Nix Sizilien

 

In Berlin waren sie jahrelang das Refugium für regiegestresste Hauptstädter und ihre Gäste, die konzertanten Wagner-Aufführungen in hochkarätiger Besetzung und mit dem DSO unter der Leitung seines Chefdirigenten Marek Janowski – und zum Glück gibt es davon auch CDs zur dankbaren Erinnerung. Nun ist aus dem Dresden von 2019, nein, nicht mit der Staatskapelle, sondern der Dresdner Philharmonie eine Cavalleria rusticana erschienen, bei der nicht das Orchester, schon gar nicht der vorzügliche MDR Leipzig Radio Choir enttäuschen, sondern einige der Solisten, die leider das auf dem Cover der CD lodernde Feuer des Ätna nicht auf ihren Stimmbändern tragen.

Die von Janowski gewählten Tempi gehören zu den eher schnellen, straffen, abgesehen vom besinnlich genommenen Zwischenspiel, die weitgespannten Bögen und die raffinierte Agogik dokumentieren den Reichtum der Partitur, erinnern streckenweise an spätromantische Aufwallungen. Vielseitig zeigt sich der Chor, der von Jörn Hinnerk Andresen einstudiert wurde mit duftigen „aranci“, schönen Abstufungen im „regina coeli“ und vokalem Übermut im Brindisi.

Einen vokalen Kraftprotz von Turridu, der in Richtung deutscher Heldentenor weist, gibt Brian Jagde, dessen Siciliana eigentlich Alfio nicht hätte entgangen sein dürfen, der mit einem kraftvollen, aber nicht von der Sonne Siziliens geküssten Tenor die arme Santuzza allein schon durch Stimmgewalt niederschlägt, der im Brindisi etwas schwerfällig wirkt, Leidenschaft und Kraft in das Addio investiert und im „non tornassi“ von tragischer Wucht ist.

Dem Alfio von Lester Lynch kommen die schnellen Tempi entgegen, sein Bariton passt zur Figur, bei gemäßigtem Tempo erscheint er als prägnant, von schmerzlicher Betroffenheit ist „che dite“ und eindrucksvoll sein „Ad essi non perdono“.

Eine zarte Ausgabe von Santuzza gibt Melody Moore, deren Stimme das Kernige, die stabile Mittellage fehlen, die für die Figur einfach zu wenig corpo hat. Anstelle von abgrundtiefer Verzweiflung hört man in ihrem „Io son‘ danata“ nur Geschmäcklerisches, klingt ihre Santuzza fast durchgehend eher jämmerlich als tragisch. Gefällig, wie es sich gehört, singt Roxana Constantinescu die Lola, traurig machende Stimmreste setzt Elisabetta Fiorillo für die Mamma Lucia ein.

Abgesehen von Chor und Orchester ist diese Aufnahme keine, die man sich immer und immer wieder anhören möchte( Pentatone PTC 5186 772). Ingrid Wanja