Hommage und Visitenkarte

 

Nach und neben Karl Böhm war der gebürtige Salzburger Leopold Hager lange Zeit der herausragende Zeuge für einen authentischen Mozart-Stil, bevor „Revoluzzer“ von Nikolaus Harnoncourt bis Teodor Currentzis mit ihren alternativen Klangvorstellungen auch bei den Salzburger Festspielen für einen grundlegenden Paradigmen-Wechsel sorgten. In gewisser Weise ist dieses von dem Bariton Rafael Fingerlos im zurückliegenden Frühjahr in Salzburg produzierte und sängerisch bestrittene Recital Mozart made in Salzburg eine nostalgische Zeitreise, bei der sich Hörer, die noch mit Böhm und Hager aufgewachsen sind, entspannt zurücklehnen können. Der zum Zeitpunkt der Aufnahme 85jährige Hager zeigt mit dem Salzburger Mozarteum-Orchester, dessen Chefdirigent er von 1969-81 war, keine Spur von Altersmüdigkeit und lässt Mozarts Musik mit weitgehend beschwingten Tempi in üppiger Klangpracht erblühen. Die generationenübergreifende Zusammenarbeit im Dienste Mozarts war dem jungen Bariton ein Herzensanliegen und sollte zugleich eine Hommage an die Stadt werden, von der seine rasche Karriere ihren Ausgang genommen hatte.

Das Recital enthält alle Mozart-Opern, in denen Fingerlos aufgetreten ist, dazu eine bravouröse Arie aus der unvollendet gebliebenen „Zaide“, vier Konzertarien und das von Hager am Klavier begleitete Kunstlied „An Chloë“. Dazu das kurze Lamento „Wie unglücklich bin ich nit“ von 1772. Dass diese große Huldigung an Mozart zugleich eine tönende Visitenkarte des Sängers ist, steht außer Zweifel und er ist sich auch wohl bewusst, dass er sich bei dieser Gelegenheit mutig einer langen und großen Tradition stellen muß.

So locker und verschmitzt, wie er sich auf dem Cover präsentiert, mit Hosenträgern über dem T-Shirt, ist Fingerlos als Sänger nicht. Da ist schon etwas eine spätere Kammersängerwürde zu ahnen. Die Stimme ist kernig und der Vortrag zeigt Energie und Autorität. Die dargestellten Charaktere aber teilen sich nur verschwommen mit, vor allem fehlt es durchweg an komödiantischer Nuancierung. Und wenn wir schon in Salzburg sind: In den beiden Papageno-Arien vermisst man den Volkstheaterton, wie ihn Erich Kunz und Walter Berry so unvergeßlich trafen. In Guglielmos Arie „Donne mie“ drängen sich Vergleiche mit dem ungleich witzigeren und charmanteren Hermann Prey auf und für das Ständchen des Don Giovanni fehlt es an dem verführerischem Schmelz eines Cesare Siepi. Mag sein, dass Fingerlos in allen drei Rollen auf der Bühne und ohne die Last bedeutender Vorbilder auf dem Rücken stärkere Wirkungen erzielt.

Auf Hagers Vorschlag hin hat er in diesem Recital auch die Arien des Leporello und des Figaro aufgenommen. An sich eine reizvolle Idee, viele Sänger haben ja abwechselnd den Herrn und den Diener gesungen – man denke an Samuel Ramey, Ferruccio Furlanetto und Bryn Terfel – und ihre jeweiligen Rollenprofile haben von diesem Wechsel profitiert. Auf der Klangbühne aber sind im Falle von Fingerlos die farblichen Kontraste zwischen den Gegenspielern nicht scharf genug. Leporello ist stimmlich imposant, auch Figaro weniger aufmüpfig als herrisch. Das überraschende Prunkstück der Sammlung, auch in sängerischer Hinsicht, ist die veränderte Cabaletta der Grafen-Arie, die Mozart für den Sänger der Wiener Premiere geschrieben hatte und die selbst der Mozart-Experte Hager vorher nicht kannte. Sie erfordert eine ungeheure stimmliche Flexibilität und ist mit 14 hohen G’s eine Herausforderung für jeden Bariton. Für Fingerlos, der kein Bassbariton ist, wie er in vielen Mozartrollen angelegt ist, sondern mehr in die tenorale Richtung neigt, ist das ein gefundenes Fressen. (Solo Musica SM 377Ekkehard Pluta