Sunhae Im

 

Die koreanische Sopranistin Sunhae Im ist seit langem ein Begriff im Bereich des Barocken und der Oper, aber auch des Liedgesangs und der Konzertauftritte, bei denen sie durch die Schönheit ihrer gut geführten Sopranstimme mittlerer Größe besticht. Nun ist eine neue CD mit ihr erschienen: Mit der Akademie der Alten Musik Berlin/Bernhard Forck singt sie in Haydns wenig bekannter Oper L`Isola disabitata bei der Firma Pentatone die Silvia, die – wie der Name sagt – allen Versuchungen widersteht. Und es ist eine erneute Begegnung mit der charmanten Sängerin, die aus diesem Anlass mit Helga Müller in einem Gespräch Auskunft über sich gibt.

 

Die Frage, die man gerne als erstes an eine Sängerin stellt, weil sie nicht so selbstverständlich ist, wie sie beim ersten Hören klingt. Warum singen Sie überhaupt? Was ist Singen für Sie? Singen ist das Mittel für mich, in dem ich mich am besten ausdrücken kann. Beim Singen kann ich ganz andere Charaktere und Persönlichkeiten spielen.

Wie findet sich Ihre Persönlichkeit in den Rollen wieder? Oder wie auch nicht? Bei Haydn, in diesen Arien in dieser Rolle spiele ich ein sehr unschuldiges Mädchen, was etwas herausfinden möchte. Das verstehe ich, wenn ich den Text lese. So kann ich Persönlichkeiten erkennen oder weiterdenken. Das ist sehr aufregend, aber es kostet auch sehr viel Energie.

Was und wo war Ihre Ausbildung? Meine Ausbildung begann in Korea, an der Seoul National University habe ich Gesang studiert. Die Entscheidung dafür war anfangs schwer – denn ich wollte auch gerne Literatur studieren. Mein Lehrer überzeugte mich aber vom Gesang. Also habe ich in Seoul studiert und bin dann mit einem DAAD-Stipendium nach Deutschland gekommen. In Karlsruhe hat Professor Roland Herrmann mir viele Opernaufführungen, aber auch Oratorien, Neue Musik und Lieder vermittelt. In meinem 2. Semester hatte ich plötzlich die Chance, bei Philipp Herwege zu debütieren – so fing dann meine Karriere an.Wie anstrengend ist Singen für ihr soziales Leben?

Das Singen ist manchmal schon anstrengend für das soziale Leben. Aufgrund dieses Berufes musste ich immer wieder Abschied nehmen. Mit 22 Jahren plötzlich allein zu sein in Europa, das war eine große Herausforderung.

Ich bin ja als freischaffende Künstlerin sehr unregelmäßig unterwegs. Alleinsein gehört dazu. Man muss das irgendwie auch genießen können.

Das andere Thema ist: Krankheiten, die müssen wir ausschließen. Also Skifahren, Rausgehen in die Kälte oder in die Sonne…. Alles kann eine Gefahr sein. Das ist schon ein Nachteil.

Worte und Singen. Was bedeutet das Wort für Sie? Wie ist Verhältnis von Singen und Wort für Sie? Was ist Ausdeutung der Worte durch Musik für Sie? Geht Musik auch ohne Worte? Stehen Worte auch der Musik entgegen?   Das Wort lässt mich phantasieren. Ein Wort kann so viel bedeuten, weil man es jeweils mit eigenen Vorstellungen und Erfahrungen verknüpfen kann. Ich habe ja sowieso viel Interesse für Worte und Bücher, weil ich ja Literatur studieren wollte.

Singen alleine – so schöne Töne zu produzieren – das ist eine Sache, aber das mit dem Wort zu verbinden, das ist das eigentlich Schöne an der Arbeit.

Als nicht Muttersprachlerin muss ich erst die Struktur der Sprache verstehen und die Grammatik lernen. Wenn ich ein Wort nachschaue und ein Ausrufungszeichen in meinem Kopf malen kann, dann kann ich damit arbeiten, überlegen mit welchem Gefühl, mit welcher Wärme der Töne oder mit welchen Spannungen ich die Phrase oder den Satz singen möchte.

Musik funktioniert natürlich auch ohne Worte. Wenn ich mich ausruhe, höre ich eher Instrumentalmusik, weil die auch viel sprechen kann, in andere Weise.

Haydn und Mozartß  Sie singen nun von Haydn eben diese wunderbare Oper – Was sind für Sie sind die Unterschiede bei Haydn zum Barocken, wovon sie ja viel gesungen haben? Meine allererste Aufnahme waren Haydns Kantaten für Esterhazy. Ich war damals 23 Jahre, konnte wagen, da hinein zu schwimmen und es wurde ein großer Erfolg bei Harmonia Mundi. Mit diesen Aufnahmen wurde ich den Barockmeistern, wie René Jacobs, William Christie, Sigiswald Kuijken vorgestellt.

