le maschere und Beaupertius aus Rotas Il cappello die paglia di Firenze hinzu kommen. Leider gelingt es Bordogna nicht im gleichen Maß die Verkleidungen auch stimmlich nachzuvollziehen und sich in die die Figuren zu verwandeln, die eine Geschichte des Buffos vom späten 18. bis in frühe 20 Jahrhundert erzählen, und diesen Vätern, Dienern, Betrogenen und Clowns ein Gesicht zu verleihen. Auf dem Cover sticht natürlich die gar nicht bräsig bufforunde, sondern schrille Mamma Agata hervor, wie sie in diesem Outfit einem Aldomovar-Film entsprungen sein könnte, und die Bordogna, der bei Roberto Coviello studierte, selbst ein wunderbarer Interpret zahlreicher Buffo-Partien, mit flüssigen Koloraturen, beeindruckend strahlender Höhe und ansprechender vis comica in Szene setzt. Überhaupt liegt ihm der verzierte Gesang, vor allem die Plapperkoloraturen Rossinis, ziemlich gut; seinen Cimarosa- und Mozart-Arien fehlt es an Timing und stilistischer Verve . Im Textheft, das einen informativen Abriss zur Geschichte des Buffos zwischen Bass und Bariton liefert, werden als ideale Interpreten auch Salvatore Baccaloni, Sesto Bruscantini und Enzo Dara aufgezählt, Vertreter unterschiedlicher Stimmtypen. Bordogna wäre wohl eher der Bruscatini-Erbe, wobei dieser anfangs ebenso die großen Verdi-Partien übernahm und sich erst in seinen späteren Jahren gänzlich diesen Rollen zuwandte und Bordogna beispielsweise an dessen anrührende und menschliche Darstellung des Don Pasquale nicht heranreicht; das Duett mit sich selbst als Malatesta ist eher ein Gag und offenbart nur die mangelnde Gestaltungskraft des jungen Buffos. Bordognas wenig individuellem Bariton fehlen Rundheit, Fülle und Charakterisierungskunst, und – nicht nur für Dulcamara und Falstaff – die saftig dralle Potenz eines Taddei beispielsweise, es fehlen Farben und Situationen, weshalb diese ehrgeizige, im September 2014 in Parma entstandene Aufnahme sehr rasch an Reiz verliert. Dieser Tendenz arbeiten auch Francesco Lanzilotta und die Filarmonia Arturo Toscanini nicht entgegen. Schade. Rolf Fath

 

 

Und nun ein Gespräch mit dem Bariton: Wie nur wenigen Interpreten gelingt es Paolo Bordogna, Figuren wie Don Magnifico, Leporello, Don Pasquale, Bartolo oder Figaro Leben einzuhauchen. Der vielseitige italienische Basso buffo besticht mit immenser Wandlungsfähigkeit, mit Spielwitz und Originalität seiner Rollenportraits. Dies hat er nun auf einem interessanten Soloalbum verewigt, Tutto Buffo, erschienen bei Decca. Franz Stuckeneder sprach wenige Tage vor seinem Debüt an der Wiener Staatsoper, wo er noch bis zum 19. Juni als Leporello auf der Bühne steht, mit dem Sänger.

Paolo Bordogna/© Amati-Bacciardi

Paolo Bordogna/© Amati-Bacciardi

 

Sie haben vor kurzem Ihr erstes Soloalbum mit dem Titel Tutto Buffo bei Decca vorgelegt. Wir waren fasziniert vom Detailreichtum Ihrer Interpretationen und wie Sie ohne das „Hilfsmittel“ der Bühne solch detailreiche Charakterstudien kreieren. Man hat fast den Eindruck, dass Ihnen das im Tonstudio genauso leicht wie auf der Bühne fiel..Es handelt sich bei dem Album um etwas wirklich Besonderes, da in der Geschichte des Plattenlabels Decca der Figur des Buffo selten zuvor ein ganzes Soloalbum gewidmet wurde. Ich wollte mit dem Projekt, das auch  auf meiner Idee basiert, die Geschichte des Buffo musikalisch erzählen. Während der Aufnahmen war mir natürlich immer bewusst, dass man mich dieses Mal nur würde „hören“ und nicht „sehen“ können. Es hätte aber keinen Sinn gemacht, auf spezielle „Effekte“ zu setzen, die auf der Bühne eigentlich nicht zu vertreten wären.

