Sigmund Romberg

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Eingefleischten Fans von Helen Traubel und auch solchen des Musicals brauche ich nicht mit dem obigen Begriff „hootsie-tootsie“ (wie immer man das schreibt) zu kommen – die wissen, dass es aus dem wunderbaren Hollywood-Film Deep in my heartentnommen ist: eine sehr freie filmische Biographie des Komponisten mit einer absolut Star-studded-Besetzung von Merle Oberon bis zu José Ferrer (ehemals als VHS und nun als US-Import bei Amazon & Co.), La Traubel in einer ihrer besten und komischsten Rollen nicht ausgenommen. Sie betritt den Raum und hört Ferrer/Romberg am Klavier klimpern: „I like it Sigmund!, Can you play it? Is it hootsie-tootsie? Can we dance it?“ Und das tun die beiden auch mit Verve, die stämmige Traubel und der agile Ferrer Und der steppt auch noch. Was für eine Szene! Ein „Leg of mutton rag“ eben.

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Romberg: Sigmund Romberg/OBA

Sigmund Romberg/OBA

Und was für Musik! In die Beine und Ohren gehend, schmissig, einfach toll. Das beste aus Europa und Amerika vereinend, noch nicht Musical, aber nicht mehr Operette, eine Brücke zwischen beiden. Das gilt auch für die  in den USA erschienene DVD des Desert Song von 1943, die im nachstehenden Artikel von Kevin Clarke vom Operetta Research Center Amsterdam (ORCA) vorgestellt wird. Heißer Sand,  Sonne über der Wüste, laue Nacht, Mondschein, eine kitschige Liebesgeschichte à la Marocco/Sternheim und atemberaubende Farben von Technicolor, dazu einen gutgegelten Herzensbrecher vom Dienst und eine sexy Blondine (nicht zu vergessen der hinreißende Curt Bois). Man klebt förmlich am TV-Screen. Das Ganze ist in die Zeit von 1943 gehoben: Die gemeinen Pläne Nazi-Deutschlands werden von freiheitsliebenden Touregs unter Anführung eines entschlossenen Amerikaners und dem (zwar korrupten, aber sich auf seine demokratische Basis besinnenden) Franzosen durchkreuzt. Und bei der kleinsten Gelegenheit  gibts Solos, Duette und aufrüttelnde Chöre. Das ist Hollywood und das ist Musik, die in Erinnerung bleibt – Romberg eben.

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Romberg: "Tootsie-hootsie" mit Helen Traubel und José Ferrer/Youtube

Romberg: „Hootsie-tootsie“ mit Helen Traubel und José Ferrer/“Deep in my heart“/Youtube

Sigmund Romberg (29. Juli 1887 Nagykanizsa – 10. November 1957 New York) wurde in Ungarn geboren, in Wien ausgebildet, wo er am Theater an der Wien arbeitete. Bei Richard Heuberger lernte er die österreichische Operette. 1909 besuchte er die USA und bewarb sich um die Staatsbürgerschaft. Er tingelte herum, gründete sein eigenes Orchester und arbeitete 1914 im Theater der Shubert Brothers in New York als deren Hauskomponist und Arrangeur. 1915 schrieb er zur Verlängerung einer Eysler-Operette seinen ersten Hit („Auf Wiedersehn`n„). 1917 hatte er sich vorübergehend selbstständig gemacht und kam mit seiner Operette Maytime heraus (daraus erinnert man Will you remember me?“). Romberg lehnte sich gegen den Zwangsvertrag bei Shuberts auf, musste aber klein beigeben. Er instrumentierte und adaptierte Das Dreimäderlhaus auf Schuberts Leben (als Blossom Time“(der bekannte Song of Love ist auf Themen aus Schuberts Unvollendeter geschrieben). Die nächsten Jahre brachten einen Romberg-Hit nach dem anderen: 1924 The Student Prince (darausDeep in my heart„, „Drinking Song„, „Golden days und Serenade – die kein amerikanischer Tenor ausgelassen hat). 1926 folgte The Desert Song (daraus berühmt One alone„, „Riff song und Romance, echte Tränentreiber). 1927 Maryland (Mother, Silver moon), 1928 Rosalie für Florence Ziegfeld und Glamour-Star Marilyn Miller. 1928 The New Moon (Lover come back to me“, „Softly as in the morning sunrise und „Stouthearted men“).

