„Schön, dass es viel zu tun gibt!“

 

Der in Berlin ansässige Komponist Max Doehlemann ist in vielen Genres tätig, hat aber eine besondere Vorliebe für Vokalkompositionen. Neben dem Musiktheater bespielt er vor allem auch Genres wie das Kunstlied, das heute in einer Krise zu sein scheint. Über die Frage, was das Lied im 21. Jahrhundert noch erhaltenswert erscheinen lässt, und warum jüdische Inhalte in der zeitgenössischen Musik so selten thematisiert werden, hat sich René Brinkmann mit dem Berliner Musiker unterhalten.

 

Sie sind einer der wenigen zeitgenössischen Komponisten, die sich immer wieder dem Thema „Lied“ in verschiedensten Besetzungen angenommen haben. Ist das Kunstlied heute lediglich etwas aus der Mode oder was hindert Komponistinnen und Komponisten daran, das Genre zu bespielen? Ich finde, dass es schon sehr interessante Lied-Kompositionen von „Zeitgenossen-Kollegen“ gibt. Ich arbeite ja viel mit Sängern, manchmal auch als deren Klavierbegleiter – da kam mir schon manches großartige, aktuelle Lied-Werk unter die Finger. Aber generell haben Sie recht, das Genre scheint irgendwie aus der Zeit gefallen…Vielleicht fehlen im Musikleben heute dazu ja Räume und Konzert-Formate. Auch Attitüden der Zeit könnten eine Rolle spielen: Neben einem Singer-Songwriter, der scheinbar „befreit“ über sich und seine Probleme singt, wirken klassische Liedabende auf viele heute vielleicht steif und künstlich. Ich halte das für einen Irrtum.

Oder auch: Viele Komponisten heute suchen sehr spezielle Herausforderungen. Sie begründen, mal böse gesagt, ihre Ästhetik oft eher mit Vermeidung von Tradiertem, als mit dem Wunsch, selbst eine originäre, eigene musikalische Sprache zu sprechen. Es fragt sich nur, ob man so -allein durch Vermeidung – zu echtem, persönlichem Ausdruck findet. Ich glaube: nein. Lied-Komposition verlangt Formung und man muss wie in einem Musik-Labor quasi eine musikalische Essenz entwickeln. In unserer Zeit-Ästhetik wollen sich viele aber nicht festlegen, sie trauen dem eigenen musikalischen Ausdruck im Grunde nicht so recht und bevorzugen deshalb wabernde, offenere Formen. Vielleicht auch ein Grund?

Was sind denn aus Ihrer Sicht die besonderen Herausforderungen für Komponisten im 21. Jahrhundert in Bezug auf Vokalkompositionen, abseits der Oper? Mir fällt dazu ganz praktisch ein, dass es doch ganz verschiedene Arten des Singens gibt, die praktiziert werden. Neben klassischem Gesang gibt es Musical-Gesang, Jazz, Rock oder auch Rap – ganz zu schweigen von den Gesangs-Arten anderer Kulturen. Es gibt in Europa schon lang keine klare Formung mehr in die Richtung, dass man die klassische Art zu singen (wie in Oper oder Oratorium) als Leitbild oder besonders zentrale Kunstform ansieht. Singen ist natürlich per se eine menschliche Grund-Äußerung und ein Grundbedürfnis jeder Kultur, aber wenn eine Kunstform daraus wird, kann sich das sehr unterschiedlich anhören. Die damit verbundenen musikalischen Horizonte sind total verschieden.

Ich selber habe zum Beispiel auch schon Musical-Songs komponiert, habe jahrelang mit singenden Schauspielern gearbeitet (besonders am Berliner Ensemble). Jazz ist mir auch nicht fremd und ich habe in Projekten gespielt mit orientalischen oder nordafrikanischen Sängern. Wenn ich als Komponist dann immer wieder „zeitgenössisches Kunstlied“ entwickelt habe, geschah das aus einer Erfahrung von Vielfalt heraus. Ich denke, viele Musiker heute gehen solche verschlungenen Wege durch verschiedene Stilwelten. Es gibt eine große Freiheit, Musik kann so vieles ausdrücken – und natürlich auch Schönheit. Eine Gefahr liegt vielleicht darin, dass man im künstlerischen Weg durch die große Welt der Möglichkeiten Abkürzungen nimmt, ohne die Welten wirklich durchdrungen zu haben – da kommt als schlechter Mix so eine Verflachung oder „Verpoppung“ dabei heraus. Letzteres bitte nicht falsch verstehen: Ich habe grundsätzlich nichts gegen Pop, wohl aber gegen eine anbiedernde Verpoppung, die ich zutiefst ablehne – ein wichtiger Unterschied ist das für mich!