Paolo BordognoDon Pasqualer/© Amati-Bacciardi

Paolo Bordogna/Don Pasqualer/© Amati-Bacciardi

Als ich die Aufnahme eingespielt habe, war mir immer genau klar, was ich mit meiner Stimme erreichen wollte – und das war nur möglich, weil ich mich stimmlich sehr diszipliniert vorbereitete. Dem jeweiligen Interpretationsansatz, den ich auch bei der Verkörperung der entsprechenden Partie auf der Bühne vertrete, blieb ich übrigens immer treu. Meine Interpretationen hinterfrage und erforsche ich immer aufs Neue und versuche, neue Ansätze zu finden. Unterschiedliche Inszenierungen lassen mich immer neue Farbe finden. Außerdem, was ich immer aus Neue betone: Alles ist schon vom Komponisten geschrieben worden! Und ich habe das Glück, dass alle auf der CD vertretenen Komponisten fantastisch sind!

Paolo Bordogno/© Amati-Bacciardi

Paolo Bordogna/© Amati-Bacciardi

 

Der Hörer wird auf der CD durch drei Jahrhunderte „Buffo-Geschichte“ geführt. Wie entwickelt sich die Geschichte des Basso buffo grob von Cimarosa bis Nino Rota? Erst einmal muss man sagen, dass die stimmliche Kategorie des „Bariton“, als die Opera Buffa geboren wurde, noch nicht einmal existierte und dass die Autoren von den Masken der Commedia dell’arte inspiriert wurden. Buffo-Partien waren meist „väterliche Geschäftsmänner“, die Profit aus der Verheiratung ihrer Töchter in höhere Gesellschaftsschichten schlugen, oder geizige, lüsterne Stiefväter, die es auf die Mitgift ihrer unglückseligen Ziehkinder abgesehen hatten. Die natürliche Stimmfarbe dieser Rollen war ohne Frage die eines Basses.

Paolo Bordogno/Don Magnifico/"La Cenerentola"/© Amati-Bacciardi

Paolo Bordogna/Don Magnifico/“La Cenerentola“/© Amati-Bacciardi

Die Buffos haben nach der französischen Revolution immer menschlichere Züge angenommen und die Masken abgelegt, sodass das Publikum sie auf eine viel direktere Art und Weise erleben konnte – als ob es sich selbst in einem Spiegel sehen würde. Die letzte Entwicklung vollzieht sich dann zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert: Die Introspektion der Charaktere wird auf subtilere Art und Weise offen gelegt. Chaplin erfindet die Idee der “Masken” mit seinem Carlot neu und Pirandello erzählt bzw lehrt uns, dass Humor über “Komik” hinausgeht. Ich verweise hier auf das berühmte Essay Pirandellos “Der Humor” von 1908. Ich persönlich glaube, dass ein moderner Künstler Stücke des 18. Jahrhunderts nicht interpretieren kann, indem er sich vorstellt, wie man dies in dieser Zeit getan hätte, auch wenn man natürlich den philologischen Aspekt nicht aus den Augen verlieren darf. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man dem heutigen Publikum gegenübersteht und darüber, wie viel in den letzten Jahrhunderten passiert ist. Denn genau dies macht unsere Interpretationen der Meisterwerke der Vergangenheit aktuell.

Paolo Bordogno/Falstaff/© Amati-Bacciardi

Paolo Bordogna/Falstaff/© Amati-Bacciardi

 

Wie ist Ihre Karrriere als basso buffo bisher verlaufen? Wann haben Sie sich auf dieses Stimmfach spezialisiert? Es erfordert viel Arbeit und Übung, komische Rollen darzustellen, eben weil man von einer Basis ausgeht, die leicht zu erlangen ist: Die “Natürlichkeit”. Diese “Flamme”, die dich glücklich macht, wenn du andere glücklich machst. Auch das sogenannte Comic Timing kann sehr natürlich sein. Aber, wie es bei allen Talenten eben so ist: Wenn sie nicht vom genauen Studium der Technik “genährt” und vom kontinuierlichen Gegenüberstellen mit bildenden Künsten und unnachgiebiger Disziplin genau geleitet werden, sind sie zur Wiederholung und damit zur Routine und Langeweile verdammt. Dank meiner stimmlichen Flexibilität habe ich weder in der Höhe noch in der Tiefe Probleme. Wenn ich Don Pasquale singe (die Titelpartie), vermeide ich es, kurz zuvor oder danach eine reine Baritonpartie zu singen, das ist einfach gesünder für die Stimme. Beim Rossini Opera Festival konnte ich in zehn verschiedenen Inszenierungen in den großen Buffopartien Rossinis auftreten, der ein wahrer Meister in dieser Disziplin ist. Daraufhin hatte ich das Privileg, viele dieser Partien mit großen Dirigenten und tollen Regisseuren auf der ganzen Welt zu singen.

