Un viaggio in Italia

So schlecht sollte es um den Liedgesang nicht bestellt sein. Die große Zahl an Veröffentlichungen gaukelt uns ein üppig bestelltes Feld vor. Nur wenige Lieder hat sich die kolumbianische Mezzosopranistin Adriana Bastidas-Gamboa in ihr Reisegepäck gesteckt, um Un viaggio in Italia zu unternehmen (Crescendoaudio cra 035). Seit 2008 an der Kölner Oper verpflichtet, wo sie für Partien wie Hänsel, Cherubino, Dorabella und Olga zuständig war, nimmt sie den Hörer durch Spontaneität und (Bühnen-)Temperament ein, geht die von Lara Jones am Klavier stilvoll begleiteten Stationen von Pergolesi über Gluck, Händel, Bellini, Rossini bis zu Donizetti und schließlich einem Lied aus ihrer Heimat, die sich, laut Beiheft, „aus dem inneren Kompass der Interpretin“ ergeben, mit Geschmack und Gespür ein.

Adriana Bastidas-GamboaDer innere Kompass schlägt bei der Arie der Magd Serpina aus Pergolesis La serva padrona noch all zu heftig und ungezügelt aus, springt uns die Stimme doch etwas harsch und heftig an, doch bei Gluck und Händel – Parides „O del mio dolche ardor“ und Cleopatras „Piangerò la sorte mia“ –  ist Bastidas-Gamboa bestens aufgehoben, bei Bellinis Liedern, darunter das beliebte „Vaga luna, che inargenti“, würde man sich einen ruhigeren Fluss wünschen, kann die an sich klangvoll rassige Stimme keinen einheitlichen Glanz entfalten. Bellinis Romeo bleibt vorerst noch ein Versuch, denn die Stimme ist an beiden Enden der Tessitur zu kurz, auch Leonoras „O mio Fernando“ wirkt trotz des unleugbaren Aplombs und Wagemuts der Sängerin phasenweise sehr unruhig tastend, doch Annas inniges Legato-Stimmungsbild „Giusto Ciel“ aus Rossinis Maometto Secondo gerät ebenso gekonnt wie das das für Bastidas-Gamboa maßgeschneiderte Rondò der Cenerentola.

Einen willkommenen Nachklang zum Meyerbeer-Jahr 2014 bieten die 25 Lieder, welche Andrea Chudak und ihr Begleiter Andreas Schulz im Vorjahr aufgenommen haben (Antes Edition (BM319294) und die einen repräsentativen Überblick über Meyerbeers gut 80 Lieder umfassendes Lied-Schaffen zwischen 1810 und 1863 erlauben. Wirkungsvolle Romanzen und Mélodies, auf Texte u. a von Goethe (Suleika“), Rückert („Sie und ich“), italienisch ariosenhaft, französisch duftig, brillant, sehr abwechslungsreich und oftmals spritzig, was Thomas Kliche im Beiheft sehr treffend beschreibt, „In den Liedern offenbart sich eine pittoreske Vielfalt, grenzüberschreitend zwischen Keckheit, Sentimentalität und religiöser Meditation. Meyerbeer kostet dabei den Stimmumfang der Sängerinnen und Sänger facettenreich und ausdrucksvoll aus… von ganz banalen musikalischen Floskeln über eine Tarantella oder einen Galopp bis hin zu locker-flockigen Walzerrhythmen“. Chudak und Schulz, der den brillanten Klaviersatz virtuos und mit Finesse umsetzt, sind mit großem Plaisir bei der Sache, lassen die Musik funkeln und leuchten, musizieren mit ansteckend guter Laune; Chudak verfügt über einen charmanten, flirrenden Sopran, mit dem sie parodistische Akzente setzt („Armes Kind“ auf einen Text von Meyerbeers Bruder Michael Beer), aber auch weite stimmungsvolle Bögen, in „Suleika“, mit Substanz erfüllt. Insgesamt eine mehr als angenehme Überraschung.

mayr partenope naxosFranz Hauk, der unermüdliche Mayr-Apologet, hat dem Naxos-Katalog seiner Aufnahmen mit Werken Simon Mayrs mit der 2012 in Neuburg an der Donau entstandenen Ersteinspielung der Cantata Opera bzw. melodramma allegorico Il sogno di Partenope 8.573236) eine weitere Rarität hinzugefügt. Die zweiaktige Kantate entstand 1817 anlässlich der Wiedereröffnung Teatro San Carlo, das mit diesem auf die griechische Mythologie verweisenden Thema unter Beteiligung von Genien, Göttern und olympischem Personal nach einem Brand neuerlich als Tempel der Musen installiert wurde: Die Stadtheilige Partenope wird in einen Schlaf versenkt, während das Opernhaus unter Ferdinand I. zu neuem Glanz ersteht. Zur Neueröffnung des Theaters am Geburtstag des Königs sang Isabella Colbran die Titelrolle, flankiert von Giovanni David als Merkur Giovanni Battista Rubini als Apoll und Andrea Nozzari als böser Geist Polyphlegon. Mit solch einem Staraufgebot kann die von Mitgliedern des Bayerischen Staatsopernchores und dem Simon Mayr Chor und Ensemble unter Franz Hauk bestrittene Aufnahme natürlich nicht konkurrieren. Andrea Lauren Brown als Partenope sowie u. a. Sara Hershkowitz, Caroline Adler und die Tenören Cornel Frey und Sellier sind kundige Sänger, die sich bereits mehrfach und mit Hingabe für Mayr eingesetzt haben.

Rolf Fath