Ich könnte mir vorstellen, dass auch die Wahl des Textes eine Rolle spielt, denn ähnlich wie das Lied in der Musik ist in der Literatur auch die Lyrik schon seit Jahren in einer Krise: Die großen Verlage veröffentlichen nicht mehr sehr viel moderne Lyrik, die anscheinend auch vom Publikum nicht mehr viel nachgefragt wird. Da hatten es die romantischen Komponisten zur Hoch-Zeit des Liedgenres schon besser, oder? Nachdem Bob Dylan für seine Songtexte den Literatur-Nobelpreis bekommen hat, könnte man vielleicht auch der Meinung sein, dass sich die Idee „Lyrik“ eben auch eher in den Bereich des Pop verlagert haben könnte. Viele Singer-Songwriter machen doch auf ihre Weise moderne, vertonte Lyrik. Das klassische Kunstlied-Genre ist sicherlich eine Musik mit viel größerer harmonischer und melodischer Komplexität – diese Art, Musik zu denken, war im 19. Jahrhundert konkurrenzlos anerkannt. Dann hat sich die klassische Musik des 20. Jahrhunderts vielfach in sehr spezielle Richtungen entwickelt – Richtungen, die nur selten das ins Zentrum gerückt haben, was die menschliche Stimme ausmacht. So gesehen hatten es die Romantischen Komponisten wohl wirklich besser. Es gab damals einen viel klareren, vorgegebenen Stilrahmen, den das Publikum auch verstand. Auch Stilbrüche oder sogar Umbrüche waren da leichter. Aber jede Zeit hat ihre interessanten Seiten, und genauso die heutige!

Inwiefern muss es denn überhaupt Lyrik von heute sein? Ist es nicht auch interessant sich einen, sagen wir, Heine-, Goethe- oder Schiller-Text herzunehmen und diesen mit moderner Musik neu zu interpretieren? In meinem Zyklus „Orte“ (davon ist gerade eine Studioaufnahme entstanden) habe ich unter anderem tatsächlich einen Goethe-Text vertont. Außerdem Trakl. Ich habe auch schon Paul Valéry, Shakespeare oder Eugenio Montale zur Grundlage genommen, meist in der Originalsprache. Oder Robert Gilbert, oder auch Jahrtausende alte Psalmen. Natürlich geht das alles. Aber es zählt bei jeder Komposition die Einzel-Lösung. Die Musik muss immer wieder individuell auf die Welten des Textes eingehen, was hätte es sonst für einen Sinn?

Auf Ihrem neuen Album „Ruach“, einem Doppelalbum, dass Sie sich mit dem Schweizer Komponisten Bo Wiget sozusagen teilen, gehen Sie ausgehend von diesem Wort aus dem hebräischen Bibel-Text auf eine recht komplexe und zum Teil ziemlich ironische Spurensuche nach der Bedeutung dieses Worts, das – wenn ich das richtig verstanden habe – einerseits in einer gewissermaßen metaphysischen Sicht als „Geist Gottes“ gedeutet werden kann oder aber auch ganz schlicht und einfach als „Wind über dem Wasser“. Ist das so in etwa richtig erfasst? In der traditionellen jüdischen Haltung ist es absolut üblich, hebräische Traditions-Worte auf ihren Bedeutungsgehalt abzuklopfen. „Ruach“ ist so ein Wort, es kann heißen „Geist“ (so verstanden es aber eher die Christen), hat aber auch andere Bedeutungen. Maimonides oder Spinoza begründeten den Rationalismus, indem sie so Schlüsselworte der hebräischen Bibel auf ihre Bedeutung hin diskutierten – eine Tradition, die das Christentum meines Wissens nicht kennt. Ich selbst bin ja Mitglied der Jüdischen Gemeinde. Ich toure viel als Klavierbegleiter eines Rabbiners mit Kabarett-Programm, Ironie gehört schon deshalb zum Tagesgeschäft. Natürlich reflektiere ich auch viel ernsthaft über jüdische Inhalte. Ironisch bei meinen Stücken auf der CD ist wohl vor allem das erste enthaltene Stück, meine Kantate „Der Bär antwortet“ (nach einem Text von Sören Heim). Das ist eine feierliche, pantheistische Hymne an das Sternbild des Großen Bären – für Sopran, Orgel und Trompete. Bo Wiget hat natürlich auch einen feinen Sinn für Humor, auch er ist ja bisweilen im kabarettistischen Bereich tätig. Nur wichtig: Nur, weil manchmal etwas ironisch klingt, heißt das lange noch nicht, dass es nicht auch ernst gemeint sein kann.