Romberg: Szenen aus "Deep in my heart"/OBA

Romberg: Szenen aus „Deep in my heart“/OBA

Die Zeiten und der Geschmack änderten sich, Romberg konnte sein Erfolgsrezept der großen, streicherunterlegten Songszenen nicht anpassen, sein Erfolg begann zu schwinden. Er schrieb nun Musik oder Musikarrangements für Filme wie The night is still young (When I grow too old to dream). 1940 machte er mit einem eigenen Orchester eine große USA-Tournee. Sein letzter Hit am Broadway war Up in Central Park 1945, aber auch das war kein wirklicher Erfolg mehr.  Alles in allem schrieb Romberg Musik für rund 60 Shows, absolut unerreicht bis dahin und seitdem. Manche warfen ihm vor, sich an den Stücken anderer Kollegen zu bedienen (so Vincent Youman, der einen Prozess gegen ihn  anstrengen wollte). Gelegentlich scheint seine Musik routiniert, weniger originär im Vergleich zu Rudolf Friml zum Beispiel. Aber er schuf vor allem langlebige, eingängige Melodien, die sich bis heute gehalten haben und die ins das kollektive Bewusstsein eingegangen und von nahezu allen Pop-Sängern vorgetragen worden sind. Er war der Katalysator zwischen der europäischen und der amerikanischen Operette auf ihrem Weg zum Musical. G. H.

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PS.: Leider gibt´s diese DVD neu aus Rechtsgründen nur in den USA, aber findigen Fans wird das schon gelingen, und zumindest auf Amazon gibt´s den gewohnten Marktplatz … . Und es gibt auf jpc, Amazon & co. den „anderen“ DVD-Umschnitt mit Nelson Eddy, Gale Sherwood, sogar Salvatore Baccalonii unter Charles Sanford von 1955. Oder den mit der sehr bürgerlichen June Bronhill – Wüste in den englischen Downs. Nicht so toll wie hier links nebenan allerdings … G. H.

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Und nun Hootsie-tootsiges von Kevin Clarke: Sigmund Rombergs Nordafrika-Spektakel Das Wüstenlied „ist wohl das Beste aus der Gruppe der romantischen Operetten, die in den 1920er Jahren am Broadway so großen Erfolg hatten“, schreibt Kurt Gänzl in Musical Theatre on Record. Es wurde vielfach aufgenommen, weil jeder ernstzunehmende Hauptdarsteller in der musikalischen Komödie die Lieder von The Red Shadow singen wollte, und so mancher lüsterne Sopran wollte die für Margot geschriebenen Melodien zwitschern. Bei einer so populären Show ist es nicht verwunderlich, dass auch viele Filmversionen gedreht wurden, die erste 1929 in den Anfangsjahren des Tonfilms. Es folgten zwei weitere Kinofassungen: 1943 spielten Dennis Morgan und Irene Manning die romantische Hauptrolle, 1953 folgte die Technicolor-Extragvaganza mit Gordon MacRae und Kathryn Grayson in den Hauptrollen. (Nicht mitgezählt sind dabei die Fernsehfassungen, die ebenfalls existieren.)

Auch Mario Lanza ließ es sich nicht nehmen, die Musik einzuspielen …

„Aufgrund rechtlicher Probleme mit dem Drehbuch und den Musikrechten kann die Version von 1943, ebenso wie die Zweistreifen-Technicolor-Version von 1929, nicht im Fernsehen gezeigt oder auf Video veröffentlicht werden“, schrieb jemand in der International Movie Data Base. „Sie wird jedoch sicher in den Turner-Gewölben aufbewahrt und hoffentlich wird TCM sie in Zukunft zeigen können. Nun, dieser zukünftige Tag ist endlich gekommen, und die Warner Archive Collection hat endlich die Morgan/Manning-DVD unter der Regie von Robert Florey veröffentlicht, ebenso wie die restaurierte Version der MacRae/Grayson-Fassung, die wahrscheinlich am bekanntesten ist, weil sie jahrelang als VHS im Umlauf war.

Ein anderer Kommentator auf IMDB schreibt: „Die ursprüngliche Bühnenoperette Das Lied der Wüste hatte eine starke Partitur und eine faszinierende Prämisse mit einer nur sehr seichten Handlung und wurde 1929 und 1953 originalgetreu verfilmt, die Version, die heute häufig im Fernsehen gezeigt wird. Die Version von 1929 war durch die frühe Tontechnik beeinträchtigt und wurde komplett in Schwarzweiß im Studio gedreht. In den folgenden zehn Jahren hatte Warners erfolglos versucht, einen Weg zu finden, den Film neu zu verfilmen und dabei die knarzigen, klischeehaften Handlungselemente zu eliminieren. Ein Drehbuch nach dem anderen wurde abgelehnt, bis Regisseur Robert Florey und Produzent Robert Buckner Anfang 1942 eine ernsthafte und realistische Bearbeitung vorschlugen, in deren Mittelpunkt die aktuellen Ereignisse in Marokko standen.