Paolo Bordogno/Gianni Schicchi/© Amati-Bacciardi

Paolo Bordogna/Gianni Schicchi/© Amati-Bacciardi

 

Zur Zeit treten Sie an der Wiener Staatsoper als Leporello auf. Können Sie uns mehr über Ihre Interpretation dieses Charakters und die stimmlichen Anforderungen sagen? Ich habe ein paar Jahre gewartet, bis ich diese Rolle in Angriff genommen habe, weil ich für sie wirklich bereit sein wollte. Ich halte Mozart für einen Komponisten, der Reife erfordert. Und ich spreche hier vor allem vom darstellerischen Aspekt. Es ist einfach, als Buffo in leicht erzeugte Lacher abzugleiten, die Versuchung ist groß. Leporello ist eigentlich sehr unglücklich. Gleichzeitig ist er unterwürfig und auf seinen Herren neidisch. Es ist eine Art Hassliebe zwischen ihm und Don Giovanni. All das muss neben dem komischen Aspekt sichtbar sein, wenn man den Leporello nicht als alberne Maske darstellen will. Meinen ersten Mozart habe ich übrigens vor 15 Jahren gesungen, das war der Guglielmo in Così fan tutte. Aber eigentlich wollte ich immer Don Alfonso singen. Besonders glücklich schätze ich mich, diese Rolle mit großen Dirigenten wie Abbado und Nagano gesungen zu haben.

 

Paolo Bordogno/Mamma Agata/"Viva la mamma"/© Amati-Bacciardi

Paolo Bordogna/Mamma Agatà/“Viva la mamma“/© Amati-Bacciardi

Welche neuen Partien sind in Zukunft geplant? Können Sie uns schon etwas über konkrete Pläne und Projekte der kommenden Jahre verraten? Vor drei Wochen habe ich an der Washington National Opera als Don Magnifico debütiert, dort sind bereits weitere Projekte geplant. Aber auch an anderen amerikanischen Theatern, beispielsweise an der Lyric Opera in Chicago. Sofort nach dem Leporello hier in Wien werde ich nach Sydney reisen, wo ich Mozarts Figaro singen werde, in einer Neuproduktion von McVicar. Darauf folgt Don Pasquale in Neapel und zur Saisoneröffnung beim Donizetti-Festival in Bergamo. Am Teatro alla Pergola in Florenz werde ich eine Serie von Liederabenden eröffnen, die Rossini gewidmet sein werden, basierend auf meiner eigenen philologischen Arbeit. Der Titel ist Une soirée chez Rossini und ich werde mit einem außergewöhnlichen Begleiter auftreten: Bruno Canino. In Sydney werde ich außerdem als Gianni Schicchi debütieren und Rossinis Figaro singen. Nach Turin, Palermo und Bilbao werde ich mit Cenerentola zurückkehren, nach München mit Le nozze di Figaro und nach Marseille, Bologna und an das NCPA in Peking mit Il barbiere di Siviglia. Ich habe außerdem viele neue Ideen für weitere CD-Projekte. Aber alles zu seiner Zeit!

Foto obern: Paolo Bordogna © Amati-Bacciardi

Bei youtube ist Paolo Bordogna ebenfalls zu erleben: 
https://youtu.be/INj9ZOEb2VI /  https://youtu.be/Q-t9SBHGVqA

  1. Ekkehard Pluta

    Gut, dass Rolf Fath Sesto Bruscantini und Giuseppe Taddei zum Vergleich heranzieht.
    Nicht zu vergessen wäre Renato Capecchi, ein in England und Holland hoch-, in Italien und Deutschland weit unterschätzter Sänger und ein Meister im Fach des basso comico.
    Sein Recital mit Buffa-Arien von Pergolesi bis Mascagni kam seinerzeit bei uns als LP beim Label Fontana heraus, ohne Angaben zum Sänger und statt eines Porträt- oder Rollenfotos desselben war auf dem Cover ein Flußpferd zu sehen.

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