Wie kamen Sie denn auf die Idee, von diesem Bibelbegriff aus der Genesis ausgehend, Instrumentalmusik und Lieder zu kombinieren? „Ruach“ hat viele Bedeutungen:  Geräusch, Lärm, Wind, Atmosphäre, Stimmung. Nicht unbedingt nur „Geist“. In anderen Kontexten (zum Beispiel im von mir hebräisch vertonten jüdisch-liturgischen Text „Uwa Lezion“) heißt es eher „großer, donnernder Krach“. Ich finde, gerade in diesem Spannungsfeld Geist (christliche Interpretation) versus Wind (jüdisch-rationalistische Interpretation) hat das Wort eine besondere Aura, mal frei nach Walter Benjamin gesagt. Bo und ich haben länger nach dem passenden Titel gesucht, wir waren zwischendurch schon, weil wir beide so gern Tee trinken, bei „TeeOLogische Reflektionen“ (da sollte man uns beide auf dem Cover mit Teetasse sehen, ich hatte sogar schon einen Fototermin dafür klargemacht). Aber Ruach drückt dann doch besser aus, was diese Zusammenstellung ausmacht..!

Was ich interessant finde, ist, dass die jüdische Kultur in der Musik des 21. Jahrhunderts bis dato deutlich seltener öffentlich wahrgenommen wird als beispielsweise in der Literatur, wo es nach meinem Eindruck eine lebhafte Beschäftigung mit jüdischen Themen gibt, die immer wieder auch für Diskurse in den Feuilletons sorgt – wie beispielsweise erst kürzlich beim Konflikt zwischen den Publizisten Max Czollek und Maxim Biller, auch, wenn dieses Beispiel nun ein eher unerfreuliches ist. Im Prinzip kann man sich aber ob solch breiter Aufmerksamkeit aus Sicht eines Musikschaffenden doch nur wundern: Wo sind denn die Feuilletonisten in Bezug auf die neueste Musik mit jüdischen Themen? Gibt es denn da gar nichts zu diskutieren oder wenigstens zu entdecken? Zum Thema Czollek/Biller möchte ich mich nicht äußern, obwohl ich eine Meinung dazu habe. Sie sprechen von Musik „mit jüdischen Inhalten“ – das finde ich gut formuliert, denn es ist ja durchaus fraglich, was jüdische Musik per se überhaupt sein soll. Jüdische Inhalte kommen in der öffentlichen Debatte, in Zeitungsartikeln und so weiter ja durchaus vor, aber selten dabei geht es darum, was jüdische Kultur, was jüdische Perspektiven tatsächlich aus sich selbst heraus auszeichnet. Diese Perspektiven fehlen im Bildungskanon, ganz besonders im Bereich der Musik – vielleicht hat hier insgeheim immer noch Richard Wagner die Lufthoheit? Im 19. Jahrhundert wurde Jüdisches von Musikschriftstellern wie Hugo Wolf und anderen verächtlich gemacht – das könnte fortwirken. Ein Mendelssohn- Bartholdy konnte zwar genau wie ein Gustav Mahler oder Heinrich Heine den Platz im allgemeinen Bildungskanon einnehmen, aber nur, weil sie alle zum Christentum konvertierten und nichts oder wenig explizit Jüdisches produzierten (sie wurden trotzdem weiterhin als Juden angesehen). Die Leute heute wissen überhaupt nicht, was „jüdisch“ alles bedeutet oder bedeuten kann. Vor der NS-Zeit gab es deutsch-jüdische Denker mit Weltgeltung, die über explizit jüdische Inhalte schrieben – etwa Gershom Scholem oder Franz Rosenzweig. Wir wissen, wie die Geschichte weiterging. Auch heute werden natürlich fantastische Bücher geschrieben, so hat etwa der Philosoph und Judaist Christoph Schulte, (mit dem ich auch befreundet bin) ein tolles Buch über den kabbalistischen Begriff des Zim Zum geschrieben. Das Thema kommt auch auf der CD vor! Doch all das hat in der Musikwelt erstmal keine Relevanz. Man billigt dem Judentum musikalisch jenseits von Klezmer nicht allzu viel zu. Auch nicht, dass es völlig andere Sichtweisen beinhalten kann, dass ganz eigene geistige, kulturelle oder auch spirituelle Welten inbegriffen sein können. Vielleicht kann ich in meiner kleinen Welt ja dazu beitragen, dass sich das ändert. Es gibt die kabbalistische Idee von verstreuten Funken, die es aufzusammeln gilt – diese Vorstellung mag ich sehr.

