Regionales

 

Bereits Sorgen um die Auswirkungen der vielen von bedeutendsten Opernhäusern angebotenen Streaming-Möglichkeiten machen sich Opernfreunde, die befürchten, der Geschmack des Publikums könnte sich derart verfeinern, dass Stadttheater nach überstandener Corona-Krise ihr Publikum verloren haben werden. Welche Chancen können sich dann Aufnahmen aus kleineren Bühnen für ihre CDs oder DVDs ausrechnen, müssen sie sich doch erst recht mit erstklassigen Interpretationen messen.

Die Oper Graz stellt sich dem Vergleich mit exzellenten Aufnahmen mit einer Produktion aus den Jahren 2018 und 2019, d.h. Auszüge aus vier Vorstellungen sind auf den zwei CDs mit den ewigen Opernzwillingen Cavalleria Rusticana und Pagliacci miteinander vereint. Damit ist zwar vermieden worden, dass Patzer in die Aufnahmen eingehen, aber auch der Vorteil gegenüber einer Studio-Produktion aufgegeben worden, eine wirkliche Live-Vorstellung zu erleben.

Es beginnt traditionsgemäß mit der Cavalleria, bei der die Grazer Philharmoniker unter ihrer Chefdirigentin Oksana Lyniv sich in der Sinfonia recht unausgeglichen zeigen, schwankend zwischen gehetzt und schwammig, aber zunehmend ausgeglichen musizieren und im Interludio die Stimmung des Werks eindrucksvoll vermitteln können. Vorzüglich ist hier wie auch in den folgenden Pagliacci der Chor der Oper Graz unter Bernhard Schneider.

Die beiden männlichen Hauptrollen werden jeweils von ein und demselben Sänger interpretiert, was in Bezug auf den Alfio/Tonio kein Problem darstellt, da der norwegische Bariton Audun Iversen das notwendige vokale Durchsetzungsvermögen besitzt und seine Stimme angemessenes Metall aufbringen kann. Sehr veristisch fasst er den Prolog in Pagliacci auf, wo man eine einheitlichere musikalische Linie vermisst, wo die Fermaten, so auf „Ricominciate“,  geradezu ausufern.  Kritischer wird es mit Aldo Di Toro als Turiddu, dessen Tenor für diese Partie zu hart klingt, zwar die begehrte lacrima nella voce, aber leider abgleitend ins Lamoryante hat, der im „Addio alla mamma“ mehr Kraft als vokalen Schmelz einsetzt. Viel besser steht es danach mit dem Canio, dem das baritonale Fundament der Stimme gut ansteht. Hier wünscht man dem Sänger allerdings eine bessere Einteilung, was Emotionen und Kraft betrifft, wenn er bereits in der ersten Arie alles gibt, so dass eine Steigerung für „Vesti la giubba“ trotz singhiozzi und colpi di glottide kaum mehr möglich ist. Für den Silvio ist der Bariton von Neven Crnić  zu dumpf, auch wenn er sich musiklisch gibt, als Beppo kann sich Martin Fournier nicht entscheiden,  ob er mehr zum lyrischen oder Charaktertenor neigt.

Mit schönem, ebenmäßigem Mezzosopran singt Ezgi Kutlu die Santuzza, einem feinen Piano für „Signor“, ohne Schärfen und mit einer schönen Trauer im Bekenntnis gegenüber Alfio.  Weich und erotisch klingt di Stimme von Mareike Jankowski, die die Lola mit kokettem „Io me ne vado“ singt. Und als Mamma Lucia begegnet man noch einmal Cheryl Studer.  Eine schöne, aber für die Nedda nicht die richtige Stimme hat Aurelia Florian, die dem Vogellied entwachsen ist, aber im Duett mit Silvio punkten kann (Oehms Classics 987/ 2CDs). Ingrid Wanja