Wer war Francesco Rasi?

 

Eine der schillerndsten Persönlichkeiten im Musikleben Italiens um das Jahr 1600 herum ist der aus Arezzo stammende Francesco Rasi, zugleich Dichter und Komponist sowie Sänger und dazu noch Mörder, der versuchte seine Stiefmutter umzubringen und deren Gutsverwalter tötete. Seiner gerechten Strafe entging er nur, weil die Herrscherfamilie, in deren Dienst er fast sein gesamtes , von 1574 bis 1621 dauerndes Leben verbrachte, ihm vor der Vollstreckung des Todesurteils zur Flucht verhalf. An der Seite von Vincenzo I. Gonzaga reiste er nicht nur durch ganz Italien, sondern auch durch halb Europa, verbrachte einige Zeit am polnischen Königshof, wo Sigismund III. residierte, in Prag am Hof Kaiser Matthias‘ und in Salzburg, wo er Erzbischof Markus Sittikus acht selbst komponierte Arien widmete. Er war der erste Orfeo in Monteverdis Oper, wirkte auch bei der Uraufführung von Peris Euridice und Caccinis Il rapimento di Cefalo mit. Vieles, was er schrieb und komponierte, ist im Verlauf der Jahrhunderte verloren gegangen, einige seiner vor allem für Tenor und damit für ihn selbst komponierte Werke blieben erhalten, befinden sich so wie Arien, die von anderen Komponisten geschrieben wurden, auf der CD, die der Tenor Emiliano Gonzalez Toro gemeinsam mit seinem aus Viola, Harfe und Laute bestehendem Ensemble I Gemelli eingespielt hat. Der Schweizer ist vor allem als Konzertsänger bekannt, hat auch bereits viel Bach neben italienischen Barockkantaten gesungen, dürfte es jedoch auf der Opernbühne wegen der Begrenztheit seiner stimmlichen Mittel, was die Qualität des Timbres und die Tragfähigkeit der Stimme angeht, eher schwer haben. Auf dem Cover der Soleil Noir betitelten CD schaut er so finster, ja dämonisch drein, als wolle er dem Hörer weniger den poeta, compositore, cantante näherbringen als den assassino.

Kläglich klingt das „Ohimè“ aus Rasis Indarno Febo, während ansonsten eher Beiläufigkeit das Bestreben des Sängers zu sein scheint. Fast ausschließlich die Mittellage wird nicht nur bei Rasi verlangt, die der Tenor mit dem eindeutigen Bestreben einsetzt, recht instrumental zu wirken. Es gibt auch feine Ausformungen der Melodie wie auf Del Biados „vieni su l’ale dei zefiretti“, jedoch dominiert Verhuschtes, scheint beinahe Gestaltungsprinzip zu sein und führt zum Verschlucken vorzugsweise von Konsonanten, aber auch ganzen Silben oder kurzen Wörtern. Schön ist das gleichberechtigte Wirken von Stimme und Laute in Gaglianos Lamento, sanfte Freude wird durch Rasis O che felice giorno verbreitet, ein schnelleres Tempo tut der Stimme in Caccinis Dalla Porta dell’Oriente gut und empfindungsreich wird D’Indias Amico, hai vinto gestaltet. Zudem erfreut Monteverdis „Quel‘ sguardo“ durch ungewohnte Munterkeit, die auch Falconieris  E vivere e morire zumindest teilweise zuteil wird. Das Rätsel aber, warum die CD sich Soleil noir nennt und warum der Sänger so finster schaut, bleibt bis zum Schluss ungelöst (Naȉve V5473). Ingrid Wanja