Inwieweit ist überhaupt Ihr Selbstbild mit dem Begriff „Neue Musik“ vereinbar? Sie selbst entstammen ja nicht einer „typischen“ Komponisten-Laufbahn… Ich finde den Begriff „Neue Musik“ abgenutzt. Sicher mag es Zeiten gegeben haben, wo der Aufbruch in unbekannte Gefilde aufregend und interessant war. Auch ich habe eine Menge ausprobiert, merkte aber eigentlich schon zu Studienzeiten in den frühen 90ern, dass ich mit der intellektualistischen, vor allem zur Klangcollage neigenden Haltung vieler Kollegen nichts anfangen konnte. Ich fand diese Musik kalt und sie erzählte für mich nichts. Ich war dann über Jahre eher mit Buchautoren befreundet als mit Komponisten-Kollegen. Ich habe Filmmusik gemacht und langjährig an Sprechtheatern gearbeitet (an Opernhäusern übrigens auch, aber weniger). Herausgekommen ist dabei eine kompositorische Haltung, dass ich mit Musik unbedingt etwas ERZÄHLEN will. Ich habe nichts gegen eine experimentelle Haltung, ich mache das selber ja auch – suche aber Anlass und Inspirationen dazu mehr im Theatralischen und Performativen als in der Montage von Klängen.

Max Doehlemann und Rabbi Walter Rothschild/doehlemann.berlin

Wie entgegnen sie der häufig vertretenen kritischen Position, die moderne Literatur hätte es geschafft, ein Publikum bei der Stange zu halten, die moderne Musik jedoch nicht? Ich finde, dass diese Position leider nicht völlig von der Hand zu weisen ist. Was mich übrigens an der Haltung mancher Neue-Musik-Kollegen immer besonders gestört hat, ist dieser insgeheime Erziehungs-Anspruch, also diese Behauptung, ihre Musik sei perfekt so, aber das Publikum noch nicht so weit und müsse irgendwo „hingeführt“ werden. Ich dagegen möchte mit meiner Kunst niemanden erziehen. Sollte jemand sie nicht mögen, ist das O.K. und es ist nicht nötig, dann am Hörer nachzubessern. Voraussetzung ist natürlich schon, dass man solcher aktueller, nicht-kommerzieller Musik überhaupt eine Chance gibt – also dass man sie ernsthaft und mit offenen Sinnen anhört. Vielleicht auch zweimal. Dafür, dass das passieren kann, muss man Gelegenheiten schaffen. Und vorhandene Gelegenheiten unbedingt pflegen und erhalten.

