„Götterdämmerung“ aus Hong Kong

 

Exakt vier Jahre nachdem im Januar 2015 im Cultural Centre die Götter gen Walhall gezogen waren, ließ Brünnhilde am 18. und 21. Januar 2018 ihre Raben vom Süden der Halbinsel Kowloon Richtung Festland fliegen. Das zur Ertüchtigung des seit den 1970er Jahren als professionelles Orchester agierenden Hong Kong Philharmonic Orchestra angesetzte Ring-Projekt hat sich in den rasch auf die Konzertaufführungen folgenden Naxos-Veröffentlichungen als mehr als nur eine Fußnote erwiesen. Zwar nicht zwingend notwendig, hat auch die Götterdämmerung (4 CD 8.660428-31) Aufmerksamkeit verdient. Neu sind Brünnhilde und Siegfried. Gun-Brit Barkmin stellt gleich mit ihrem ersten Auftritt eine Figur aufs Konzertpodium, der sie im Lauf des Abends ein Gesicht verleiht. Jugendlich und schlank aufschwingend verfügt ihr heller Sopran über eine sympathische Farbe und kommunizierende, weil sehr textdeutliche Eindringlichkeit in der Mittellage und Tiefe. Die im Vorspiel noch angetippte Höhe legt an Festigkeit und Schlagkraft zu, nicht an Leuchtkraft, die Interpretation an Ruhe und Kraft, so dass das überraschende Rollendebüt – nach den vielen Salomes, auch Chrysothemis sowie der ersten Isolde 2016 in Graz – Sinn macht. Der Amerikaner Daniel Brenna fühlt sich daneben nicht immer wohl, wirkt eingeengt, sein Tenor klingt gespreizt und gestresst, manchmal fern und leicht wie aus einem Nebenraum, gewinnt aber bereits Ende des ersten Akts an Selbstbewusstsein und steigert sich („Helle Wehr“) später in „Brünnhilde! Heilige Braut“ vom scheuen Jüngling zum geschundenen Helden. Der Bassbariton Shenyang, Gewinner der Cardiff Singer of the World Competition von 2007, und Eric Halfvarson gleichen sich als Halbbrüder Gunther und Hagen in Farbe und Düsterheit, wobei sich Halfvarsons grobklotziger Hagen gelegentlich ein Beispiel an der Textbehandlung des chinesischen Kollegen nehmen könnte; recht unruhig und charaktervoll klingen sie beide. Amanda Majeski ist eine zurückhaltend spitze Gutrune. Michelle DeYoung gibt eine kraftvoll überzeugende Waltraute. Hagens Vater Alberich singt der Ungar Peter Kálmán mit geradezu edel gefasst hellem Bassbariton. Das japanisch, französisch-österreichische Rheintöchter-Trio Eri Nakamura, Aurhelia Varak und Hermine Haselböck ist gut, ausgezeichnet die vereinte Wucht der von Eberhard Friedrich instruierten Chöre aus Bamberg, Lettland und Hong Kong. An spieltechnischer und klanglicher Kompetenz hat Jaap van Zweden das Orchester bestens aufgestellt. Ihm gelingen eindrucksvolle Momente, brillant abgehorchte orchestrale Schilderungen und Übergänge in den Zwischenspielen, Siegfrieds Rheinfahrt und dem Trauermarsch. Bei durchgehend breiten, aber lebhaft akzentuierten Momenten gelingen van Zweden und Orchester nach der etwas unerheblichen Einführung durch die Nornen Sarah Castle, Stephanie Houtzel und Jenufa Gleich spannende, mit Streichereleganz entworfene Momente, die den erzählerischen Duktus betonen.    Rolf Fath