Das Vichy-Regime überwachte den Bau einer Transsahara-Eisenbahn, die mit arabischen Zwangsarbeitern gebaut und vom Dritten Reich finanziert wurde. Durch die Verlegung der nationalsozialistischen Manipulation der französischen Kolonialherrschaft in die Jahre kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurde der Schauplatz der Operette modernisiert und die Darstellung des Aufstands der Eingeborenen erhielt politische Bedeutung.“

IMDB fährt fort: „Um die abenteuerlichen Aspekte der Handlung zu betonen, anstatt sie als Hintergrund zu belassen, wurden wichtige Änderungen an der Partitur vorgenommen, wobei Buckner und Florey diejenigen Aspekte eliminierten, die nicht zur Entwicklung der Handlung beitrugen. Die Musik unterstreicht die Handlung, zum Beispiel wenn ein einsamer Reiter die Rebellen zum ersten Angriff auf die französische Eisenbahnlinie aufruft, um die Gefangenen von Riff zu befreien. Die Ereignisse entwickeln sich während der musikalischen Nummern: Wüstenaufnahmen zeigen die subjektive Fantasie der Heldin, während die moralischen Instinkte eines französischen Beamten während eines patriotischen Tanzes zum Vorschein kommen. Buckner und Florey verwandelten die weibliche Hauptrolle in eine professionelle Sängerin anstelle des verliebten Mädchens aus der Operette. Der Humor wurde überarbeitet, indem ein amerikanischer Reporter hinzugefügt wurde, dessen „Scoops“ ständig von einem verweichlichten französischen Regierungsbeamten zensiert werden – eine spitzbübische Anspielung auf das Hays-Büro, aber auch eine unbeabsichtigte Vorahnung des Schicksals des Films durch die Zensurbehörden. Trotz der Zusammenarbeit an dem neuen Drehbuch wurden die Drehbuchautoren im Abspann nicht erwähnt. Der Hauptdarsteller der neuen Version von The Desert Song war eigentlich schon einige Jahre zuvor ausgewählt worden, nach zwei Probeaufnahmen Anfang 1939. Die erste war unter seinem richtigen Namen Stanley Morner, die zweite unter seinem neuen Namen Dennis Morgan. Es wurden keine anderen Schauspieler für die Hauptrolle getestet, und Dennis Morgan sollte Warners führender Star der 1940er Jahre werden.“

Romberg: Dennis Morgan in "The Desert song" 1943 - Szenenausschnitt

Romberg: Dennis Morgan in „The Desert Song“ 1943 – Szenenausschnitt

Um die Authentizität der aktuellen Geschichte zu erhöhen, wurde der Schauplatz in der nordafrikanischen Wüste so realistisch wie möglich wiedergegeben; Regisseur Florey kannte die Region von einer Reise im Jahr 1923. Nach Besichtigung von Palm Springs, Lone Pine, Death Valley, Victorville, Las Vegas, Utah und Arizona wurde ein Drehort in der Nähe von Gallup, New Mexico, ausgewählt. Die zunehmenden Zwänge der Kriegszeit überzeugten Warners, so bald wie möglich im Jahr 1942 mit den Dreharbeiten zu beginnen, auch wenn dies bedeutete, im Juni und Juli in der brütenden Hitze der Wüste zu filmen.

Allein die Dreharbeiten kosteten 107.000 Dollar, fast das Doppelte des geplanten Betrags, und waren der letzte aufwendige Drehortausflug, bevor die Kriegsrestriktionen in Kraft traten. Die atemberaubenden Szenen in New Mexico, die in hellen, lebhaften Technicolor-Farbtönen fotografiert wurden, wurden im Studio durch Kulissen und Fotografien ergänzt, bei denen visuelle Motive wie enge Stadtstraßen, Aufnahmen durch maurische Tore und Fenster und Kompositionen in der Tiefe verwendet wurden. Florey schmückte die Kulissen mit vielen Gegenständen aus seiner eigenen Sammlung, wie z. B. seinen Toulouse-Lautrec-Postern an den Wänden des Cafés. Französische Flüchtlinge, die vor dem Faschismus geflohen waren, wurden für den Film engagiert, darunter Victor Francen, der den Araber spielt, der mit den Nazis kollaboriert, und der technische Leiter Eugene Lourie, der gerade aus Frankreich über Casablanca in die Vereinigten Staaten gekommen war.