 Sie haben in diesem Interview ja nun die Gelegenheit für Ihre und die Musik Bo Wigets zu sprechen: Wen geht Ihre Musik an, wer sollte sich Ihre Musik anhören? Grundsätzlich jede oder jeder mit Interesse an Musik jenseits von Hintergrund-Berieselung. Wer für gute Party-Stimmung sorgen will, sollte vielleicht lieber eine chillige Jazz-CD einlegen (habe ich auch schon gemacht). Hier, bei „Ruach“, muss man richtig zuhören. Vielleicht bei längeren Fahrten im Auto oder in der Bahn? Gern auch zu Hause. Es besteht die Chance, gut unterhalten zu werden, vielleicht Anregungen zu erfahren oder neue Perspektiven zu gewinnen. Es gibt auch eine philosophisch-religiöse Perspektive, angesprochen fühlen dürfen sich gleichermaßen Religiöse, „Aber“-Gläubige, Atheisten oder Spötter. Ich denke, es gibt nicht nur wegen Corona ein Bedürfnis nach tieferer Reflektion, Sinnfragen und dergleichen. Vielleicht kann man sich mit unserer Musik so beschäftigen, wie man es mit einem Buch kann. Die Frage, wie man das jetzt alles in Marketing-üblichen Begriffen taggen kann, war für uns offen gestanden zweitrangig.

Sie sind, wenn ich richtig informiert bin, als Komponist ausgehend von Berlin aktiv. In meiner Wahrnehmung gibt es in Berlin eine sehr vitale Szene zeitgenössischer Musik, die aber weniger wahrgenommen wird, als die klassischen „Leuchttürme“ der Neuen Musik in Donaueschingen, Darmstadt, usw. Woran liegt das? Ist die klassische Musik in Berlin so omnipräsent, dass sich die Feuilleton-Redaktionen ein leichtes Leben machen können, indem sie immer nur über die Konzerte der Weltstars berichten? Berlin ist überhaupt sehr voll mit Kultur. Hier finden (sehen wir mal von der Corona-Zeit ab) täglich so viele Veranstaltungen statt, dass man einzelne oft kaum noch mitkriegt. Dann ist Berlin ja vieles: Hauptstadt, Flickenteppich, zerrissen durch die Geschichte, es gibt überall viel Fluktuation – wenig Ruhe und Konstanz. In etwas ruhigeren, kleineren Orten ist neue Musik vielleicht besser wahrnehmbar. Was die Feuilletons angeht: ich habe den Eindruck, dass die heute auch mehr in Richtung „Star“-Vermarktung tendieren, als dass sie lebendigem Kulturleben oder wichtigen Gegenwartsdebatten der Kultur (jenseits einiger Reizthemen) einen größeren Raum einräumen. Gleichzeitig scheint es im Musikbereich ungeheuer fest gefügt zu sein, wer oder was als wichtig und relevant angesehen wird. Während im Literaturmarkt andauernd interessante, neue Talente in den Medien auftauchen, geht es in zumindest der Klassischen Musik ziemlich altväterlich zu: Da ist nur das gut und bewährt, was man kennt und was schon mindestens 75-mal besprochen wurde.

 Ist es abseits der großen Metropolen einfacher für zeitgenössische Komponisten, sich zu etablieren? Es fällt ja doch auf, dass viele der Zentren für zeitgenössische Kultur eben nicht in den klassischen Kulturmetropolen entstanden sind, sondern eben in Städten wie Darmstadt, Kassel, Donaueschingen usw. Das ist schon möglich. Aber dass ich zum Beispiel in Berlin wohne, heißt ja nicht, dass deswegen jetzt alle Stücke nur in Berlin gespielt werden oder werden sollten. Sie haben natürlich recht, dass es in Deutschland kleinteilige regionale Netze gibt, mit Hilfe derer entsprechende Komponisten oft langjährig promotet werden und dann irgendwann als „etabliert“ gelten. Ich habe leider über solche Netze nie verfügt.

 Anschließend: Was sind Ihre Pläne für die nähere Zukunft? Ich bereite mehrere Musiktheater-Projekte vor. Ich bin involviert in das neu gegründete Jüdische Theaterschiff MS Goldberg, das im Mai seinen Betrieb aufnehmen wird. Mit dem Brandenburgischen Staatsorchester steht eine Jazz-Kooperation mit mir als Solisten und Komponisten bevor. Ich werde konzertieren, unter anderem mit der Geigerin Liv Migdal oder dem Cellisten Ramón Jaffé. Verschiedene Kompositionen sind in Arbeit und neue Veröffentlichungen wird es auch geben- als Tonträger und als Noten bei der Universal Edition. Schön, dass es viel zu tun gibt!