Danach hatte ich auch die Chance Haydns Schöpfung aufzunehmen für Naxos. Ein Kritiker schrieb, dass ich mit schöner Aussprache als junge Koreanerin und mit Ausdrucksstärke für den Erfolg der Aufnahme sorgte. Daraufhin habe ich deutsche Oratorien, zum Beispiel von Bach die beiden Passionen oder auch die Weihnachtsoratorien singen dürfen.

Diese Opernaufnahme nun ist für mich die erste Opernaufnahme von Haydn. Es ist keine oft gespielte Oper. René Jacobs sagte bei unserer Aufführung von Haydns Orlando Paladino an der Staatsoper in Berlin, dass Haydn nach Mozarts Figaros Hochzeit aufhören wollte Opern zu schreiben. Aber Haydn hat ganz viel Humor in der Musik, seine Musik ermuntert. Diese Oper L´ isola disabitata – Die unbewohnte Insel – hat auch etwas mit unserer Covid-Situation zu tun. Aber wenn man diese Musik hört, fasst man wieder Mut von dieser Insel wegzukommen. Und es ist eine herrliche Rolle, ein Mädchen, dass sich zu einer Frau entwickelt, Liebe entdeckt. Auch ein Thema der Covid-Zeit, dass man nicht einsam sein möchte, dass man merkt, was man ganz lange zur Seite geschoben hatte und umdenken muss. Dafür ist diese Oper einfach ideal.

Zusammenarbeit mit anderen. Außer beim Lied sind ja Sänger nie allein. Wo ist der Unterschied eines Liederabends (mit Begleitung) und einer Opernaufführung? Gibt es beim Liederabend so etwas wie ein Ausgestellt sein, eine Nacktheit der Künstler? Für mich ist das Sängerleben schön, weil es mit vielen Menschen zu tun hat. Wir sind nie allein, wir haben immer eine Begleitung am Klavier oder das ganze Orchester oder andere Sänger. Oper, Oratorien und Lied ich liebe alle Arten des Gesangs und ich brauche die auch alle.

Bei der Oper macht es mir Spaß auf der Bühne zu sein, mich zu bewegen, zu spielen jemand anderes zu sein. Mit jemand anderem zu singen und eine Szene zu produzieren. Aber wenn man dann Oratorien singt, geistliche Musik kommt man in sich zurück. Meine beiden Füße, die über der Luft schwebten in der Opernzeit, landen dann wieder auf der Erde. Beim Lied ist es auch dazwischen. Man erzählt eine Geschichte wie ein Monolog, ohne Geste, Beleuchtung und Bühnenbild. Das hat einen anderen Charme.

Repertoire – Aussichten? Wie wandelt sich ihre Stimme über die Jahre, wohin geht Ihre Repertoireauswahl? Was sind Ihre Lieblingspartien? Wohin die Stimme geht, ist ein Rätsel, das würde ich auch gerne wissen. Aber auf jeden Fall werde ich mich drum kümmern, dass ich lange eine gesunde Stimme behalten kann. Ich habe früher sehr hoch gesungen. Aber vor ein paar Jahren, als ich die Partie der Blondchen wieder singen sollte, habe ich bemerkt, dass meine Stimme nicht in die Richtung weiter geht, sondern sich zur lyrischen Seite hin entwickelt – und musste leider bei den Salzburger Festspielen absagen, weil ich bemerkt habe, dass meine Stimme sich zu der lyrischen, wärmeren Richtung entwickelt hatte.

Meine Lieblingsrepertoire bleibt in vielen Mozart- und Händelopern, Susanna in Figaros Hochzeit oder in Händels Agripina die Popeija, das ist eine schöne Rolle. Ich träume immer noch davon, dass ich bald die Rolle der Kleopatra in Julio Caesare singen kann. Nicht nur bei Galakonzerten, wo ich schon mehrmals gesungen habe, sondern die ganze Partie auf der Bühne.

Was nicht verändert werden muss ist das Oratorienrepertoire. Ich singe sehr gerne Bach, auch die Oratorien von Haydn, Händel, die ganze geistliche Musik oder auch weltliche Kantaten, die eine kurze Geschichte haben, mit Instrumentalisten auch mit kleinen Ensembles, mit denen man auch schöne Musik machen kann. Das sollte so bleiben bis zum Ende meiner Karriere, hoffentlich (Photos by Kim, Jongbeom / © EMK Entertainment). https://sunhaeim.com/

 

Haydn: L’isola disabitata , Sunhae Im, Silvia; Anett Fritsch, Costanza; Krystian Adam, Gernando André Morsch, Enrico Akademie für Alte Musik Berlin, Bernhard Forck, Leitung, Label: Penatone, PTC 5186275, August 2021, Hier vorab zu hören

Erwin Schulhoff: Sämtliche Lieder; Sunhae Im, Sopran; Britta Stallmeister, Sopran Tanja Ariane Baumgartner, Mezzosopran; Hans Christoph Begemann, Bariton; Klaus; Simon, Klavier und Leitung; Label: bastille musique, 04. Dezember 2020,

Didone abbandonata  (Kantaten und Arien), Sunhae Im, Sopran , Teatro del mondo, A. Küppers, Leitung, Label: cpo 29. November 2019i