Romberg/“Deep in my heart“ Helen Traubel und José Ferrer/Still aus dem gleinamigen MGM-Film

Der Kommentator auf IMDB fasst das Ganze wie folgt zusammen: „Nach all den Schwierigkeiten hat sich der Aufwand für The Desert Song gelohnt. Als er Anfang 1944, fünfzehn Monate nach seiner Fertigstellung, in die Kinos kam, war er ein Kassenschlager, und auch die Kritiker reagierten im Allgemeinen positiv. Nichtsdestotrotz hat das Publikum den Film seit über fünfzig Jahren nicht mehr gesehen. Ein Problem mit den Rechten an einem hinzugefügten Lied hat eine Fernseh- oder Videoveröffentlichung dieser Version von The Desert Song“ verhindert.

Hier, zum ersten Mal auf DVD, ist diese Version aus der Kriegszeit, und sie ist wirklich eine interessante Alternative zur ersten Version, die viel näher an der Broadway-Bühnenproduktion (und der Tournee) ist, an die sich die meisten Romberg-Fans der späten 40er Jahre noch erinnern können.

Die Neuverfilmung aus den fünfziger Jahren hat in den letzten Jahren bei den Fans der Broadway-Operette wenig Beifall gefunden, hauptsächlich weil sie Kathryn Grayson für eine Fehlbesetzung halten. Darüber lässt sich trefflich streiten, denn im selben Jahr spielte sie die Hauptrolle in dem berühmten Film Kiss Me Kate und feierte einen großen Erfolg, und ich persönlich finde, dass sie sehr gut zu Mr. MacRae passt.

Romberg: Fotos zur Erstaufführung in New York/OBA

Romberg: Fotos zur Erstaufführung in New York/OBA

Zitiert man einen Kommentator von IMDB: „Gordon MacRae ist mit herrlich kräftiger Baritonstimme als der sanftmütige Anthropologe zu hören, der gebeten wird, die Tochter des Generals (Grayson) zu unterrichten, während er gleichzeitig der Anführer der Riffs ist, die von ihrem Freund, einem französischen Legionär (Steve Cochran), gesucht werden. Die abgedroschene Handlung zieht sich hin, durchsetzt mit einigen Actionszenen, alberner Komik und exotischen Tänzen – ganz im Sinne des Wüstenabenteuers. Die beiden Hauptdarsteller sind charmant in ihren Rollen und Raymond Massey ist als böser Scheich zu sehen. Die gute Farbfotografie und die Aufnahmen vor Ort machen den Film zu einem angenehmen Erlebnis – aber es ist die Musik von Sigmund Romberg, die den Film so wertvoll macht. Grayson ist besonders gut, wenn sie vor einer Armee von Soldatenbewunderern „Gay Parisienne“ singt und ihre koketteste und farbenprächtigste Darbietung seit Kiss Me Kate abliefert. Gordon MacRae hat sich als Sänger und Schauspieler fest etabliert und zeigt neben seiner großartigen Gesangsstimme auch einen Sinn für Humor. Sehr sehenswert für Fans der musikalischen Komödie“.

„The Desert Song“ made in GB mit June Bronhill/ das hinreißender alte HMV-Cover

Besonders interessant an dieser letzten Filmversion ist, dass die Figur des Paul Bonnard/El Khobar als ein Clark Kent-Typ dargestellt wird, der sich manchmal in eine arabische Version von Superman verwandelt, um den Unterdrückten und Bedürftigen zu helfen.

Wenn man bedenkt, wie populär Superhelden derzeit sind, mit X-Men und Avengers und Captain Americas, die über die Bildschirme in aller Welt fliegen, könnte es interessant sein, The Desert Song für ein modernes Publikum neu zu interpretieren, und zwar live auf der Bühne, mit einer solchen interpretatorischen Perspektive. Die arabische Kulisse und die Geschichte des Kulturkampfes, die Romberg und sein Buchautor Oscar Hammerstein in The Desert Song erzählen, könnten aus Sicht des Jahres 2014 natürlich nicht aktueller sein. Wenn Sie die Operette noch nicht kennen, sind diese beiden Verfilmungen eine gute Möglichkeit, sich mit ihr und ihren Vorzügen vertraut zu machen. MacRae, der „Blue Heaven“ singt, bleibt ein Knaller. Und der Riff-Song ist so mitreißend wie eh und je, ganz gleich, für welche Version Sie sich entscheiden. Kevin Clarke/ORCA/ 24. August, 2014/ Übersetzt mit DeepL.

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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge dieser Serie Die vergessene Oper hier